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Merkels Abschiedsbesuch
Gespräch mit Johnson und zum Tee bei der Queen

Premierminister Boris Johnson begrüsst die deutsche Kanzlerin Angela Merkel auf seinem Landsitz Chequers in  Buckinghamshire.
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Gestern reiste Angela Merkel wohl zum letzten Besuch ihrer Amtszeit ins Vereinigte Königreich. Sie traf sich mit dem Premierminister auf dessen Landsitz Chequers und wurde danach – als besondere Ehre – in Windsor Castle von der Queen zum Tee empfangen.

Merkel war den Briten ein wohlgelittener, ein unumstrittener Gast. Mit höflichen Beileidsbekundungen ihrer Gastgeber durfte sie rechnen – nicht nur wegen ihres bevorstehenden Abschieds von der politischen Bühne, sondern natürlich auch, weil das deutsche Fussballteam just vom englischen aus dem EM-Turnier gekickt worden war.

Boris Johnson lag aber vor allem daran, über Covid zu reden. Seinen Landsleuten hatte er erst am Vortag wieder baldige Urlaubsmöglichkeiten auf dem Kontinent in Aussicht gestellt. Eine «vollständige Impfung» werde sich für die Briten als «Befreiungsschlag» erweisen, hatte er verkündet. Noch diesen Monat soll der Lockdown in England für immer zu Ende sein.

Grenzöffnungen und Post-Brexit-Probleme

Wegen der in Grossbritannien ungehemmt grassierenden Delta-Variante versagen die Deutschen aber nicht nur Möchtegern-Urlaubern von der Insel derzeit die Einreise. Sie haben auch andere EU-Regierungen aufgefordert, es ihnen gleichzutun. Bei der Begegnung mit Merkel tat Johnson gestern sein Bestes, die Kanzlerin zur erneuten Öffnung der Grenzen zu überreden.

Post-Brexit-Probleme waren das zweite zentrale Thema. Erleichtert wurde das Gespräch zumindest durch die Kompromisse, zu denen sich die EU in Sachen Nordirland für die nächsten Monate bereitgefunden hat. An eine grundsätzliche Änderung des auch von Johnson unterzeichneten Nordirland-Protokolls wollte die Bundeskanzlerin allerdings nicht denken. «Pragmatische Lösungen» zur Anwendung seien aber durchaus möglich, sagte sie.

Der Brexit-Schock von 2016 und die Folgen hatten das deutsche Verhältnis zu Grossbritannien während des letzten Drittels von Merkels Amtszeit überschattet. Dabei wurde Merkel von den meisten Briten bereits zuvor als pragmatische, etwas dröge, aber insgesamt friedliche Regierungschefin betrachtet – nicht als Hassfigur. Lediglich die harte Haltung ihrer Regierung gegenüber kleineren EU-Staaten in der Finanzkrise löste seinerzeit scharfe Kritik aus.

Respekt für Merkels Humanität in der Flüchtlingskrise

Gemischte Reaktionen gab es, als sich die Bundeskanzlerin für die Aufnahme von Flüchtlingen starkmachte. Den Brexiteers spielte das in die Hände, im Vorfeld der Austritts-Schlacht. Aber viele Briten bekundeten Respekt oder sogar Bewunderung für Merkels klare und «humane» Position.

Auch in den Trump-Jahren wurde sie als eine «gesunde Alternative», als Repräsentantin nüchternen Ausgleichs gesehen. Die Frage, wie es nun ohne sie weitergehen soll, ist auch in Downing Street gestellt worden. Zumindest in der Aussen- und Verteidigungspolitik sucht man in London weiter demonstrativen Schulterschluss. In einer bereits an diesem Mittwoch veröffentlichten 20-Punkte-Erklärung haben beide Seiten ihre Absicht enger bilateraler Kooperation unterstrichen. Vorgesehen sind jährliche aussenpolitische Gipfel, wie sie London auch mit Paris und Rom vereinbaren will.

Wissenschaftspreis nach Merkel benannt

Einen kuriosen Augenblick gab es bei der Pressekonferenz in Chequers, als Angela Merkel sich zutiefst besorgt zeigte wegen der 60’000 Fussballfans, die zu jedem der drei letzten EM-Spiele im Wembley-Stadion erwartet werden nächste Woche. Johnson verteidigte sich mit den Worten, er halte sich bei einer Entscheidung wie dieser strikt an «wissenschaftlichen Rat». Wenige Minuten zuvor hatte er verkündet, dass sein Land einen nach Merkel benannten neuen Wissenschafts-Preis stifte: weil der «wissenschaftliche Sachverstand» der Kanzlerin von unschätzbarem Wert sei.

Nach ihrem Empfang bei Königin Elizabeth II. am Freitagnachmittag auf Schloss Windsor sah Merkel ihre «mission accomplished». Ihre Ehrenrunde war endgültig beendet.