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Meinung

Der Nationalgoalie wechselt zu Inter
Für Yann Sommer gibt es nur diesen Ausweg

So soll es für Yann Sommer vorderhand bleiben: Jubelnd als Nummer 1 der Schweizer Nationalmannschaft.
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Die Massen warten nicht gerade auf Yann Sommer, als er sich vor seinem Fitnesstest bei Inter Mailand zeigt. Der eine Fan, der auf dem Twitter-Schnipsel zu hören ist, muss ihm als Zeichen dafür genügen, welche Zuneigung er sich künftig erwarten oder zumindest erhoffen kann. «Grande Yann!», ruft er ihm zu, «ciao, ciao, ciao, ciao, benvenuto.»

Posso?, fragt er dann noch, kann ich ein Foto machen? Natürlich kann er das, Sommer posiert mit einem Buben und verabschiedet sich gleich wieder, der Fan ruft hinterher: «Grazie, Yann, grazie. Ciao, grande.» Der grosse Yann belässt es bei einer Geste: Er legt sich die Hand aufs Herz. Dazu legt er sein schönstes Zahnpastalächeln aufs Gesicht.

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Die Formalitäten sind mit dem Medizintest an der Mailänder Zweigstelle von Italiens Nationalem Olympischem Komitee abgeschlossen. Die Parteien sind sich vorher schon einig gewesen. Bayern München mit Inter über die Höhe der Ablöse, erst recht Sommer mit Inter über einen Vertrag bis 2026. Am Montagabend bestätigen die Italiener den Transfer.

Ciriaco Sforza war für die Saison 1996/97 bei Inter. Richtig glücklich wurde er nie, trotz Roy Hodgson als Trainer. Nach dem verlorenen Final im Uefa-Cup verabschiedete er sich in die Provinz von Kaiserslautern. Xherdan Shaqiri war der zweite prominente Schweizer bei den Nerazzurri, den Schwarz-Blauen. Wie Sforza hatte er aus München zu ihnen gewechselt. Er wurde ebenso wenig glücklich und zog nach einem halben Jahr im Sommer 2015 in die Provinz von Stoke weiter.

Die Ernüchterung in München

Jetzt also versucht Yann Sommer, sein Glück in Mailand zu finden. Irgendwie versteht sich von selbst, dass auch er den Weg von München hierher gefunden hat. Es ist sein Ausweg aus einer verfahrenen Situation, in die er im letzten halben Jahr bei den Bayern geraten ist. Vor allem ist ihm keine andere Wahl als ein Transfer geblieben, um seinen Status als Nummer 1 in der Nationalmannschaft nicht zu gefährden. Bei der EM nächsten Sommer in Deutschland will er unbedingt im Tor stehen, wie schon bei den letzten vier grossen Turnieren.

Im Januar gab er die Sicherheit auf, die er bei Borussia Mönchengladbach achteinhalb Jahre lang genossen hatte. Nie war er da in dieser Zeit hinterfragt worden, er war zweiter Captain, Publikumsliebling und mit 4,5 Millionen Euro vermutlich höchstbezahlter Spieler, der frühere Sportdirektor Max Eberl erklärte ihn für den Club gar zum «perfekten Botschafter».

Aus seinem Schatten hat er nie herausgefunden: Yann Sommer neben dem Münchner Volkshelden Manuel Neuer.

Sommer hätte seine Karriere an diesem Ort beenden können, in wie vielen Jahren auch immer. Es zog ihn aber weg, als die Bayern riefen und ihn mit reizvollen Konditionen lockten: mit der Verdoppelung des Salärs und einem Vertrag bis 2025. Noch etwas kam dazu, etwas Wichtiges: die Aussicht auf Titel. In Gladbach war er weit weg davon, in München spekulierte er auf das Triple aus Meisterschaft, Cup und Champions League.

Am Ende war es, mit Ach und Krach, nur die Meisterschaft, und Sommer hatte Monate hinter sich, die er selbst geschönt als «intensiv» bezeichnet, die für ihn in Wirklichkeit aber ernüchternd gewesen sein müssen. Nie schaffte er es, aus dem tiefen Schatten des Spielers herauszutreten, den er ersetzen sollte: Manuel Neuer war immer viel grösser, und je länger er wegen seines komplizierten Schienbeinbruches fehlte, desto verklärter wurde er gesehen.

