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Geologisches Rätsel
Wie gelangen Diamanten an die Erdoberfläche?

A gallery assistant poses with a 102.34 carat flawless white diamond at Sotheby's in central London on February 8, 2018. (Photo by Tolga Akmen / AFP)
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So intensiv wie Diamanten funkeln, so spektakulär und rätselhaft ist oft ihre Herkunft. Entstanden in mehr als 120 Kilometern Tiefe im Erdmantel, ruhen die edlen Kristalle dort für Jahrmillionen in der glühend heissen, zähplastischen Gesteinsmasse. Heftige Vulkanausbrüche katapultieren sie plötzlich durch enge Schlote in rasender Geschwindigkeit hoch zur Erdoberfläche. Eingebettet in ein schwarzblaues Trümmergestein, Kimberlit genannt, kommen die Diamanten trotz des heftigen Transports unbeschädigt oben an. Die bekanntesten Minen, in denen heute diamanthaltiges Kimberlit-Gestein abgebaut wird, liegen in Südafrika nahe der Stadt Kimberley, daher der Name.

«Was in aller Welt bewegt diese Kimberlite dazu, aus der Tiefe hochzuschiessen, nachdem sie Millionen oder sogar Milliarden Jahre dort unten verbracht haben – und das manchmal mit Diamanten im Gepäck?» Das fragte sich Thomas Gernon, heute Erdwissenschaftler an der Universität im englischen Southampton, schon als Student vor 20 Jahren. Jetzt ist Gernon zusammen mit anderen Geowissenschaftlern der Lösung des Kimberlit-Rätsels nähergekommen, wie das Team in der Fachzeitschrift «Nature» berichtet.

Ungewöhnlich ist, dass Kimberlit-Vulkane inmitten der grossen Kontinentalplatten liegen und nicht, wie etwa die vielen Vulkane des pazifischen Feuerrings, am Rand der Platten. Lange vermuteten die Wissenschaftler, dass Kimberlit-Vulkane von heissen Magmaströmen gespeist werden, genannt «Mantle Plumes». Diese steigen von der Erdkern-Erdmantel-Grenze in 2900 Kilometern Tiefe auf und drücken gegen die Erdkruste, so wie etwa unter Hawaii oder Yellowstone, dem für seine heissen Quellen bekannten US-amerikanischen Nationalpark. Doch die Kimberlite «haben keinen Hauch von Plumes in ihrer Chemie», sagt Gernon.

Als würde ein Schneidbrenner die Kontinentalplatten immer wieder von unten durchlöchern

Eine weitere Hypothese: Die Kimberlit-Explosionen könnten mit dem Zerbrechen von Superkontinenten zu tun haben. Im Lauf der Erdgeschichte schlossen sich die Kontinentalplatten, die mit Geschwindigkeiten von mehreren Zentimetern pro Jahr auf dem glutflüssigen Erdinnern über den Globus driften, mehrmals zu einem einzigen, riesigen Kontinent zusammen und sind später wieder in Einzelplatten auseinandergebrochen. Pangäa war der letzte Superkontinent. Er begann vor 230 Millionen Jahren allmählich in die Kontinente zu zerfallen, die heute über die Erde driften.

Gernon verarbeitete also zunächst Unmengen von Daten über plattentektonische Bewegungen sowie gesteinskundliche Datenbestände über Kimberlite. Neben statistischen Methoden kamen KI-Programme zum Einsatz. Dabei entdeckte er, dass die Kimberlit-Ausbrüche weltweit immer etwa 20 bis 30 Millionen Jahre nach dem Zerreissen der Superkontinente erstmals auftraten. Nachfolgende Eruptionen verlagerten sich im Lauf der Jahrmillionen immer weiter zu den Zentren der Kontinentalplatten hin. Geochemische Untersuchungen und Altersdatierungen an Kimberlit-Gesteinen in Afrika, Nord- und Südamerika bestätigten dieses Ergebnis.

Doch was verursacht die Verzögerung, und wie kann es sein, dass die Ausbrüche wandern – als würde man mit einem Schneidbrenner die Kontinentalplatten in Abständen immer wieder von unten durchlöchern?

«Wenn Kontinente zerbrechen, führt das zu einer Destabilisierung im Erdmantel.»

Sascha Brune, Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam (D)

Nun waren die auf Simulationen spezialisierten Mitglieder des Teams gefragt, darunter auch Sascha Brune, Leiter der Sektion für geodynamische Modellierung am Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam. «Wenn Kontinente zerbrechen», so der Wissenschaftler, «führt das zu einer Destabilisierung im Erdmantel.» Das Mantelgestein unter den Kontinenten, das sich aufgrund der extremen Druck- und Temperaturbedingungen in einer Art zähflüssigem Zustand befindet und sich langsam bewegt, wird in seinem Fluss gestört – bis weit unter die Kontinente hinein.

Mit Schallgeschwindigkeit schiessen die Diamanten nach oben

Brune hat diesen schwer vorstellbaren Prozess in einer Videoanimation veranschaulicht. Demnach kommt es an der Bruchstelle am Rand der Kontinente in der heissen, zähflüssigen Gesteinsschmelze des Erdmantels zu Verwirbelungen, die sich von der Bruchstelle aus unter die Kontinentalplatten hinein fortsetzen. Die Wissenschaftler sprechen von Rayleigh-Taylor-Instabilität. Wie die kreisenden Schaufeln der riesigen Bagger im Braunkohletagebau schaben diese Wirbel auf ihrem Weg Richtung Plattenzentrum mehrere Kilometer dicke Bruchstücke von der Unterseite der Kontinentalplatten ab. Das geschieht sogar an den Wurzeln der «Kratone», der dicksten und stabilsten Stellen der Kontinente in 150 bis 200 Kilometern Tiefe. Die Bruchstücke sinken ab und verschmelzen mit dem darunterliegenden Magma.

Dabei kann sich, so erklärt Studienleiter Gernon, das an Wasserdampf und Kohlendioxid reiche Kimberlit-Magma bilden. Diese Gase treiben das Magma an den Lücken, welche die abgeschabten Bruchstücke an der Unterseite der Platten hinterlassen, durch den Erdmantel mit solcher Gewalt nach oben, dass es die Erdkruste mit Schallgeschwindigkeit durchbricht. Dabei werden auch mit Diamanten besetzte Partien mitgerissen. Aufgrund des hohen Tempos erreichen die im Kimberlit sitzenden Edelsteine, die aus reinem Kohlenstoff bestehen, unbeschadet als vollständige Kristalle die Erdoberfläche. Stiegen sie langsamer auf, würden sie sich aufgrund der Hitze in weichen Grafit umwandeln.

Die Analysen könnten auch die Betreiber von Diamantenminen interessieren, meint Gernon, weil sie Hinweise auf mögliche künftige Fundorte liefern. Doch laut Statistik enthält nur jeder hundertste Kimberlit-Schlot Diamanten in abbauwürdiger Konzentration. Der jüngste bislang entdeckte Kimberlit-Vulkan liegt im Bergland der Igwisi Hills in Tansania. Seine Entstehung vor nur etwa 11’000 Jahren hängt möglicherweise mit dem «Grossen Grabenbruch» zusammen, der sich im Lauf der letzten 20 Millionen Jahre in Ostafrika aufgetan hat und an dem die afrikanische Kontinentalplatte in ferner Zukunft in zwei Teile auseinanderbrechen könnte. Der Kimberlit dort birgt zwar alle für seine Gesteinsart typischen Minerale, darunter auch Olivin und Granat, aber Diamanten wurden dort bisher nicht gefunden.

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