Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Mamablog: Kinder für Instrument begeistern
«Geh doch mal Gitarre üben!»

Gut gemeint, aber kontraproduktiv: Kinder anzutreiben, in der Musik besser zu werden, führt selten zu mehr Freude.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Mit acht Jahren fing ich an, Geige zu spielen. Schnell schloss ich das edle Holz fest in mein Herz, und als mit der Zeit das nervtötende Quietschen der ersten Spielversuche verschwand, stand mir die Welt der Musik offen. Ich besuchte ein Gymnasium mit Musikprofil, ging mit auf Orchester-Freizeiten und spielte im Stadtjugendorchester. Jahre später flaute das Interesse aber ab, ich übte nicht mehr genug und gab das Spielen irgendwann ganz auf. Die Abschiedsworte meiner wundervollen, nie vergessenen Geigenlehrerin: «Du hättest einfach am Ball bleiben sollen!»

Als Erwachsene redete ich mir dann ein, dass ich intensiver geübt, es weitergebracht hätte, wenn meine Eltern mich mal angespornt hätten, statt sich weitgehend rauszuhalten. Womöglich würde ich jetzt nämlich im Orchestergraben des Zürcher Opernhauses spielen! Oder so ähnlich …

Dabei wollte ich es doch vermeintlich besser machen als meine Eltern.

Jedenfalls war ich fest entschlossen, alles richtig zu machen, als die Tochter selbst ein Instrument spielen wollte. Wir gingen zum Tag der offenen Tür der Musikschule, sie verliebte sich in die Gitarre. Wir besorgten Instrument und Zubehör, organisierten den Unterricht. Doch schon nach ein paar Wochen waren wir regelmässig an dem Punkt angelangt, an dem die Gitarre trotz aller Anspornversuche die ganze Woche schmollend in der Ecke verbracht hatte. Dabei wollte ich es doch vermeintlich besser machen als meine Eltern. Sie von Anfang an motivieren, dranzubleiben. Stattdessen wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich mit meiner Strategie in die Leistungsfalle getappt war. Wo war die Begeisterung geblieben? Hatten die Motivationsversuche in Druck umgeschlagen?

Musikunterricht als Investition?

Während wir im ElKiMu-Kurs noch gemeinsam mit dem Kind die Hüften schwangen, ist es im Instrumentalunterricht auf sich selbst gestellt, und der gesamte Zugang zur Musik verändert sich: Es geht jetzt um Technik, ums Notenlesen, Üben, Vertiefen. Und das ist auch wunderbar, wenn dahinter die eigene, intrinsische Motivation steht. Oft entsteht aber schon früh – wenn auch ungewollt – ein Druck aufs Kind, schnell Fortschritte zu machen. Schon fühlt sich das Musizieren an wie Hausaufgaben, und die Unbefangenheit geht flöten.

«Im Zustand der Begeisterung nimmt man die Übung nicht als solche wahr. Man strengt sich enorm an, ohne sich dessen bewusst zu werden.»

André Stern, Musiker und Buchautor

Dabei geht es beim Musizieren doch um den Ausgleich zum Alltag, um das Eintauchen in andere Sphären. Musik ist schliesslich Balsam für die Seele und gut für die Entwicklung. Aber wie oft ähnelt der Musikunterricht der Kinder einer Investition, aus der man Gewinn machen müsse? Schliesslich soll ja was dabei rumkommen, wenn man schon für die teuren Stunden bezahlt. Dazu kommt häufig der Gedanke, das Kind müsse erst ein bestimmtes Niveau erreichen, bevor es das Spielen geniessen könne. Aber kann nicht wenigstens in der Musik der Weg das Ziel sein? Lassen wir unsere Kinder aus den falschen Gründen Instrumente lernen?

Druck zerstört die Begeisterung

Kinder anzutreiben, in der Musik immer besser zu werden, sei «gut gemeint, aber furchtbar», schreibt Musiker und Buchautor André Stern in seinem Buch «Begeisterung». Weil es mal wieder nur um Leistung gehe. Die Begeisterung werde dabei im Keim erstickt. Unsere Begeisterung für Musik gehöre aber zu den intimsten und zerbrechlichsten: «Sobald die Pflicht ruft, meldet sie sich ab». Wer aber einmal ein Instrument geliebt hat, kennt es: Wenn einen das Spielen begeistert, fühlt sich selbst die Theorie nicht nach Arbeit an, und man ist im Flow: «Im Zustand der Begeisterung nimmt man die Übung nicht als solche wahr. Man strengt sich enorm an, ohne sich dessen bewusst zu werden, getragen vom Fluss der Musik, den Emotionen», so Stern.

Was also tun? Zum Üben überreden wir jedenfalls nicht mehr. Aufhören ist auch nicht, denn der Funken ist da, die Augen leuchten nach jeder Unterrichtsstunde. Statt uns aber komplett rauszuhalten, könnte die neue Strategie vielleicht sein: Den Funken aufnehmen, Vorbilder suchen, auf Konzerte gehen. Oder selbst ein Vorbild sein und der heimlichen Sehnsucht folgen, das Geigenspiel endlich wieder aufzunehmen …

Wie sehen Sie das? Lassen wir unsere Kinder oft aus den falschen Gründen Instrumente lernen? Und wann schlagen die elterliche Motivationsversuche jeweils in Druck um? Diskutieren Sie mit!