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Geiselbefreiung in Gaza
Hamas versteckt Geiseln in Wohnungen von Zivilisten

This handout picture released by the Israeli Army on June 8, 2024, shows Noa Argamani, 26-years-old, being hugged by her father at the Sheba Tel-HaShomer Medical Centre, after her rescue from the Gaza Strip by the Israeli army, in Ramat Gan near Tel Aviv on June 8, 2024, amid the ongoing conflict in the Palestinian territory between Israel and the militant group Hamas. Israel said its forces rescued four hostages alive from a Gaza refugee camp on June 8, after an operation that militant group Hamas said left dozens of Palestinians dead and wounded. The four had been kidnapped by Hamas from the Nova music festival during the Islamists' October 7 attacks that sparked war with Israel, the army said. Noa Argamani, 26, Almog Meir Jan, 22, Andrey Kozlov, 27, and Shlomi Ziv, 41, had been rescued from two separate buildings "in the heart of Nuseirat" in a "complex daytime operation", the military said, adding they were in "good medical condition". (Photo by Handout / Israeli Army / AFP) / === RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO / Israeli Army' - NO MARKETING NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS ===
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Es waren Bilder der Glückseligkeit, die aus Israel um die Welt gingen. Die Bilder zeigen, wie Noa Argamani nach acht Monaten Hamas-Geiselhaft ihren Vater umarmt. Die 26-jährige Frau war am Samstag bei einer Spezialaktion der israelischen Armee in Nuseirat in Zentralgaza aus den Fängen der Terroristen befreit worden. Gleichzeitig retteten die Israelis drei Männer im Alter von 21, 27 und 40 Jahren. Nach der Befreiungsaktion sind neue Einzelheiten bekannt geworden. (Lesen Sie zum Thema auch den Artikel «Das sind die vier Geiseln, die befreit wurden».)

Die vier Ex-Geiseln, am 7. Oktober vom Nova-Musikfestival in Südisrael verschleppt, waren in zwei Wohngebäuden in der Flüchtlingssiedlung Nuseirat gefangen gehalten worden. Die Häuser im dicht besiedelten Gebiet befanden sich etwa 200 Meter voneinander entfernt. Um die Hamas-Wächter zu überraschen, drangen Israels Spezialkräfte um 11 Uhr Ortszeit zeitgleich in beide Gebäude ein. Der Sturm auf das Wohngebäude, in dem Noa Argamani gefangen gehalten worden war, soll reibungslos verlaufen sein. Die Hamas-Wächter seien rasch getötet worden, liess die israelische Armee verlauten.

Befreier und Geiseln geraten unter heftigen Beschuss

Schwieriger und gefährlicher sei die Befreiung der drei männlichen Geiseln gewesen. Denn es sei zu Schussgefechten gekommen. Dabei erlitt ein israelischer Offizier schwere Verletzungen, an denen er später erlag. Nach Darstellung der israelischen Armee gerieten ihre Spezialkräfte nach dem Einsatz in den Wohnhäusern unter heftigen Beschuss von Hamas-Terroristen.

epa11398051 Portraits of released hostages at the hostages square in Tel Aviv, Israel, 08 June 2024. Israeli Special Forces successfully rescued Noa Argamani, Andrey Kozlov, Almog Meir Jan, and Shlomi Ziv from Hamas captivity during a rescue operation in Nuseirat, Gaza Strip, the IDF announced 08 June 2024. The hostages have been transferred to the Tel HaShomer Hospital, the IDF said.  EPA/ABIR SULTAN

Das Fahrzeug mit Befreiern und Geiseln sei im Chaos auf den Strassen stecken geblieben, worauf Verstärkung angefordert werden musste. Die Geiseln konnten schliesslich mit Helikoptern nach Israel geflogen werden. Wie viele Spezialkräfte an der Nuseirat-Aktion beteiligt waren, ist nicht bekannt.

Gemäss eigenen Angaben griffen die israelischen Streitkräfte (IDF) vom Boden, vom Meer her und aus der Luft «Gefahrenquellen» in Nuseirat an. Ziel sei es gewesen, dem Rettungsteam den Abzug aus der Gefechtszone zu ermöglichen. Israels Armee wies Vorwürfe zurück, wonach ihre Spezialkräfte getarnt in Fahrzeugen von humanitären Organisationen nach Nuseirat eingedrungen seien.

TOPSHOT - Israeli hostage Andrei Kozlov, 27, disembarks with soldiers from an air force CH-53 Sea Stallion military helicopter which landed in the grounds of the Sheba Tel-HaShomer Medical Centre, after his rescue by the Israeli army from captivity in the Gaza Strip, in Ramat Gan near Tel Aviv on June 8, 2024, amid the ongoing conflict in the Palestinian territory between Israel and the militant group Hamas. The Israeli military said its troops had rescued  four Israeli hostages alive from Gaza after a "complex daytime operation" on June 8. All four were kidnapped by Hamas militants from the Nova music festival on October 7, the military said in a statement, adding the four had been taken to hospital and were in "good medical condition". (Photo by Gideon MARKOWICZ / AFP) / Israel OUT

Die Befreiung der vier Geiseln in Nuseirat war die dritte erfolgreiche Rettungsaktion der israelischen Armee im nunmehr seit acht Monaten dauernden Gaza-Krieg. Erfolgsmeldungen gab es im November und im Februar: Damals wurden drei Geiseln befreit, auch sie sollen in Wohnhäusern gefangen gehalten worden sein. Bei der Februar-Aktion starben über 70 Palästinenser.

