Prozess gegen FilmstarGérard Depardieu kommt vor Gericht – im wahren Leben
Zwei Frauen werfen dem französischen Schauspieler sexuelle Gewalt am Set eines Films vor. Depardieu drohen bis zu fünf Jahre Haft. Der Ruf ist schon ruiniert, jetzt wohl definitiv.
Eine Premiere, und was für eine. Unvorstellbar noch vor ein paar Jahren. In Paris beginnt der Prozess wegen mutmasslicher sexueller Belästigung gegen Gérard Depardieu, den bekanntesten und wohl begabtesten lebenden Schauspieler Frankreichs, Star vieler bleibender Filme, fast ein Entrückter. «Gégé», wie er genannt wird, ist so gross, dass man lange dachte, er komme mit allem durch: mit seinen Ausfälligkeiten und Unflätigkeiten im realen Leben, mit seiner engen Freundschaft zu Wladimir Putin, der Steuerflucht, seiner groben, legendär anzüglichen Art.
Solange es ging, verteidigten ihn seine Freunde aus dem Milieu des Kinos. «Gégé», sagten sie, sei halt ein Mann aus einer anderen Zeit. Er ist jetzt 75 Jahre alt. «Le Parisien» schreibt nun, er sei zum «Paria», zum «Ausgestossenen» geworden. Das Gesetz des Schweigens, die «omertà», ist gebrochen.
Eine «phänomenal feste» Umklammerung
Zwei Frauen werfen Depardieu in dem aktuellen Verfahren vor, er habe sie 2021 auf dem Set des Films «Les volets verts» von Jean Becker sexuell belästigt. Die Franzosen gebrauchen dafür den etwas deutlicheren Ausdruck «agression sexuelle». In der Presse werden sie «Amélie» und «Sarah» genannt.
Amélie, heute 53, war Dekorateurin bei den Dreharbeiten. Sie begegnete Depardieu, als sie der Crew ein Gemälde für eine Szene zeigte: ein Bild mit Sonnenschirmen. Sie erzählt jetzt, sie hätten fünf Minuten über das Gemälde diskutiert, dann habe Depardieu sie «plötzlich und brutal» an der Taille festgehalten, seine Beine um sie geschlungen, seine Hände hätten ihren Körper geknetet, bis zu den Brüsten. Dazu habe er gesagt: «Komm her und fass’ meinen grossen Sonnenschirm an, ich werde ihn dir in die F(…) schieben.» Nur dank der Hilfe zweier Personen vom Set sei es ihr gelungen, sich aus der «phänomenal festen» Umklammerung zu lösen.
Später soll der Regisseur des Films Depardieu aufgefordert haben, sich bei Amélie zu entschuldigen, das habe der nur widerwillig getan. «Ah, endlich, hier kommt sie ja, die Nervensäge, die Probleme macht», soll er gesagt haben, als sie sich wiedersahen. «Ich entschuldige mich, bist du jetzt zufrieden?»
«Hintern sagen mir nichts», so Depardieu
Der Rechercheplattform Mediapart erzählte Amélie nun erstmals vor laufender Kamera, wie sie danach lange und erfolglos versucht habe, mit dem Erlebten klarzukommen. Als sich dann vor anderthalb Jahren immer mehr Frauen bei Mediapart meldeten und von ähnlichen Vorfällen mit Depardieu berichteten, habe sie den Mut aufgebracht, den Schauspieler anzuzeigen. Depardieu streitet diese Vorwürfe ab.
Sarah, heute 33 Jahre alt, Regieassistentin bei den Dreharbeiten von «Les volets verts», zeigte Depardieu ebenfalls an. Auch sie soll der Star sexuell belästigt haben, mehrmals, angeblich griff er ihr an den Hintern und die Brüste. Als die Ermittler ihn einberiefen und zu den Vorwürfen befragten, sagte Depardieu, das sei alles nicht wahr, könne gar nicht wahr sein: «Hintern sagen mir nichts. Und Brüste berühre ich nie, nicht einmal die von Frauen, die mich darum bitten.»
Der Tonfall ist gesetzt. Sein Anwalt liess zudem ausrichten, den Klägerinnen gehe es doch nur darum, «reich zu werden» mit ihren Forderungen nach Schadenersatz. Im Höchstfall drohen seinem Mandanten in diesem Prozess fünf Jahre Haft. Mittlerweile haben fast zwei Dutzend Frauen von sexuellen Übergriffen berichtet.
Bald soll sich entscheiden, ob es im Fall der Schauspielerin Charlotte Arnould, der Tochter von Freunden Depardieus, zu einem Strafprozess kommen soll. Charlotte Arnould sagt, Depardieu habe sie 2018 zweimal vergewaltigt, in dessen Haus in Paris. Damals war sie 22. Er bestreitet auch diese Vorwürfe. Es gilt, wie in der nun verhandelten Affäre, die Unschuldsvermutung.
Wie Macron sich für ihn einspannen liess
Depardieus Ruf aber ist spätestens seit der Ausstrahlung eines verstörenden Beitrags des Fernsehsenders France 2 im vergangenen Dezember nachhaltig, vielleicht definitiv geschädigt. Das Programm «Complément d’enquête» zeigte bis dahin unveröffentlichtes Bildmaterial davon, wie der Schauspieler auf einer Reise durch Nordkorea zu allen Frauen, denen er begegnet, obszöne Dinge sagt. Auch ein Mädchen, vielleicht zehn Jahre alt, das auf einem Pony durch eine Manege reitet, sexualisiert er.
Präsident Emmanuel Macron liess sich damals, als die Empörung durch Frankreich rauschte, für eine Pro-Depardieu-Kampagne einspannen. Er sagte: «Depardieu macht Frankreich stolz.» Es sei ganz unmöglich, dass er jetzt Opfer einer «Menschenjagd» werde. Mit den Jägern meinte er die Medien.
Seither ist es still geworden um «Gégé», auch viele seiner langjährigen Fürsprecher haben sich abgewendet. Depardieu hat auch nie mehr gedreht, ist nie mehr aufgetreten.
Zunächst hiess es, er werde zum Prozessauftakt im Gericht erscheinen. Dann aber sagte er Stunden vor dem ersten Verhandlungstermin ab, aus gesundheitlichen Gründen, wie sein Anwalt mitteilt. Ärzte hätten ihm untersagt, vor Gericht zu erscheinen. Daraufhin wurde der Prozess nach kurzer Verhandlung vertagt – auf den 24. März 2025.
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