Kommentar zu GerichtsurteilDiese Klarstellung zu Vergewaltigungen war überfällig
Das Bundesgericht hält endlich fest: Die Dauer einer Vergewaltigung darf sich für den Täter nie strafmildernd auswirken.
Es ist drei Jahre her, dass das Basler Appellationsgericht mit einer Urteilsbegründung für Proteste sorgte. Es ging um einen Vergewaltigungsfall, bei dem eine Frau brutal von zwei Männern gleichzeitig missbraucht worden war. Das Appellationsgericht argumentierte damals mündlich, dass keine Gründe für eine zusätzliche Strafe vorlägen, weil die Tat – mit 11 Minuten – «vergleichsweise kurz» gedauert habe. Das Bundesgericht befasste sich im letzten Jahr ebenfalls mit dem Fall. Es kam in seinem Urteil zum Schluss, dass es richtig gewesen sei, die Dauer der Vergewaltigung bei der Strafe zu berücksichtigen. Die Aussage des Appellationsgerichts präzisierte das Bundesgericht nicht.
Das hatte Folgen, wie ein Fall eines Täters aus dem Wallis zeigt. Der Mann hatte 2023 eine Frau auf ihrem Heimweg überwältigt und vergewaltigt. Nach einigen Minuten gelang es ihr, um Hilfe zu rufen, worauf der Mann flüchtete. Er wurde zu dreieinhalb Jahren unbedingt verurteilt. Nun legte er Beschwerde ein und argumentierte, dass seine Schuld wegen der kurzen Tatdauer hätte milder beurteilt werden müssen. Er verwies auf das Bundesgerichtsurteil im Basler Fall vor einem Jahr.
Ein «Unding» von Formulierung
Das Bundesgericht weist nun aber die Beschwerde des Täters ab und ordnet damit die Debatte um die Dauer einer Vergewaltigung entscheidend ein. Die Bezeichnung «Vergewaltigung von kurzer Dauer» im Urteil vom letzten Herbst stelle «ein Unding dar», heisst es in der Medienmitteilung zum Urteil. Das Bundesgericht hält weiter fest: Die Dauer einer Vergewaltigung darf nie zugunsten eines Täters berücksichtigt werden – aber sehr wohl zu seinen Lasten.
Dieses Urteil ist in seiner Wichtigkeit nicht zu unterschätzen. Der Basler Entscheid und die unangemessene mündliche Formulierung darin hatten völlig zu Recht laute Proteste in der Schweiz ausgelöst. Dass das Bundesgericht es zunächst verpasste, diesen Entscheid zu präzisieren, liess Tausende Frauen und Opfer von sexueller Gewalt ratlos zurück. Nun hat das Bundesgericht sein Urteil vom letzten Jahr eingeordnet – ein längst überfälliger Schritt.
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