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Meinung

Umstrittene Vergabe der Fussball-WM
Und nun hat Infantino auch noch sein Turnier in Saudiarabien

Saudi Crown Prince Mohammed bin Salman, FIFA president Gianni Infantino and Russian President Vladimir Putin watch the ceremony prior to the Russia 2018 World Cup Group A football match between Russia and Saudi Arabia at the Luzhniki Stadium in Moscow on June 14, 2018. (Photo by Alexey DRUZHININ / SPUTNIK / AFP)
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Doch, doch, diese kleine Ehre bleibt den 211 Nationalverbänden. Per Akklamation dürfen sie an diesem Fifa-Kongress absegnen, was an anderer Stelle des Fussballverbandes längst ausgeknobelt worden ist: Die WM 2030 findet in Spanien, Portugal, Marokko, Uruguay, Argentinien und Paraguay statt, die WM 2034 in Saudiarabien.

Der Kongress an diesem Mittwoch findet virtuell statt. Warum auch Leute für viel Geld aus der ganzen Welt einfliegen lassen und die CO2-Bilanz belasten, wenn ohnehin alles schon seit über einem Jahr feststeht, seit dem 31. Oktober vergangenen Jahres? An jenem Tag verkündete Präsident Gianni Infantino per Instagram, dass die WM 2034 nach Saudiarabien gehe.

So weit ist es inzwischen bei der Fifa gekommen, dass der Chef den wichtigsten Anlass seines Unternehmens in den sozialen Medien vergibt. Oder genauer gesagt: Infantino hat sie perfekt auf sich massgeschneidert, damit er seine Grossmachtträume verwirklichen kann.

Der Walliser hat eine offensichtliche Vorliebe für Autokraten entwickelt, die Putins und Trumps dieser Welt, für den Emir von Katar oder Mohammed bin Salman, den Kronprinzen von Saudiarabien. Geld lockt ihn an, das hat er schon mehrmals bewiesen. Und so hat er es jetzt geschafft, seinem Spezi aus der Wüste das Turnier in zehn Jahren zuzuhalten.

Das muss man Infantino lassen: Wie ihm das gelungen ist, ist ein kleines Meisterwerk. Dabei sind ihm die Fifa-Bestimmungen zur Hilfe gekommen, wonach eine Konföderation, die eine WM ausgerichtet hat, sich um keines der beiden folgenden Turniere bewerben darf. Weil die WM 2026 an die USA, Kanada und Mexiko ging, ist die Concacaf, also der Zusammenschluss von Nord-, Mittelamerika und den Karibikstaaten, für 2030 und 2034 aus dem Rennen.

Ein Witz wird zum Plan

Um die WM 2030 haben sich ganz viele beworben: Europäer, Afrikaner und Südamerikaner. Warum also nicht gleich alle zusammen belohnen und den Grössenwahn noch etwas grösser werden lassen? Darum geht auch das: Spanien, Portugal und Marokko bilden das Herz des Turniers, in drei südamerikanischen Ländern findet je ein Spiel statt – zur Feier des 100-Jahr-Jubiläums der ersten WM 1930 in Uruguay. «Wir wollen einen einzigartigen weltweiten Fussabdruck hinterlassen», flötet Infantino am Tag des Beschlusses durch den Fifa-Rat.

Das ist der 4. Oktober 2023. Zwei Tage später eröffnet die Fifa das Bewerbungsverfahren für die WM 2034 – ohne jegliche Vorwarnung für allfällige Interessenten und mit der Vorgabe, dass dafür 25 Tage Zeit bleiben. Die 25 Tage sind auf den ersten Blick ein Witz, weil es für die Ausarbeitung einer Bewerbung viele Monate braucht.

Aber auf den zweiten Blick sind sie Teil eines Plans, der einem Taschenspielertrick gleichkommt: Denn wie gut meint es das Schicksal mit Infantino, dass ausgerechnet Saudiarabien seine Bewerbungsunterlagen bereits fertig erstellt hat. Australien, der Vertreter Ozeaniens, erkennt die Aussichtslosigkeit und steigt gar nicht erst in ein Rennen ein, das es niemals gewinnen kann. Grosszügig wartet Infantino immerhin die Bewerbungsfrist ab, bis er das schöne Ereignis einer nächsten WM auf der Arabischen Halbinsel der Welt mitteilt.

26.02.2016; Zuerich; Football FIFA; Gianni Infantino (SUI) is elected new FIFA President at the FIFA congress in Zurich
(Steffen Schmidt/freshfocus)

Um zu verstehen, wie weit es mit der Infantino-Fifa gekommen ist, braucht es einen kurzen Blick zurück auf den 2. Dezember 2010. Damals vergab das insgesamt 24-köpfige Exekutivkomitee innerhalb eines Tages die WM 2018 und 2022, die eine nach Russland, die andere nach Katar. Gerade die Wahl von Katar sorgte für Entrüstung und den Verdacht, dass der kleine Staat die Stimmen gekauft habe.

Die Fifa sah sich zu tiefgehenden Reformen gezwungen. Eine Ethikkommission wurde eingeführt (genau jene, die Infantinos Vorgänger Sepp Blatter Ende 2015 entmachtete). Der Präsident sollte künftig nicht mehr die Allmacht Blatters besitzen, sondern in erster Linie ein Repräsentant sein. Und eine WM sollte nicht mehr von der Exekutive vergeben werden, sondern vom Kongress, also von der Versammlung aller Verbände.

Infantino tritt alles in die Tonne

Die Anliegen waren ehrenwert. Dann eben betrat Infantino am 26. Februar 2016 die Bühne, wurde Nachfolger von Blatter und liess sich als Erlöser feiern, der die skandalumwitterte Fifa in eine schöne Zukunft führt. Und was machte er? Er trat alles in die Tonne, was es an Veränderungen gab.