Helfen Zivilisten freiwillig der Hamas – oder für Geld?

Der Fall Nuseirat zeige, «dass die Hamas systematisch zivile Wohnhäuser nutzt, um Geiseln zu halten und zu verstecken», kommentierte die «Jerusalem Post». Und sie warf Fragen auf: «Warum stimmen Zivilisten zu, Geiseln in ihren Häusern gefangen zu halten? Ist es, weil sie der Hamas angehören, oder werden sie dafür bezahlt, oder gibt es eine andere Art von Absprache?» Das erinnere an Mafia-Netzwerke, die ihre Aktivitäten in zivile Umfelder einbetten. Dass die Hamas-Terroristen die eigene Bevölkerung und zivile Einrichtungen wie Spitäler und Schulen für ihre Zwecke missbrauchen, ist längst bekannt.

Die israelischen Streitkräfte (IDF) haben inzwischen einen Journalisten des TV-Senders al-Jazeera der Hamas-Komplizenschaft beschuldigt. Seiner Familie soll das Wohngebäude in Nuseirat gehören, in dem die drei männlichen Geiseln festgehalten worden waren. Der im Nahen Osten einflussreiche Newssender aus Katar dementierte umgehend und warf den IDF Lügen vor.

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Nach der Geiselbefreiung in Nuseirat drohte ein Hamas-Sprecher auf Telegram, dass das negative Auswirkungen auf das Leben der restlichen Geiseln haben könnte. Ausserdem gab er an, dass bei der israelischen Befreiungsoperation auch einige israelische Geiseln getötet worden seien. Ob das zutrifft, ist nicht bekannt, und es wird von Israels Behörden auch nicht kommentiert.

Noch 116 Geiseln, aber nicht mehr alle dürften leben

Nach israelischen Informationen werden weiterhin 116 Geiseln im Gazastreifen festgehalten. Von diesen sollen aber mehr als 40 bereits tot sein. Die Geiseln werden in Tunneln oder – wie in Nuseirat – in Wohnhäusern in dicht besiedelten Gebieten vermutet. Laut Medienberichten wird eine Gruppe von Geiseln in der Nähe von Hamas-Anführer Yahya Sinwar festgehalten – und als menschliche Schutzschilde missbraucht. Bewacher der Geiseln hätten die Anweisung, diese zu erschiessen, wenn sie von israelischen Soldaten überrascht würden.

Der Spezialeinsatz in Nuseirat sei mehrere Wochen lang vorbereitet worden, sagte der israelische Armeesprecher Peter Lerner. Er sprach von einer komplexen und auch riskanten Aktion der Spezialeinheiten. «Der Schlüsselfaktor war der Überraschungsangriff.» Im Training für ihren Befreiungseinsatz hatten die Israelis auch Modelle der Gebäude gebaut, in denen die Geiseln vermutet wurden, wie die «Washington Post» berichtete.

Palestinians look at the aftermath of the Israeli bombing in Nuseirat refugee camp, Gaza Strip, Saturday, June 8, 2024. (AP Photo/Jehad Alshrafi)

Bei der Befreiungsaktion sollen britische und amerikanische Geheimdienste wichtige Informationen geliefert und auch bei der Logistik geholfen haben. US-Überwachungsdrohnen, die seit dem 7. Oktober über dem Gazastreifen fliegen, seien in der Lage, mit Wärmebildkameras Hamas-Terroristen an Ein- und Ausgängen von Gebäuden zu erkennen, berichteten US-Medien. Die gesammelten Informationen seien oft bruchstückhaft, könnten aber Hinweise darauf geben, wann ein guter Zeitpunkt für einen Befreiungsversuch sei.

Entsetzen nach «Massaker an Zivilisten»

Neben den Bildern der Freude in Israel gingen am Wochenende auch Videos und Fotos von Tod und Zerstörung in Nuseirat um die Welt. In sozialen Medien kursierten Bilder von blutüberströmten Verletzten und Toten, unter ihnen auch Kinder. Zum Zeitpunkt der israelischen Befreiungsaktion am Samstagmittag sollen viele Menschen auf einem nahe gelegenen Markt gewesen sein. Die Toten und Verletzten wurden in die Spitäler al-Awda in Nuseirat und al-Aqsa in Deir al-Balah gebracht. Von fast 240 Opfern war bereits am Samstagabend die Rede.

Die Palästinenser werfen Israel ein Massaker an Zivilisten vor. Auch arabische Regierungen und Medien vertraten diese Sichtweise. Aus Europa meldete sich der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell zu Wort. Er begrüsste die Befreiung der Geiseln, äusserte sich aber gleichzeitig entsetzt angesichts der Berichte über ein «Massaker an Zivilisten». (Lesen Sie zum Thema auch den Artikel «Angriff auf Schule in Gaza: Die meisten Opfer sind offenbar Frauen, Kinder und Jugendliche».)

Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden im Zuge der Geiselbefreiung in Nuseirat 274 Palästinenser getötet und rund 700 weitere verletzt. Israels Armeesprecher Daniel Hagari wiederum sprach von weniger als 100 Todesopfern. Er wisse nicht, «wie viele davon Terroristen sind».