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Neuer Pestizid-Bericht
Das ist der Preis für den Giftverzicht

Umweltverbände wollen den Einsatz konventioneller Pflanzenchutzmittel verhindern: Ein Helikopter besprüht Reben gegen Ungeziefer und Pilzbefall. 
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Glyphosat ist mehr als ein Pflanzengift. Nebst dem zuletzt viel diskutierten Pilzbekämpfungsmittel Chlorothalonil ist es zum Sinnbild einer Landwirtschaft geworden, die ihre Erträge ohne Rücksicht auf die Umwelt maximieren will. Doch dieses Bild, das Umweltschützer gerne zeichnen, wird nun zumindest relativiert: Ein neuer Bericht, den der Bundesrat am Freitag publiziert hat, wartet mit interessanten Erkenntnissen auf.

Steigende Kosten

Ein Verzicht auf Glyphosat kann ins Geld gehen. Das zeigen Studien aus verschiedenen europäischen Ländern, die der Bundesrat im Bericht thematisiert. So rechnet etwa eine schwedische Studie bei Bauern mit einem Einkommensrückgang von fünf bis acht Prozent, unter anderem wegen rückläufiger Erträge von Ackerkulturen. Andere Studien sprechen wegen des Mehraufwands von steigenden Lohn- und Maschinenkosten und beziffern teils beträchtliche Gewinnverluste für die Bauern.

Mehr Treibhausgase

Es gibt weitere potenzielle Nebenwirkungen. Bauern können Glyphosat nicht einfach ersetzen, weil es an Alternativen mangelt. Folglich müssen sie den Boden mit Maschinen pflügen und das Unkraut mechanisch vernichten. Diese Verfahren sind im Vergleich zum Spritzen von Glyphosat energieintensiver, sie verursachen laut Bericht erhöhte Treibhausgasemissionen – was klimapolitisch unerwünscht ist. Alternativen, die keine grösseren Klima- und Umweltwirkungen haben, stehen noch nicht für alle Glyphosat-Anwendungen zur Verfügung, wie es im Bericht heisst. Es brauche Forschung und die nötige Zeit zur Entwicklung von Neuerungen, etwa den Jät-Roboter. Dies sagt auch Andreas Bosshard von der Denkfabrik Vision Landwirtschaft: Es gebe Ersatzlösungen, welche ohne Herbizide und Pflug auskämen, die Bodenerosion also nicht fördern und auch den CO2-Ausstoss nicht erhöhen würden. «Aber sie sind anspruchsvoll und teilweise noch zu wenig praxiserprobt.» Zwar sind solche Verfahren teurer – allerdings nur, wie Bosshard anfügt, solange die Schäden an der Biodiversität, die der Glyphosateinsatz bewirke, von der Bevölkerung beziehungsweise von zukünftigen Generationen bezahlt würden.

Rückläufige Verkäufe

In der Schweiz geht der Verkauf von Glyphosat zurück. Nach oben zeigt der Pfeil dagegen bei jenen Mitteln, die in der Bio-Landwirtschaft eingesetzt werden können. Auch insgesamt betrachtet, ist der Verkauf von Pestiziden mit einem Minus von über 10 Prozent seit 2008 rückläufig. Die abgesetzte Menge an Pestiziden für die konventionelle Landwirtschaft sinkt ebenfalls. Das liegt nicht zuletzt an einer Neuerung: Seit 2018 erhalten Landwirte, die beim Anbau bestimmter Kulturen, etwa Obst, Reben und Zuckerrüben, auf Herbizide verzichten, spezielle Direktzahlungen vom Bund. Diese Massnahme ist Teil des Aktionsplans Pflanzenschutzmittel, mit dem der Bundesrat die Risiken der Pestizide halbieren und Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz fördern will. Kritiker entgegnen, die rückläufigen Zahlen seien nur die halbe Wahrheit. Es brauche eine kombinierte Betrachtung der Menge und des Risikos einzelner Stoffe. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) macht bei der Verkaufsstatistik jedoch auch für das Risiko eine positive Tendenz aus. Nicht so Vision Landwirtschaft. So sei die Menge der eingesetzten Insektizide – die für die Biodiversität besonders schädlich seien – letztes Jahr deutlich gestiegen.

«Nicht krebserregend»

Glyphosat ist «nicht krebserregend»: Dieser Einschätzung der Europäischen Chemikalienagentur und allen anderen «massgebenden internationalen und nationalen Institutionen» schliesst sich das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) an. Das Krebsforschergremium der Weltgesundheitsorganisation dagegen hat 2015 Glyphosat als «wahrscheinlich krebserregend» eingestuft und damit die Kontroverse um das Pflanzengift entscheidend befeuert. Laut Bericht zeigen Schweizer Monitoring-Daten zudem: Der Einsatz von Glyphosat wirkt sich auf Gewässerorganismen nicht negativ aus.

Vor wichtigen Entscheiden

Die Publikation des Glyphosat-Berichts fällt in eine Zeit der Entscheidungen. Für Markus Ritter, CVP-Nationalrat und Bauernverbandspräsident, zeigt die neue Arbeit: «Die Schweiz ist auf gutem Weg.» Eine Aussage, die Pestizidgegner bestreiten. Im nächsten Jahr kommen zwei Volksbegehren an die Urne, welche den Einsatz von Pestiziden stark einschränken respektive ganz verbieten wollen. Das Parlament laboriert derzeit an einem informellen Gegenvorschlag. Nach dem Ständerat will auch der Nationalrat die Pestizidrisiken bis 2027 im Vergleich zu den Jahren 2012 bis 2015 um 50 Prozent mindern. Die Debatte geht nächste Woche weiter. Auch bei der neuen Agrarreform ab 2022 steht ein wichtiger Entscheid an: Der Ständerat befindet über eine Sistierung des Pakets.