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Schweizer Gelder für Gaza
Cassis beugt sich den Kritikern – kein Geld für die UNRWA

epa11265898 Palestinians ride on a cart loaded with their belongings past the rubble of destroyed houses following the Israeli military operation in Khan Younis, southern Gaza Strip, 08 April 2024. Displaced Palestinians have started to return to Khan Younis, after the Israeli army announced on 07 April its partial withdrawal from parts of the southern Gaza Strip. Since 07 October 2023, up to 1.9 million people, or more than 85 percent of the population, have been displaced throughout the Gaza Strip, some more than once, according to the United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA), which added that most civilians in Gaza are in 'desperate need of humanitarian assistance and protection'.  EPA/MOHAMMED SABER
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Während das menschliche Leiden im Gazastreifen wächst, spitzt sich in Bundesbern das Ringen um die Schweizer Zahlungen an das Palästinenser-Hilfswerk UNRWA zu. Jetzt zeigen Recherchen dieser Zeitung: Aussenminister Ignazio Cassis beugt sich den bürgerlichen Parteien und ihrer Kritik an der UNRWA. Das heisst: Cassis will das Palästinenser-Hilfswerk zumindest vorläufig von weiteren Zahlungen der offiziellen Schweiz ausschliessen. Der brisante Entscheid soll im Bundesrat am Mittwoch fallen.

Eigentlich hat das Bundesparlament im Dezember total rund 80 Millionen Franken für Nothilfe im ganzen Nahen Osten beschlossen – inklusive 20 Millionen für die umstrittene UNRWA. 80 Millionen – das ist im total knapp 420 Millionen Franken schweren Budget für humanitäre Aktionen ein grosser Brocken. Doch die Auszahlung dieser Hilfsgelder ist seit Anfang Jahr blockiert. 

Das EDA an der Kandare des Parlaments

Denn das Parlament beschloss im Dezember gleichzeitig, das Aussendepartement (EDA) in dieser Frage an die Kandare zu nehmen. Das heisst: Bevor das EDA konkrete Zahlungen an die UNRWA oder eine andere Hilfsorganisation im Nahen Osten vornehmen kann, muss es die Aussenpolitischen Kommissionen des National- und des Ständerats speziell um ihre Meinung fragen. Die Folge dieser Sonderklausel: Dieses Jahr konnte die Schweiz von den 80 Millionen noch keinen Rappen überwiesen – weder in den Gazastreifen noch in weitere Krisenländer der Region wie etwa Libanon. Doch nun will Aussenminister Ignazio Cassis einen Grossteil der Schweizer Hilfsgelder deblockieren – mit einer brisanten Ausnahme.

Gemäss gut informierten Personen in mehreren Departementen beantragt Cassis morgen dem Gesamtbundesrat einen Grundsatzbeschluss: Er will den beiden Parlamentskommissionen beantragen, das Gros der Zahlungen für den Nahen Osten freizugeben. Doch ausgenommen davon ist explizit die UNRWA.

Cassis begründet den Verzicht gemäss den Quellen offenbar damit, dass man zwei offizielle Untersuchungsberichte abwarten wolle, die die UNO nach den schweren Anschuldigungen gegen die UNRWA in Auftrag gegeben hat. Der erste dieser beiden Berichte unter Leitung der früheren französischen Aussenministerin Catherine Colonna wurde zwar am Montagabend veröffentlicht. Ein zweiter Bericht der UNO-internen Revisionsbehörde steht aber noch aus.

Bürgerliche setzen Cassis unter Druck

Mit seinem vorläufigen Entscheid gegen die UNRWA reagiert Cassis aber vor allem auch auf starken innenpolitischen Druck aus den bürgerlichen Parteien. Politiker aus SVP, FDP, Mitte und EDU haben angekündigt, sich jeder weiteren Finanzierung der UNRWA zu widersetzen (lesen Sie hier mehr darüber).

Kritiker von Cassis im EDA und in anderen Departementen werfen dem Aussenminister vor, die Zivilbevölkerung im Gazastreifen aus rein innenpolitischen Erwägungen im Stich zu lassen. Verteidiger von Cassis sagen hingegen, der FDP-Bundesrat beuge sich lediglich den politischen Mehrheitsverhältnissen in den Aussenpolitischen Kommissionen. Es sei besser, wenigstens den Rest der blockierten Hilfsgelder freizugeben, anstatt alle anderen Hilfsorganisationen faktisch in «Geiselhaft» der UNRWA zu nehmen. Die Medienstelle des EDA wollte keine Stellung zu diesen Informationen nehmen.

Wichtige Hilfsorganisation in Gaza

Die UNRWA ist die mit Abstand wichtigste Hilfsorganisation, die wenigstens noch teilweise Nothilfe im Gazastreifen leisten kann. Sie steht jedoch seit dem Hamas-Terroranschlag des 7. Oktober unter massiver Kritik. Im Januar warf Israel der UNRWA sogar vor, einige ihrer Angestellten seien direkt am Terroranschlag beteiligt gewesen.

Für diese Anschuldigungen habe Israel aber bis heute keine Belege vorgelegt, konstatierte die frühere französische Aussenministerin Catherine Colonna am Montagabend in ihrem Untersuchungsbericht. Der Colonna-Bericht bestätigt die Kritik an der UNRWA teilweise, relativiert sie teilweise aber auch. Er macht über 50 Empfehlungen für Verbesserungen bei der UNRWA (lesen Sie hier mehr über den Colonna-Bericht).