Reaktionen internationaler Experten und Medien«Jetzt ist das Geschäft der Credit Suisse für einen Käufer attraktiver»
Nach dem Beinahe-Crash der Credit Suisse zeichnen wir die Berichterstattung am Schwarzen Mittwoch nach und zeigen auf, wie die globale Presse über die Folgen für die globalen Anleger berichtet.
Der Auftakt
Als CS-Präsident Axel Lehmann am Morgen des 15. März noch vor Eröffnung der Börsen in einem Interview mit Bloomberg sagt, Staatshilfe sei für die Bank kein Thema, man sei gut aufgestellt, ist die Welt für die Schweizer Grossbank noch in Ordnung. Es scheint keinen Einfluss der medialen Berichterstattung auf den Aktienkurs der Bank zu geben.
Der Super-GAU
Schon wieder Bloomberg: Der Vorsitzende der Saudi National Bank, Ammar al-Khudairy, seit Ende letzten Jahres der grösste Aktionär der CS, sagt gegenüber dem Wirtschaftsportal, dass eine weitere Erhöhung des Anteiles an der Schweizer Grossbank nicht infrage käme: «Die Antwort ist auf keinen Fall, und zwar aus vielen Gründen. Ich möchte den einfachsten Grund anführen, der regulatorischer und gesetzlicher Natur ist. Wir besitzen jetzt 9,8 Prozent der Bank – wenn wir über 10 Prozent hinausgehen, treten alle möglichen neuen Regeln in Kraft, sei es durch unsere Regulierungsbehörde oder die europäische oder die schweizerische Regulierungsbehörde.»
Khudairys Aussagen gehen nach hinten los: Der Kurs der CS-Aktie sackt ab. So stark, dass der Handel zeitweise ausgesetzt werden muss.
Der Druck aus dem Ausland
Die älteste französische Wirtschaftszeitung «Les Echos» titelt als Reaktion auf den Kurssturz: «Frankreich erwartet Massnahmen der Schweizer Regierung». Die französische Premierministerin Élisabeth Borne erklärt im Senat, dass die Krise der Credit Suisse in den Zuständigkeitsbereich der Schweizer Behörden fällt und von ihnen geregelt werden muss. Sie sagt jedoch auch, dass der Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire in den nächsten Stunden mit seinem Schweizer Amtskollegen in Kontakt treten werde.
Weiterer Vertrauensverlust
Die Aktie der CS erholt sich zwischenzeitlich. Dann titelt die «Financial Times»: «Schweizer Zentralbank bietet Credit Suisse Liquiditätsstütze an». Die Credit Suisse habe bei der SNB und der Finma um Unterstützung angefragt und um ein offizielles Zeichen der Unterstützung gebeten. Die Credit Suisse erfülle die höheren Kapital- und Liquiditätsanforderungen, die für systemrelevante Banken gelte, werden die beiden Institutionen zitiert. Auch hier geht der Schuss nach hinten los: Das Vertrauen in die Grossbank bröckelt weiter.
Anhaltende Anspannung trotzt Rettungsschirm
In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag kommt die Nachricht: Die Credit Suisse leiht sich bis zu 50 Milliarden Franken von der Schweizerischen Nationalbank, um den in den Keller gestürzten Aktienkurs zu stabilisieren. Das wird erwartungsgemäss in den Märkten wie in der globalen Presse gut aufgenommen. Der CS-Kurs steigt am Donnerstagvormittag um mehr als 20 Prozent. Allerdings sind die Befürchtungen, dass die Krise der Credit Suisse auch internationale Auswirkungen haben könnte, noch nicht ausgeräumt. Die «Washington Post» betont, dass die Credit Suisse viel stärker in das globale Finanzsystem verstrickt sei als die zuvor Konkurs gegangenen Silicon Valley Bank und Signature Bank of New York. Die gegenseitige Ansteckung der Märkte nehme weiter zu, wie am Kursfall der asiatischen Märkte zu sehen sei. Die internationalen Behörden seien bemüht, eine Wiederholung der Finanzkrise von 2008 zu verhindern.
Das «Wall Street Journal» spekuliert derweil bereits über eine Aufteilung oder einen Verkauf der CS, was auch durch die Finanzspritze der Nationalbank nicht unwahrscheinlicher geworden sei: «Fusionen und Übernahmen werden immer wahrscheinlicher, und die Aussage der SNB, dass sie der globalen Bank Liquidität zur Verfügung stellen wird, macht das Geschäft der Credit Suisse für einen Käufer attraktiver», wird Jérôme Legras von der Beratungsfirma Axiom Alternative Investments zitiert.
