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Neue Forderungen des Staatspersonals
Genf erwartet einen Streikherbst

In Genf streikten am Mittwoch die Angestellten der Verkehrsbetriebe und rund 1000 Kantonsangestellte für Lohnerhöhungen. Im November kündigen die Gewerkschaften weitere Aktionen an.
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Es war ein Kürzeststreik. Aber er war hocheffektiv. Während eineinhalb Tagen brachten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Genfer Verkehrsbetriebe den halben Kanton zum Stillstand und erhielten dann, was sie gefordert hatten: eine Lohnerhöhung von rund 2 Prozent für dieses und das nächste Jahr. 1,6 Millionen Franken kostet das die Verkehrsbetriebe.

In Genf könnte der Streik der ÖV-Angestellten der Anfang eines turbulenten Herbstes sein. Denn am Mittwoch und Donnerstag gingen nicht nur Tramchauffeure und Busfahrerinnen auf die Strasse, sondern auch Hunderte Genfer Kantonsangestellte. Diese haben eigene Interessen, die spätestens im Dezember erfüllt sein sollen. Sie verlangen unter anderem automatische Lohnerhöhungen nach Anciennität und einen Teuerungsausgleich von 3 Prozent für sich. 

«Der Staatsrat verweigert sich jeglichen Verhandlungen.»

Genfer Gewerkschaften

Die Genfer Regierung sieht in ihrem Budgetentwurf jedoch einen Teuerungsausgleich von nur 1,75 Prozent vor und keine automatischen Lohnerhöhungen. Die hält das Cartel intersyndical, wie der Zusammenschluss der Genfer Gewerkschaften heisst, für inakzeptabel. «Der Staatsrat verweigert sich jeglichen Verhandlungen! Ohne Mobilisierung werden die Saläre sinken!!!», heisst es in einem Resolutionspapier, das 400 Gewerkschafter am Mittwoch einstimmig verabschiedet haben.

Während eineinhalb Tagen liessen die Genfer Tramchauffeure ihre Gefährte im Depot stehen. Ihren Streik beendeten sie am Donnerstag.

Was das Genfer Staatspersonal 2023 bekommt, darüber entscheidet auch das Budget fürs kommende Jahr. Die Finanzkommission des Parlaments berät den Budgetentwurf derzeit. Das Parlament stimmt im Dezember darüber ab. 488 neue Stellen beantragt die Regierung, in der SP und Grüne das Sagen haben. Dies, obschon der Kanton Genf bereits heute 19’000 Angestellte beschäftigt. Dass die Regierung 488 neue Stellen schaffen will, die Hälfte davon in Schulen und sonderpädagogischen Institutionen, ist ganz im Sinne der Gewerkschaften. Diese fordern, dass das Parlament sämtliche Stellen genehmigt.

Doch auch hier gibt es Konfliktpotenzial. Beim Stellenetat ist sich das Parlament uneins. Denn Genf ist in finanzpolitischer Schieflage. Der Kanton Genf hat schon heute über 12 Milliarden Franken Schulden, und das Budget sieht für 2023 ein Defizit von 420 Millionen Franken vor. Die Finanzsituation wird sich verschärfen. Die jährlichen Schuldzinsen von aktuell 150 Millionen Franken dürften sich bei der aktuellen Zinsentwicklung rasch verdoppeln.

Die Gewerkschaften müssen damit rechnen, dass keine 488 neuen Stellen entstehen. Aktuell stehen nur SP und Grüne hinter dem Budget. Die FDP fordert eine Reduktion des Defizits auf 303 Millionen Franken. Die SVP will gar keine neuen Stellen. Darum und wegen weiterer Differenzen gehen Kantonsräte parteiübergreifend davon aus, dass der Kanton Genf im neuen Jahr gar kein Budget haben wird. Das diesjährige Budget bliebe in Kraft. Das Parlament müsste Stellen mit Notkrediten bewilligen – wenn überhaupt.

Die Wahrscheinlichkeit für weitere Streiks im Herbst ist also gross. Das deuten auch die Gewerkschaften an. Sie schreiben: «Da es keine Fortschritte bei unseren Forderungen gibt, hat die Personalversammlung des öffentlichen Dienstes beschlossen, ihre Mobilisierung fortzusetzen.» Das genaue Vorgehen werde man Anfang November beschliessen.

Die Kantonsangestellten fordern von der Genfer Finanzdirektorin Nathalie Fontanet (FDP) fürs kommende Jahr einen Teuerungsausgleich und automatische Lohnerhöhungen gemäss geleisteten Berufsjahren. 

Ungemach kommt damit auch auf Genfs Finanzdirektorin und oberste Personalchefin Nathalie Fontanet (FDP) zu. Auf die Frage des Westschweizer Fernsehens RTS, ob sie den Warnstreik ihrer Angestellten nicht «als Schande» empfinde, antwortete Fontanet am Mittwoch noch nüchtern: Der Streik sei ein in der Bundesverfassung verankertes Recht. Als Schande würde sie ihn nicht bezeichnen. 

«In Genf haben der Kanton und die Gemeinden 40 Prozent mehr Personalkosten als in Zürich.»

Yvan Zweifel, Genfer FDP-Kantonsrat

Yvan Zweifel, FDP-Kantonsrat und Fraktionspräsident, ist bereit, gegenüber dem Personal Härte zu markieren: «Einen Teuerungsausgleich, eine automatische Lohnerhöhung und 488 neue Stellen wird es sicher nicht geben. Aber man muss Lösungen suchen, um dem Personal entgegenzukommen.» Ob sie reichen werden, um die Gewerkschaften zu besänftigen, ist mehr als fraglich. Für Zweifel hat Genf ohnehin eher zu viele Angestellte. Er sagt: «In Genf haben der Kanton und die Gemeinden 40 Prozent mehr Personalkosten als in Zürich. Unsere Dienstleistungen sind aber nicht 40 Prozent besser.»