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Meinung

Kolumne «Fast verliebt»
Wenn der Neid Beziehungen toxisch macht

Wie lassen sich Freundschaften und Kinder miteinander vereinbaren? Claudia Schumacher gibt in ihrer Kolumne die Antwort auf diese Frage.
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Jeder hat es schon mal gehört: Wir sollten uns nicht vergleichen. Ist nicht gut. Macht unglücklich. Und doch sind wir süchtig danach.

Wie harmlos waren die prädigitalen Zeiten, als man sich nur mit der Schönsten auf dem Pausenhof oder dem ehrgeizigsten Typen im Büro vergleichen musste! Heute verfolgen uns Hailey Biebers absurd lange Beine bis aufs Klo, wo unsere eigenen Schenkel platt auf der Schüssel liegen wie zwei müde Seekühe. Auf Instagram inszenieren sich Stars als Normalos, während jedermann glaubt, er müsse sich als Star empfehlen.

Eine meiner Freundinnen ist so ein Fall. Ihr Zwang, sich ständig vergleichen zu müssen, aber nicht mithalten zu können, trägt immer obskurere Blüten. Sie steckt irre viel Zeit in ihren Instagram-Account, dem kaum jemand folgt, während ihr Zuhause so chaotisch ist, dass man sie kaum noch besuchen darf. Postet sie Fotos mit anderen Frauen, retuschiert sie sich selbst als Einzige mit Photoshop schlanker. Als ich sie fragte, was das soll, fing sie an zu heulen.

So ein Druck, so ein Unglück. Der Wahnsinn unseres hypervernetzten, optimierungswütigen Lebens «schickt uns in eine Neidspirale, die man als Hamsterrad des 21. Jahrhunderts bezeichnen könnte», analysiert die Autorin Ariadne von Schirach in «Glücksversuche»: Sie beklagt «eine gigantische Verschwendung von Ressourcen, Energie und Lebenszeit».

Macht das Vergleichen im Internet schon unglücklich, ist es zu Hause das Tor zur Hölle. Die Mutter, die ihre Tochter für Kleinigkeiten piesackt, weil sie ihr insgeheim Jugend und Schönheit neidet. Der Ehemann, der sich nicht mehr für seine Frau freuen kann, weil sie befördert wurde und er sich unter ihr wähnt. Die kinderlose Frau, die ihrer besten Freundin die Schwangerschaft nicht gönnen kann und stattdessen auf Distanz geht.

Sie glauben, der andere habe etwas, weil sie selbst es nicht haben.

In Freundschaften, in der Liebe, in der Familie ist es besonders schlimm, wenn der eine auf die andere neidisch ist, weil es die Beziehungen erodieren lässt und weil es kaum möglich ist, über die Gründe offen zu reden. Gerade weil das Thema dort so tabuisiert ist, kann der Neid Menschen grossen Schaden zufügen, weil sie vielleicht nie oder erst sehr spät darauf kommen, was los war.

Manchmal glaube ich: Menschen, die einen schlechten Umgang mit ihrem Neid pflegen, verstehen die Welt als System des Mangels, in dem wir alle kausal miteinander verwoben sind. Sie glauben, der andere habe etwas, weil sie selbst es nicht haben. Als wären sie beraubt worden. Dafür müssen sie sich rächen. Das ist zwar auf geradezu mittelalterliche Weise irrational, hält aber viele Menschen nicht davon ab, sich selbst und ihr Umfeld mit dieser Kleinherzigkeit zu vergiften.

Dabei sind wir doch alle einzigartig. Darin gleichen wir uns. Das ist die Augenhöhe, auf der wir uns immer begegnen können. Ganz egal, ob die anderen schöner oder dicker sind als wir.