Schlechte Stimmung für US-Investoren
Das US-Finanzportal Marketwatch sieht den dramatischen Kursverlust der CS als schlecht für Investoren und Bankkundinnen in den USA, da die Credit Suisse als grosse Schweizer Bank Symbolcharakter für den weltweiten Finanzplatz habe: «Ich glaube nicht, dass es direkte Konsequenzen für Investoren in den USA gibt. Aber es ist extrem schlecht für die Stimmung, wenn eine grosse Schweizer Bank dicht auf den Fersen von Silicon Valley Bank und Signature Bank of New York versagt. Der Markt wird sich fragen, wer der Nächste ist. Es könnte beginnen, die Optik einer globalen Bankenkrise zu haben», erklärte der Finanzexperte Simone Ree gegenüber der Zeitung.
Otavio Marenzi, CEO der Unternehmensberatungsfirma Opimas, sieht den Ruf des Schweizer Finanzplatzes als stabiler und sicherer Hafen für Vermögenswerte durch die Krise der Credit Suisse bereits als stark beschädigt an.
Erleichterung an den deutschen Finanzmärkten
Die FAZ hebt in ihrer Berichterstattung zur CS-Krise die positive Wirkung des Einschreitens der SNB hervor, betont dabei aber, dass die Probleme der Schweizer Grossbank hausgemacht seien: Der Deutsche Aktienindex Dax habe kurz vor der Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank um 1,6 Prozent auf 14.982 Punkte zugelegt, nachdem er am Mittwoch mehr als drei Prozent verloren hatte. Auch die Aktien der grössten deutschen Banken hätten sich erholt. Die Fehlschläge mit Greensill, Archegos und weitere Pleiten hätten der Schweizer Grossbank 2022 einen Nettoverlust von 7,3 Milliarden Franken eingebracht. Die SNB habe gar keine andere Wahl gehabt, als der CS zu helfen: «Es geht darum, ein psychologisches Zeichen zu setzen, um das Kundenvertrauen wiederherzustellen oder zumindest abzusichern», sagte der Schweizer Professor für Wirtschaftsrecht Peter V. Kunz gegenüber der FAZ. Auch habe die SNB sich hinter den Schweizer Finanzplatz stellen und einen weiteren Flächenbrand verhindern wollen.
Schweizer Banken bis anhin ein Synonym für null Risiko
«Le Monde» bettet ihren Artikel zur CS-Rettung durch die SNB in eine kurze, aber prägnante Beurteilung des Schweizer Finanzplatzes durch einen Genfer Finanzanalysten ein: «Bis dahin waren Schweizer Banken ein Synonym für null Risiko. Wir haben ihnen mit geschlossenen Augen vertraut. Mit den Schwierigkeiten der Credit Suisse hat dieser Ausdruck keinen Platz mehr, und das ist an sich schon ein echter Wendepunkt.» Daneben legt auch «Le Monde» den Fokus auf die Schockwellen, welche die CS-Krise auf die französischen und europäischen Finanzmärkte ausgesandt hat: Am Mittwoch wurde der Aktienhandel der französischen Grossbanken BNP Paribas und der Société Générale aufgrund automatischer Kontrollmechanismen kurzzeitig ausgesetzt, und ihr Handelswert fiel bei Börsenschluss um 10,1 resp. 12,2 Prozent.
Finanzspritze der SNB beruhigt chinesische Märkte nicht
Die Hongkonger Zeitung «South China Morning Post» sieht die Krise der CS wegen ihrer Einstufung als global systemrelevante Bank durch das Financial Stability Board als weltweites Problem für die Finanzmärkte an. Derweil sind die Sorgen über eine mögliche Ausbreitung zu einer globalen Finanzkrise auch durch das Einspringen der SNB nicht aus der Welt geschafft.
Brock Silvers von der Hongkonger Investmentfirma Kaiyuan Capital sagte gegenüber der Zeitung: «Die Liquidität der Credit Suisse hat möglicherweise keine grossen positiven Auswirkungen auf Hongkong, da sie wenig dazu beiträgt, die Angst vor einem Bankenkollaps einzudämmen. Die Situation der Banken ist weiterhin besorgniserregend, die US-Inflation scheint zäher als erhofft, während Chinas Erholung nach Covid die Erwartungen möglicherweise nicht erfüllt.»
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