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Kassenverband schlägt Alarm
«Das Gesundheitswesen wird unbezahlbar werden»

Direktorin Santésuisse
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Ihre Studie zeigt, dass Ärzte in gewissen Kliniken nur eine Knieprothese pro Jahr implantieren oder lediglich einen Fall von Hautkrebs behandeln. Was bedeutet das für die Patientinnen und Patienten?

Je häufiger ein Eingriff gemacht wird, desto eher gelingt er, das belegen zahlreiche Studien. Wer die bestmögliche Qualität will, muss also auf Spitäler setzen mit viel Routine. Einmal pro Jahr ist viel zu wenig. Wenn eine Operation misslingt und man das Implantat wieder herausnehmen muss, ist das schmerzhaft und kann langfristige negative Folgen haben. In der Schweiz machen wir pro Jahr etwa 23’000 Knieprothesen. Wir müssen sicherstellen, dass die konzentriert durchgeführt werden. Am besten in regionalen Zentren.

Sie würden also für eine Knieprothese eher ins Kantonsspital Chur als in ein kleines Regionalspital in der Nähe gehen?

Ich würde fragen, wo der Operateur und das Team mit der grössten Erfahrung stationiert sind. Dann würde ich in Absprache mit meinem Hausarzt dieses Spital auswählen. Das ist dann nicht zwingend eines, das nur zehn Minuten entfernt ist. Es geht ja um meine Gesundheit. Da kann ich bei einem planbaren Eingriff auch eine Stunde reisen. Ich komme selber aus dem Kanton Graubünden. Sogar aus dem Unterengadin hat man nicht Stunden, bis man in Chur ist. Hauptsache, ich bin danach beschwerdefrei.

Gewisse Kliniken sagen, dass sie für einzelne Operationen erfahrene Belegärzte oder -ärztinnen kommen lassen.

Es ist nicht nur der Operateur, der zählt. Das ganze Team entscheidet, ob das Resultat gut ist oder nicht. Das fängt bei der Anästhesieärztin an, geht weiter mit dem Operations-Pflegepersonal bis hin zu den Assistenzärzten. Noch mal: Die Nähe ist weniger wichtig als ein eingespieltes Team.

Derzeit müssen überall Spitäler gerettet werden. Sie sagen, eine Konzentration würde auch helfen, Kosten einzusparen.

In der Schweiz haben wir fast 300 Spitäler, das ist international gesehen eine sehr hohe Spitaldichte. Jeder Standort hat eine eigene Grundinfrastruktur: Operationssäle, Kantinen, Personalbestand und so weiter. Wenn Sie nur wenige Behandlungen pro Fachgebiet durchführen, dann leidet nicht nur die Qualität. Auch die einzelnen Operationen werden so teurer. Und das zahlen am Schluss die Prämien- und Steuerzahler.

Aber es ist doch keine Lösung, einfach alle kleinen Spitäler zu schliessen?

Nein. Ein kleines Spital kann sich zum Beispiel innerhalb einer Region auf ausgewählte Fachgebiete, zum Beispiel Geburten, spezialisieren und diese in grosser Zahl und rentabel anbieten. Das könnte man dann mit verwandten Gebieten erweitern, beispielsweise mit gynäkologischen Eingriffen. Dafür muss diese Klinik vielleicht auf die Knieprothesen verzichten. Ein Problem bei kleineren Spitälern liegt vor allem dann vor, wenn sie versuchen, zu viele Fachgebiete abzudecken. Das Angebot wird so in der ganzen Schweiz verzettelt. Dadurch leidet die Qualität, und die Kosten steigen.

Was wäre also Ihr Vorschlag?

Der Bund müsste grössere Versorgungsregionen festlegen, die auch über die Kantonsgrenzen hinweg reichen. Innerhalb derselben könnte er Rahmenbedingungen bestimmen, zum Beispiel die Mindestfallzahlen pro Fachgebiet. Innerhalb dieser Regionen könnten sich die Kantone dann selbst organisieren und zum Beispiel die Standorte und Spezialisierungen festlegen. Im Zentrum muss dabei immer die Qualität für die Patienten stehen.

Direktorin Santésuisse

Wie müssten solche Regionen konkret aussehen?

Es könnte zum Beispiel den Grossraum Zürich geben. Heute gibt es nämlich rund und um den Zürichsee viele kleinere Spitäler, die in verschiedenen Kantonen liegen. Dort müsste man interkantonal planen. Dasselbe gilt für das Mittelland und die Nordwestschweiz.

Der Bundesrat hat bis jetzt keine überkantonalen Versorgungsregionen oder Mindestfallzahlen eingeführt.

Das liegt daran, dass sich vor allem kleinere Kantone wehren. Wenn nationale oder regionale Mindestfallzahlen vorgegeben würden, müssten die Regierungen der Bevölkerung nämlich erklären, warum das eine oder das andere Spital gewisse Behandlungen nicht mehr anbieten darf oder Standorte sogar ganz geschlossen werden müssten.

Wie geht es nun weiter, wenn die Kantone nur für sich schauen?

Die Spitäler werden wohl auch in Zukunft Defizite ausweisen, und die Kantone oder Gemeinden werden diese decken, solange genügend Geld vorhanden ist. Das führt letztlich zu einer unkoordinierten Versorgungsplanung und dadurch zu schlechter Qualität für die Patientinnen und Patienten.

Inwiefern?

Beim Spitalneubau in Wetzikon ist der Kanton nicht bereit, das Defizit zu übernehmen. Im Kanton St. Gallen hatte das Volk zwar beschlossen, die regionalen Standorte zu erhalten. Am Schluss fehlte das Geld und das neu gebaute Spital Wattwil musste schliessen. In Freiburg will man drei voll ausgestattete Standorte erhalten, was kaum finanzierbar ist. Wenn man nicht besser plant, kommt es zu unkoordinierten politischen Entscheidungen. Darunter leiden die Patientinnen und Patienten, und das Gesundheitswesen wird unbezahlbar werden.