Als es um ihn geschehen war

Dass das so war, lag eben auch an Sommer, genau genommen: an den Zweifeln an seiner Befähigung, Neuer wirklich vertreten zu können. Er musste lernen, welche Kraft von diesem Club ausgeht, gerade im Negativen, und welche Kraft von den Experten, die um ihn herumschwirren, ebenso gerade im Negativen. Die Feststellung des Sky-Experten Dietmar Hamann nach dem Champions-League-Spiel in Manchester, Sommer sei «heillos überfordert», reichte bereits, um eine Lawine loszutreten

Danach war es um Sommer geschehen. Jeder wartete nur auf die nächste Szene, die ihm als Fehler untergejubelt werden konnte. Er verlor das, was ihn im Nationalteam stets ausgezeichnet hat: seine Sicherheit, seine Ausstrahlung und damit seine Verlässlichkeit. Sommer würde es nie zugeben, aber die negativen Strömungen setzten ihm zu.

Mailand mag nicht München sein. Trotzdem ist Sommer zu diesem Transfer nur zu gratulieren.

Darum konnte es für ihn nur diese eine Lösung geben, um wieder der Alte zu werden. Den Vertrag in München auszusitzen, das konnte für ihn keine Option sein. Zu ehrgeizig ist er, zu gern steht er noch immer im Tor, zu sehr will er dem Druck widerstehen können, den ihm im Nationalteam Gregor Kobel macht. Kobel, letzte Saison vom Fachblatt «Kicker» zum besten Torhüter der Bundesliga gewählt, mag nicht mehr ewig auf seine Chance warten, Sommer zu beerben. Dafür ist er auch zu gut.

Mailand mag nicht München sein, Inter nicht Bayern, aber Mailand ist eine derart prestigeträchtige Adresse, dass Sommer zu diesem Transfer nur zu gratulieren ist. Im Vergleich zu Mönchengladbach hat er sich gleich um x Stufen verbessert.

Inter hat eine ruhmreiche Geschichte mit zwei Triumphen im alten Meistercup, einem in der Champions League und 19 Titeln in der Serie A. Und dieses Inter gibt Sommer die Chance, in der Goaliehierarchie gleich zuoberst einzusteigen. Einen Neuer hat er nicht mehr vor sich, besser: über sich.

Der letztjährige Stammtorhüter André Onana hat für gut 50 Millionen Euro zu Manchester United gewechselt. Den Vertrag von Samir Handanovic, der vor Onana ein Jahrzehnt lang die Nummer 1 gewesen war, hat der Club auslaufen lassen.

Inters finanzielle Sorgen

Dass der Kameruner Onana, vor einem Jahr ablösefrei gekommen, schon wieder veräussert wird, zeigt allerdings auf, wie es derzeit um Inter steht: Die Italiener mögen letzte Saison auf dem Weg in den Final der Champions League über hundert Millionen Euro eingenommen haben, sparen müssen sie trotzdem. Gerüchte, wonach die chinesische Besitzerfamilie Zhang bald den Kreditverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann und den Verein verkaufen muss, halten sich hartnäckig. 

Wie klein der finanzielle Spielraum ist, zeigt Sommers Transfer. Wochenlang versuchte Inter, die im Kontrakt des Goalies festgeschriebene Summe von 6 Millionen Euro herunterzuhandeln – um dann doch einzulenken. Es wäre ja auch unvorteilhaft gewesen, beim Saisonstart in knapp zwei Wochen ohne valablen Torhüter dazustehen.

Ein Tempel für 75’000 Zuschauer: Das San Siro ist die Heimat von Inter Mailand und Stadtrivale Milan.

Vorerst dürfte Sommer keine Konkurrenz befürchten müssen. Eigentlich wollte Inter den hoch gehandelten ukrainischen Nationalgoalie Anatolij Trubin holen, er hätte sich erst hinter Sommer einreihen, irgendwann aber dessen Platz übernehmen sollen. Trubin wechselt nun jedoch zu Benfica Lissabon, Inter sucht eine günstigere Alternative.

Inter ist nicht der einzige Club, der sparen muss. Das gilt für fast alle, die nicht gerade aus England und Saudiarabien kommen. In Mailand wird Sommer um Titel spielen, zumindest um die nationalen. Dazu kommt der Zuspruch der Zuschauer: Letzte Saison betrug der Schnitt 72’630, nur bei Manchester United, Bayern München, Borussia Dortmund und Barcelona war er höher. Das San Siro mag alt sein. Magisch ist es dennoch. Es gibt schlimmere Arbeitsplätze.