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Meinung

Kolumne «Fast verliebt»
Haben sich mal wieder alle gegen Sie verschworen?

Claudia Schumacher: Berät Freundinnen, auch wenn sie zu Verschwörungstheorien neigen.
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«Liebe ist die gemeinsame Freude an der wechselseitigen Unvollkommenheit», schrieb Ludwig Börne. Schön gedacht! In Wahrheit kann diese wechselseitige Unvollkommenheit aber auch zum unerschöpflichen Quell von Vorwürfen und der Unterstellung böser Absichten werden. Überhaupt: Was hat die Liebe an sich, dass sie nette, vernünftige Menschen mitunter in verrückte Verschwörungs­theoretiker verwandelt?

Eine meiner Freundinnen ist so ein Fall. Im Alltag ist sie die reine Gutmütigkeit, unkompliziert und nicht nachtragend. Aber sobald sie sich verliebt, wird sie zur argwöhnischen Detektivin. Hinter jeder unbeantworteten Nachricht, hinter jeder emotionalen Verwirrung vermutet sie männliche Intriganz und den bewussten Willen, ihr zu schaden. Und so münden ihre Beziehungen nach einer ersten Phase frischer Verliebtheit schnell in eine dunklere Phase kräftezehrenden Machtgerangels.

Eine teuflische Reinkarnation?

Am Ende muss ich mir mehrstündige, atemlose Vorträge darüber anhören, warum dieser scheinbar harmlose Lehrer mit den Lachgrübchen, der sie die letzten Monate auf Trab gehalten hat, in Wahrheit die teuflische Reinkarnation von Niccolò Machiavelli ist und nicht einfach nur ein normaler Mann mit Ängsten und Fehlern, der sich bemüht hat, aber nicht immer alles richtig machen konnte.

Wir Menschen lieben kausale Zusammenhänge – und ziehen gerne vorschnell falsche Schlüsse. Ein berühmtes Forschungsbeispiel ist der Scheinzusammenhang von Storchpopulationen und der Geburtenrate von Menschen, der für 17 europäische Länder untersucht wurde. Ergebnis: Wo es mehr Störche gibt, gibt es auch mehr Babys. Womit bewiesen wäre, dass der Storch die Babys bringt, korrekt?

Liebe ist unordentlich, das reinste Chaos

Leider ist unser Hang zur albernen Scheinlogik im Alltag oft weniger offensichtlich. Vor allem, wenn wir verletzt wurden, müssen Gründe und klare Zusammenhänge her. Dann wollen wir einen Täter mit einer Stossrichtung. Das gibt uns ein Gefühl von Kontrolle zurück: Wenn A zu B geführt hat, dann sparen wir uns in Zukunft einfach A, um B zu verhindern. Die Wahrheit aber ist: Shit happens. Und zwar oft ohne Grund oder böse Absichten. Vor allem die Liebe ist unordentlich, das reinste Chaos, und sie wird immer das Risiko bergen, uns zu verletzen – auch dann, wenn wir in Zukunft einen grossen Bogen um Lehrer mit Lachgrübchen machen.

Die eigene Machtlosigkeit hinzunehmen, hat aber auch etwas Befreiendes. Wer Zufälle anerkennt und Geschehnisse weniger persönlich nimmt, kann leichter durchs Leben segeln. Manchmal ergibt die wechselseitige Unvollkommenheit zwischen zwei Menschen einfach keine gute Dynamik. Dann scheitert eine Beziehung, obwohl keiner von beiden das wollte. Wer es so sieht, kann sich schneller wieder auf neue Menschen einlassen als derjenige, der an eine Welt voller Bösewichte glaubt.