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Fund auf Steinwerkzeugen
Schon die Neandertaler nutzten Alleskleber

Lange wurden die Neandertaler als tumbe Keulenschwinger betrachtet. Nun haben Forscher herausgefunden, dass sie sogar eine ausgeklügelte Mischung eines Urzeit-Uhu-Klebers entwickelt hatten.
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In einer Sammlung des Berliner Museums für Vor- und Frühgeschichte sind seit den 1960er-Jahren Steinwerkzeuge aus Le Moustier aufbewahrt. Mehr als 40’000 Jahre alt und Anfang des 20. Jahrhunderts vom Schweizer Archäologen Otto Hauser entdeckt, der an dieser berühmten Fundstelle in Frankreich gearbeitet hatte. Bei einer Aufarbeitung des Sammlungsbestandes wurden die gut verpackten Werkzeuge quasi wiederentdeckt – und ihr wissenschaftlicher Wert erkannt.

Forscherinnen und Forscher der Universität Tübingen haben entdeckt, dass an mehreren Steinwerkzeugen Reste organischer Stoffe (aus Ocker und Bitumen) hafteten. Am Mittwoch teilte die Universität dann mit, dass es sich bei den Berliner Le-Moustier-Artefakten um den «bisher frühesten Fund eines Mehrkomponentenklebers in Europa» handle. Von dem Fund berichtet eine Studie in der Fachzeitschrift «Science Advances».

Alternative zu Ötzis Birkenpech

Bisher waren Kleber mit mehreren Komponenten, wie Baumharzen oder auch Ocker, von frühen modernen Menschen, dem Homo sapiens in Afrika, bekannt gewesen. Von Neandertalern wusste man, dass sie Birkenpech als Kleber benützt hatten. Auch Ötzi hatte seine Pfeile vor über 5000 Jahren damit gefertigt. Der Fund des quasi ersten Mehrkomponentenklebers aus Bitumen und Ocker bedeutet nun, dass Neandertaler auch anderes Material nutzten, wenn kein Birkenpech vorhanden war.

Es wurde festgestellt, dass hohe Ockeranteile das Bitumen steifer machen und verhindern, dass es an der Hand klebt. Dies deute darauf hin, dass die Klebstoffe als Griffe direkt an Steinwerkzeugen und nicht zum Befestigen von Steinwerkzeugen an Griffen verwendet wurden, so die Forschenden.

Die Mischung machts aus

Geleitet wurden die Forschungen unter anderen von Patrick Schmidt aus der Abteilung für Ältere Urgeschichte der Universität Tübingen. Das Team um Schmidt fand heraus, dass für den Kleber Bitumen mit ungefähr 55 Prozent Ocker gemischt wurde. Bei einem Selbstversuch gelang es den Archäologen aber nicht, diesen Kleber aus getrocknetem Bitumen aus der Nähe der Fundstelle und aus Ocker herzustellen. Erst, als sie flüssiges Bitumen verwendeten, funktionierte es.

Flüssiges Bitumen und das Erdpigment Ocker.
Zähflüssiges Bitumen kann mit Ocker gemischt werden, um an ein Steinwerkzeug eine Art Griff anzubringen: Rekonstruktion eines Steinartefakts mit Griff aus Bitumen-Ocker-Gemisch.

Ocker und Bitumen mussten zusammengetragen werden

Ocker ist ein natürlich vorkommendes Mineralgemisch, das unter anderem in der Höhlenmalerei benützt wurde. Bitumen, auch Erdpech genannt, ist ein Gemisch aus verschiedenen organischen Stoffen – hauptsächlich Kohlenwasserstoffe. Bitumen wird auch heute noch verwendet, als Bindemittel im Asphalt oder für Abdichtungen im Deponie- und Wasserbau.

Weil in der Region von Le Moustier Ocker und Bitumen weit voneinander lagen, mussten die Rohstoffe zusammengetragen werden. Laut den Forschenden bedeutete dies einen grossen Aufwand, erforderte Planung und eine gezielte Vorgehensweise. Die Sammler dieser Zeit hätten viel Mühe in die Herstellung von Verbundklebstoffen investiert und über die erforderlichen kognitiven Fähigkeiten verfügt, so die Forschenden.

Möglicherweise haben die Neandertaler noch andere Klebergemische genutzt. Der Tübinger Archäologe Schmidt hofft auf weitere Entdeckungen.

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red/nag