Zwei Tage nach der Wahl sagte er: «Ich bin vom Kongress nicht gewählt worden, um Botschafter zu sein. Ich bin vom Kongress gewählt worden, um ein Leader zu sein.» Den Ton hatte er gleich gesetzt. Die Generalsekretärin, die neu die Geschäfte führen sollte, degradierte er flugs zur Statistin. Er empfand das erste Gehalt von 2 Millionen Franken als Beleidigung. Die bisher starken Köpfe der Ethikkommission ersetzte er handstreichartig durch willfähriges Personal. Den 37-köpfigen Fifa-Council, der das Exekutivkomitee ersetzte, baute er schliesslich zum Ja-Sager-Gremium um.

Im Juni 2018, kurz vor der WM in Russland, wählte der Kongress die USA, Kanada und Mexiko in einem offenen Verfahren als Gastgeber für 2026. Dafür liess sich Infantino als Reformer feiern. Setzte sich auf die VIP-Tribüne in Moskau. Und strahlte zwischen bin Salman und Putin.

Und jetzt? Ist alles vergessen, was anders werden sollte. Dass niemals mehr zwei Turniere an einem Tag vergeben werden dürfen, um Absprachen zwischen den Kandidaturen zu verhindern, ist zur Makulatur verkommen. Dafür werden an diesem Mittwoch lieber gleich zwei WM-Turniere in einem Handstreich vergeben.

Kritiker werden nun zwar nicht gleich mundtot gemacht, aber ihre Voten sind ohne Wirkung. Wer gegen Saudiarabien stimmt, stimmt auch gegen die sechs Austragungsorte 2030. So verkommen am Ende fast alle Verbände zu Kopfnickern, ausser der notorisch standfesten norwegischen Präsidentin Lise Klaveness, die in ihrer Erklärung festhält: Der Prozess der Fifa erhalte die Grundsätze von Rechenschaftspflicht, Transparenz und Objektivität nicht in genügendem Mass aufrecht. Darum enthalte sie sich der Stimme.

Für den Schweizer Verband erklärt Präsident Dominique Blanc, man stimme mit Ja für beide Turniere. Auf dem hauseigenen Kanal hält er allerdings fest, man habe der Fifa die Bedenken in Bezug auf die Menschenrechte in Saudiarabien in einem Brief mitgeteilt. Das eine wie das andere Statement, von Klaveness wie von Blanc, dürfte Infantino kein bisschen beeindrucken.

Die Fifa spielt die Klagen der Regimekritiker herunter

Saudiarabien hat von den Fifa-Prüfern 419,8 von 500 möglichen Punkten erhalten, mehr als die USA und ihre Nachbarstaaten. Die Stadien des Wüstenstaates werden gleich hoch bewertet wie jene für 2026, was deshalb bemerkenswert ist, weil elf davon noch gar nicht existieren. Die heftigen Klagen von Menschenrechtsorganisationen über die katastrophale Lage für Frauen oder Regimekritiker in bin Salmans Autokratie werden im Fifa-Bericht heruntergespielt: Er stuft das Menschenrechtsrisiko als «mittel» ein.

Auch kein Wort davon, worüber der englische Sender ITV vor ein paar Tagen berichtet hat: Seit dem Beginn der Bauten für «Vision 2030», das Projekt, mit dem bin Salman sein Land auch mithilfe der Fussball-WM umgestalten will, seien mehr als 21’000 Arbeitsmigranten aus Indien, Bangladesh und Nepal gestorben.

RIYADH, SAUDI ARABIA - NOVEMBER 18: (EDITOR’S NOTE: This Handout image was provided by a third-party organization and may not adhere to Getty Images’ editorial policy.) In this undated handout image released on November 18, 2024 by Populous, a digital rendering of the proposed King Salman Stadium in Riyadh, Saudi Arabia. With a proposed capacity of 92,000 people, the stadium – designed by Populous - is one of the proposed 2034 FIFA World Cup stadiums that may host the opening ceremony as well as the final. (Photo by Populous via Getty Images)

Aber was soll das Infantino stören? Er hat jetzt diese WM in Saudiarabien. Und schon nächsten Sommer hat er die Club-WM, ein fast monströses Turnier mit neu 32 statt 7 Teilnehmern und von vier Wochen Dauer. Viele Clubs kritisieren das, alle, die eingeladen sind, gehen doch hin, weil es viel Geld zu verdienen gibt. Infantino hat dafür mit Dazn auch einen Streamingdienst gefunden, der ihm für die weltweiten Übertragungsrechte 1 Milliarde Dollar zahlt. Es ist genau diese Milliarde, die bin Salmans Finanzvehikel, der Public Investment Fund, für Anteile an Dazn aufbringen will.

Noch etwas hat dieser Gianni Infantino aus Brig, inzwischen 54-jährig und immerhin mit 4 Millionen Franken jährlich entschädigt, exklusive diverse Annehmlichkeiten wie bezahlte Wohnungen in Zug oder Miami: Auf der Trophäe für den Gewinner der Club-WM ist sein Name verewigt. In der Inschrift heisst es: «Die Krönung aller Vereinswettbewerbe. Der von Fifa-Präsident Gianni Infantino inspirierte Wettbewerb, der erstmals 2025 ausgetragen wird, stellt alles bisher Dagewesene in den Schatten.»

Vorerst stellt sich für Infantino nur ein Problem: Gemäss Statuten müsste er spätestens 2031 als Präsident der Fifa abtreten. Wie könnte er es bloss schaffen, bis zur WM in Saudiarabien im Amt zu bleiben?