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Gastbeitrag
Überrissene Löhne für Medizinalpersonen gefährden unser Gesundheitswesen

Aufgrund der Corona-Krise mussten im Spital Thun zahlreiche Operationen verschoben werden.
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In der Schweiz ist die Pflicht zur obligatorischen Krankenversicherung vom Gedanken der Solidarität getragen. Jede Einwohnerin und jeder Einwohner der Schweiz soll im Krankheitsfall die nötige Behandlung erhalten. Dieser Gedanke dürfte in weiten Teilen der Bevölkerung auf Zustimmung stossen. Wenn das Gesundheitswesen auf diese Weise geregelt ist, bedeutet es aber auch, dass die Tarife für die ausübenden Medizinalpersonen genügend hoch angesetzt werden müssen. Die Medizinalpersonen müssen von ihrer Arbeit leben können. Solidarität heisst aber auch: Es dürfen keine Medizinalpersonen mit ihrer Arbeit ein übermässiges Einkommen erzielen. Darüber wird kaum je diskutiert. Es ist auch nicht leicht zu bestimmen, was ein übermässiges Einkommen ist.

Im Bereich der Privat- und Halbprivatversicherung haben die Finanzmarktaufsicht (Finma) und der Preisüberwacher eindeutig festgestellt, dass zum Teil weit übersetzte Rechnungen gestellt und bezahlt werden. Die Finma hat angeordnet, dass in Rechnung gestellte Mehrleistungen gegenüber der Allgemeinversicherung klar ersichtlich und begründet sein müssen. Damit sind auch der Privat- und der Halbprivatbereich der Krankenversicherung ein regulierter Bereich des Gesundheitswesens. Der Bundesrat hat schliesslich 2018 ein Kostendämpfungsprogramm lanciert, das sämtliche Akteure des Gesundheitswesens in die Pflicht nimmt. Es soll unter anderem missbräuchliche Geschäftspraktiken in der Zusatzversicherung verhindern.

Die von meiner Krankenversicherung bezahlten Tarife sind nichts anderes als absurd!

Dass diesen Anforderungen nicht nachgelebt wird, habe ich im Jahr 2022 erlebt. Ich hatte im Kantonsspital Winterthur eine einstündige Routineoperation ohne Komplikationen und war knapp 24 Stunden über Nacht in einem Einerzimmer hospitalisiert. Als Honorar für die operierende Oberärztin  bezahlte meine Krankenversicherung 2900 Franken, für den Anästhesisten 2700 und für den Assistenten 800 Franken. Eine Reinigungsfrau verdient pro Stunde etwa 30, ein Psychiater in der Praxis etwa 120, ein Hausarzt vielleicht 150 bis 200, ein Chirurg normalerweise 250 bis 300 Franken. Aber die von meiner Krankenversicherung bezahlten Tarife sind nichts anderes als absurd! Das legt den Verdacht nahe, dass es im Gesundheitswesen Menschen gibt, die übermässig Geld verdienen. Und dass zum Teil Leistungen viel zu hoch entschädigt werden, was jeder Solidarität widersprechen würde.

Sind die Chefs der Krankenkassen und der Spitäler sowie gewisse Chef- und Oberärzte die Profiteure dieses Systems? Wer traut es sich zu, zu entscheiden, welche Entschädigungen als übermässig bezeichnet werden müssen? Und wer hätte den Mut, dies in der Öffentlichkeit zu vertreten? Vermutlich neigen wir alle dazu, diesen Fragen aus dem Weg zu gehen. Aber die Augen zu verschliessen, würde einen wichtigen Aspekt unseres Gesundheitswesens ausklammern.

Falls es zutrifft, dass eine beträchtliche Anzahl Personen im Gesundheitswesen zu viel verdient und dagegen nichts unternommen wird, laufen wir Gefahr, unser Gesundheitswesen an die Wand zu fahren. Nicht nur das Berufseinkommen von Medizinalpersonen müsste unter die Lupe genommen werden, sondern auch jenes von den Angestellten der Spitäler und der Krankenversicherungen. Es kann doch nicht angehen, dass einige im Luxus leben und andere die Prämien kaum mehr bezahlen können.

Dr. med. Rudolf Conne war von 1972 bis 2018 als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie tätig.