Nach dem angekündigten «G&G»-AusWarum das Ende einer Promi-Sendung die Kulturszene in Verzweiflung stürzt
Schweizer Kulturschaffende bejammern das Ende von «G&G». Was sagt das über den Stellenwert von Kultur in diesem Lande aus? Die Verzweiflung muss gross sein.

- Nach dem Aus für «G&G» zeigen sich Kulturschaffende besorgt über den schleichenden Abbau kultureller Inhalte.
- Auch die Deza streicht die Kultur aus ihrem Portfolio.
- Das Signal: Kultur wird zunehmend zum Nice-to-have.
- Der Kampf um Kulturgelder wird gleichzeitig immer erbitterter.
Wir blicken auf ziemlich spezielle Tage zurück, wenn das flammendste Kulturzitat der letzten Woche von der «Gesichter & Geschichten»-Moderatorin Jennifer Bosshard stammt: Kulturschaffende seien Menschen, die unser Leben schöner und interessanter machten, sagte sie im Nachgang zur angekündigten Einstellung des SRF-People-Formats, und es sei ein Akt der Wertschätzung, diese sichtbar zu machen. Dann ergänzte sie: «Es kann ja nicht sein, dass nur noch Politikerinnen und Manager die öffentliche Meinung prägen.»
Nüchtern betrachtet war es jetzt nicht so, dass «Gesichter & Geschichten» seinen kulturschaffenden Gästen jeden Abend Gedanken abzutrotzen vermochte, die Eintrag ins Zitatenlexikon finden werden. Doch an diesem Mangel leiden schliesslich auch die in der SRF-Fernsehlandschaft ungleich prominenter vertretenen Interviews mit Skifahrenden auf der Suche nach der Ideallinie oder Politisierenden auf der Suche nach dem gutschweizerischen Kompromiss.
Verzweiflung unter den Kulturschaffenden
Dass nun aber Kulturverbände offene Klagebriefe veröffentlichen und Kulturschaffende eine Unterschriftensammlung lanciert haben für den Erhalt von «G&G», dieser – Zitat – «kulturellen Lebensader», ist ein Zeichen dafür, dass die Verzweiflung unter den Kulturtreibenden eine neue Dimension erreicht hat: Wo soll man heute noch andocken, möchte man ausserhalb der sozialen Medien auf sein Tun aufmerksam machen? Promo-Agenturen im Kulturbereich – früher ein durchaus florierender PR-Zweig – gibt es heute praktisch keine mehr. Was sollten die auch den ganzen Tag tun? Wer Aufmerksamkeit will, angelt sich eine Content-Managerin, die kundig ist im Zielgruppen-Marketing auf Social Media. Ausgaben für Radio-, TV- und Presse-Promo gelten in der Kulturbranche längst als sinnlos verpulvertes Geld.
Und würde man es als Kulturtreibende dann doch einmal schaffen, zumindest im staatlichen Radio in irgendeinem Gefäss Erwähnung zu finden, dann erzielte man seit Januar einen happigen Viertel weniger an Reichweite, seit sich SRF aus dem UKW-Netz verabschiedet und damit fast eine halbe Million Kunden verloren hat. Gleichzeitig hat die SRG ihren Kultur-Instagramkanal eingestellt, dem immerhin 50’000 Personen gefolgt sind.
Liest man sich den Kulturauftrag der SRG durch, der besagt, dass man 13 Prozent der TV-Sendezeit und 5 Prozent der Radio-Sendezeit sowie 18 Prozent der Ausgaben kulturellen und bildenden Inhalten widmen müsste, kommen selbst Menschen mit einem sehr breiten Kulturverständnis ins Grübeln. Da wird man am Leutschenbach künftig viel Fantasie walten lassen müssen, um im Restprogramm (ohne die zahlreichen «G&G»-Wiederholungen) genügend «kulturelle» Sendegefässe zu finden, um diese Quoten erreichen zu können.
Kulturberichterstattung unter Druck
Der Wegfall von «G&G» mag auf den ersten Blick marginal erscheinen, doch die Kulturberichterstattung steht nicht bloss in den öffentlich-rechtlichen Kanälen zunehmend unter Druck. Der Abbau von kulturellen Inhalten in Schweizer Medien ist schleichend, aber anhaltend. Das hat – so viel Selbstkritik muss sein – einerseits mit den diversen Sparprogrammen der grossen Medienhäuser zu tun, aber auch – so viel Publikumsschelte muss auch sein – mit der zunehmend kulturfaulen Klientel. Geklickt wird nur noch, was markig daherkommt. Die Algorithmen (und ganz besonders jene in den Köpfen der Lesenden, Sehenden und Hörenden) dürsten offensichtlich nach Phänomenen, nach Thrill und nach Figuren mit Aufregerpotenzial. Da reicht es nicht mehr, dass die wenig bekannte lokale Band ein prima Album veröffentlicht hat. Ohne verwackelte Beweisbilder einer ausverkauften Show im Ausland oder ein markantes Statement zu sozialen Trendthemen reichts kaum mehr für Aufmerksamkeit.
«G&G» war in dieser Beziehung beileibe kein Heilsbringer. Doch man hatte in einem Land mit beschränkter Promi-Dichte eine akzeptable Mischung gefunden zwischen Anspruch und Volksnähe, zwischen vertiefenden Gesprächen in den Bereichen Literatur, Film, Musik, Klamauk oder Kulinarik und dem obligaten Sternchengucken am roten Teppich.
