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Meinung

Gastbeitrag zum Konflikt in Berg-Karabach
Schweigen tötet

Die Armenierinnen und Armenier in der Schweiz fordern den Bundesrat auf, zu handeln: Raketenbeschuss in Berg-Karabach.
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Die humanitäre Lage in Berg-Karabach ist unhaltbar und für die Bevölkerung mittlerweile kritisch geworden. Eines der ältesten Völker auf dieser Erde, das armenische Volk, läuft dort Gefahr, ausgelöscht zu werden. Die Schweiz, Hüterin des humanitären Völkerrechts, schweigt unerklärlicherweise.

Arzach, wie die Karabach-Armenier ihr Land nennen, hat sich am 2. September 1991 nach den Regeln des Völkerrechts von der Sowjetunion und somit auch von Aserbaidschan getrennt. Die von Baku betriebene Blockade des Latschin-Korridors lässt die Bevölkerung dieser Enklave nun verhungern. Die Bewohner, 120’000 Menschen, darunter 30’000 Kinder, haben alle ihre Vorräte an Mehl, Trinkwasser und lebensnotwendigen Gütern, einschliesslich Medikamenten, aufgebraucht. Die Gas- und Internetversorgung aus Armenien wurde unterbrochen. Der Sarsang-Stausee, der grösste Stausee der Region, der die einzige Wasserkraftquelle darstellt, über die Arzach verfügt, ist inzwischen ausgetrocknet. Seit Anfang Juli erlaubt Aserbaidschan dem IKRK nicht mehr, durch den Latschin-Korridor zu reisen.

Wir erleben den Beginn eines Völkermords, wie von vielen internationalen Experten bestätigt wird, darunter der ehemalige Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Luis Moreno Ocampo, und der ehemalige Berichterstatter für Verbrechen unter der argentinischen Diktatur, Juan Méndez. Zur Aushungerung der Armenier von Berg-Karabach kommt hinzu, dass Armenien selber am 1. September in Sotk, in der Nähe des Sevansees, einem erneuten aserbaidschanischen Militärschlag ausgesetzt war. Bei der Abwehr dieses Angriffs auf seine Souveränität verlor Armenien drei Soldaten, während fünf aserbaidschanische Soldaten ums Leben kamen.

Der Bundesrat lässt die Solidarität gänzlich vermissen.

Worauf wartet die Schweizer Politik, um sich zu bewegen? Jetzt, da unsere Eidgenossenschaft Teil des UNO-Sicherheitsrats ist und somit die Möglichkeit hat, zu intervenieren? Die Armenierinnen und Armenier in der Schweiz fordern den Bundesrat auf, nicht länger zu warten und sich nicht in diplomatischen Ränkespielen zu verlieren, die absolut nichts bringen. Wie bei der Aggression Russlands gegen die Ukraine muss der Schuldige für dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit bestraft werden. Die ständige Schaffung einer Symmetrie zwischen dem Henker und seinem Opfer muss aufhören.

Das unmoralische und letztlich tödliche Schweigen des Bundesrats ist nicht nur unverständlich, es widerspricht auch zutiefst den humanitären Werten und der humanitären Tradition der Schweiz. Die Armenierinnen und Armenier der Schweiz können die Solidaritätswelle nicht vergessen, die sich 1896 entwickelte, als die ersten Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich stattfanden. 454’291 Schweizerinnen und Schweizer unterzeichneten damals eine Petition, die den Bundesrat aufforderte, einzugreifen, um die Massenvernichtung zu stoppen. Der Bundesrat lässt diese Solidarität gänzlich vermissen.

Denn Möglichkeiten, den Völkermord zu stoppen, gäbe es. Und die Aussenpolitische Kommission des Ständerats hat die wichtigste in ihrem Brief an den Bundesrat vom 9. Januar 2023 sogar schon explizit gefordert: Es muss sofort eine Luftbrücke zwischen Jerewan und Stepanakert unter der Schirmherrschaft der UNO eingerichtet werden. Der Bundesrat kann durch Einbringen und Unterstützen dieser Forderung eine ethnische Säuberung verhindern. Oder er kann weiter tödlich schweigen.

Stefan Müller-Altermatt und Sarkis Shahinian sind Co-Vorsitzende der Gesellschaft Schweiz-Armenien (GSA). Müller-Altermatt ist Nationalrat der Mitte (SO). Shahinian ist Generalsekretär der parl. Freundschaftsgruppe Schweiz-Armenien.