Geheimdienstaktion RusslandsGesprengtes Kriegsmaterial war für die Ukraine bestimmt
Zur Explosion in einem tschechischen Munitionslager sind neue Details publik geworden. Eine Rolle spielte auch ein Waffenhändler aus Bulgarien, auf den ein Nowitschok-Anschlag verübt worden war.
Neue Informationen zu Anschlägen auf ein tschechisches Munitionsdepot nahe Vrbetice im Oktober und im Dezember 2014 hatten in den vergangenen Tagen politische und diplomatische Verwerfungen ausgelöst. Nun zieht der Fall weitere Kreise in Mittelosteuropa.
Mitte April hatte der tschechische Premier Andrej Babis erklärt, es lägen eindeutige Beweise dafür vor, dass die Anschläge von Agenten des russischen Geheimdienstes GRU begangen worden seien. Im Oktober 2014 waren dabei zwei Menschen ums Leben gekommen. Die Agenten hätten im Auftrag Moskaus Munitionskisten mit Sprengstoff präpariert, sagte Babis. Offenbar stecke die GRU-Einheit 29’155 hinter den Aktivitäten.
Die Munition soll dem bulgarischen Waffenhändler Emilian Gebrew gehört haben und für die Ukraine bestimmt gewesen sein. Tschechien wies in den vergangenen Tagen als Zeichen des Protests achtzehn russische Diplomaten aus, die Babis als Geheimagenten bezeichnete. Moskau reagierte seinerseits mit der Ausweisung von zwanzig tschechischen Botschaftsmitarbeitern. Tschechien spricht von «Staatsterrorismus», Moskau dementiert jede Beteiligung.
Nowitschok-Anschlag auf Waffenhändler
Allerdings gibt es zahlreiche Indizien dafür, dass der GRU die Aktion durchführen liess. So sollen zwei der Tatverdächtigen just jene mittlerweile namentlich bekannten Agenten Anatoli Tschepiga und Alexander Mischkin gewesen sein, die 2018 im britischen Salisbury mit dem Nervengift Nowitschok einen Anschlag auf den früheren russischen Spion Sergei Skripal und seine Tochter verübt haben dürften. Ein weiterer Beteiligter an dem Anschlag in Grossbritannien, der «dritte Mann», soll auch in Tschechien im Einsatz gewesen sein.
Zudem war bereits 2015 auf den bulgarischen Waffenhändler, dem das Kriegsmaterial in Vrbetice gehört haben könnte, ein Attentat mit ebendiesem Nervengift, mit Nowitschok, verübt worden. Bei den Skripals hatte es sich an der Türklinke des Hauses befunden, im Fall des Bulgaren am Griff seines Autos. Die Hintermänner des Nowitschok-Anschlags in Bulgarien sind offiziell nie gefunden worden.
Seit Tschechien seinen begründeten Verdacht Ende vergangener Woche öffentlich machte, werden immer mehr Details bekannt, wie der Anschlag abgelaufen sein könnte.
Gemäss der Recherchewebsite «Bellingcat», die seit Jahren Informationen über russische Geheimdienstaktivitäten zusammenträgt und mit «The Insider», Respect.ch und dem «Spiegel» kooperierte, sollen sich die beiden GRU-Agenten Tschepiga und Mischkin kurz vor der Explosion im Oktober in Tschechien aufgehalten haben und danach via Wien nach Moskau zurückgeflogen sein. Chef ihres Kommandos war gemäss «Bellingcat» General Andrei Awerjanow, der, wie Flugdaten belegten, über Wien Richtung Tschechien gereist war.
Empörung in Bulgarien über Moskau
Österreichs Aussenminister Alexander Schallenberg sicherte Tschechien die «Solidarität» seines Landes zu, äusserte sich aber nicht weiter zu den Hintergründen. In Ungarn, das als Teil der Visegrad-Staaten Partner Tschechiens ist, hingegen politisch immer wieder die Nähe zu Moskau sucht, war es Aussenminister Peter Szijjarto, der sich so vage wie möglich aus der Affäre zog: Er erklärte seine Solidarität «mit der Tschechischen Republik wegen ihres diplomatischen Konflikts mit Russland». Die offizielle Visegrad-Erklärung kam dann aber von den russlandkritischen Polen.
Grosse Empörung über Moskau herrscht in Bulgarien, wo erst im März nach zahlreichen Razzien sechs Menschen wegen des Vorwurfs der Spionage für Moskau festgenommen worden waren. Allein in den vergangenen zwei Jahren wurden dreimal russische Staatsbürger aus Bulgarien ausgewiesen, die für Moskau spioniert haben sollen.
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