Trends hat man zwar keine gesetzt, und an die Subkultur hat man sich schon gar nicht erst herangetraut, aber man hat einigermassen plausibel abgebildet, was sich in diesem Land so tummelt zwischen Volkstheater-Premieren, Rolf-Knie-Vernissagen und Pegasus-Promoterminen.
Dass «G&G» das einzige öffentlich-rechtliche TV-Format war, das täglich einen erweiterten Blick in die Kulturszene dieses Landes warf, war schon elend genug. Dass es nun eingestampft wird, ist jedoch nur eines von diversen ungünstigen Signalen an das schweizerische Kulturschaffen in den letzten Wochen. Es scheint, dass die Kultur gerade in allen Belangen zum Nice-to-have-Anhängsel degradiert wird.
Auch die Deza spart bei der Kultur
Fast gleichzeitig mit dem angekündigten «G&G»-Ende wurde publik, dass die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) die Kultur aus ihrem Portfolio streichen wird. Das mag aufs erste Hinhören nicht besonders einschneidend klingen – in Anbetracht dessen, dass Trump mal eben kurzerhand die ganze Entwicklungshilfe der USA sistiert hat. Und doch wird dieser Entscheid das kulturelle Leben der Schweiz einschneidend prägen.
Denn das Programm der Deza war mitverantwortlich dafür, dass wir in unseren Clubs Musik aus Kuba oder Somalia zu hören bekamen, dass in unseren Kinos Filme aus Ruanda oder Nepal liefen oder dass es an Literaturfestivals Autoren aus Burundi oder Honduras zu erleben gab.
Oft waren es nur kleine Unkostenbeiträge, die hiesige Veranstaltende ermutigten, Kultur aus den weniger sichtbaren Teilen dieser Welt in die Schweiz zu bringen, deren Geschichten hörbar zu machen – kurz: den Horizont dieses engen Landes ein bisschen zu weiten. Und für die Kulturschaffenden der ärmsten Länder der Welt war es eine kostbare Chance, im hiesigen Markt präsent zu sein. Damit ist zumindest von staatlicher Seite ab 2028 Schluss.
Natürlich wird es nun Stimmen geben, die poltern, dass Veranstalter diesen Effort gefälligst aus eigenen Mitteln finanzieren sollen, wenn ihnen die Kultur aus dem globalen Süden tatsächlich ein solch grosses Anliegen sei. Doch das wird kaum geschehen. Denn auch den Aufführungsstätten geht es derzeit tendenziell schlecht. Die Experimentierlaune ist gedämpft, programmiert wird grossmehrheitlich das, was potenziell viel Publikum anzieht und wenig Aufwand mit sich bringt.
Der Kampf um Subventionen
Immer mehr Clubs machen zurzeit auf ihre prekäre finanzielle Lage aufmerksam und fordern, in den Genuss von Fördergeldern zu kommen. Unter dem nachvollziehbaren Motto: «Wo wollt ihr eure tolle Kultur denn aufführen, wenn es keine Konzertlokale mehr gibt?» Ähnlich ist die Situation bei den Kinos: Bereits 2023 hat Edna Epelbaum, die Präsidentin des Schweizerischen Kinoverbands, konstatiert, dass viele Kinos ums Überleben kämpften, es brauche deshalb Hilfe vom Staat. Und so balgen sich die kreativen Kulturkräfte des Landes, also jene, die den eigentlichen Content erschaffen, neuerdings mit ganz neuen Playern um den immer kleiner werdenden Topf der Kulturgelder.
Ein weiteres kleines Beispiel gefällig? Der Schweizer Musikpreis des Bundesamts für Kultur, der bestdotierte Preis des Landes, in dessen Genuss früher jedes Jahr 15 Akteure aus allen Musiksparten kamen, hat damit aufgehört, seine Preise ausschliesslich an Musikschaffende zu verleihen. Neuerdings werden jedes Jahr nur noch acht Musikerinnen und Musiker ausgezeichnet (mit je 40’000 Franken – der Hauptpreis ist mit 100’000 Franken dotiert), dafür gehen auch hier sogenannte Spezialpreise an institutionelle Einrichtungen wie das Lausanne Underground Film & Music Festival, den Mülirad-Verlag oder den Kunstraum Walcheturm. Und es gibt nicht wenige Musikerinnen und Musiker, die sich hinter vorgehaltener Hand die Frage stellen, ob es im weiten Umfeld zwischen Jazz, Rock, Klassik, Pop, Hip-Hop, Volksmusik, Elektro oder Neuer Musik in diesem Land tatsächlich nicht genügend kreative Exzellenz gäbe, um jedes Jahr zehn Persönlichkeiten herauszupicken, deren schöpferische Prozesse man als förderungswürdig erachtet.
Kultur als verbindendes Element
Die Signale, welche die Urheberinnen und Urheber von Kultur derzeit empfangen, sind in vielerlei Hinsicht nicht dazu angetan, unbeschwert und mit stabilem Selbstvertrauen ins Tagwerk zu steigen. Die Schaufenster, in denen sie ihr Schaffen präsentieren dürfen, werden weniger und kleiner, und wer nicht mehr sichtbar ist, droht an Relevanz einzubüssen.
Möge der Aufschrei der Szene erhört werden. Kultur ist mehr als ein verzichtbares Luxusgut, sie ist ein verbindendes Element, in einer Zeit, in der die Gesellschaft immer mehr in ihre Einzelteile zersplittert. Oder um noch einmal auf die etwas weniger pathetische Einbringung der «G&G»-Moderatorin Jennifer Bosshard zurückzukommen: «Es geht um Wertschätzung gegenüber den Menschen, die unser Leben schöner und interessanter machen.»
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