Corona-Krise und HandelskriegFür die Weltwirtschaft stehen die Zeichen weiter auf Sturm
Die Lage in der Binnenwirtschaft hat sich aufgehellt. Doch dem Exportsektor droht zusätzliches Ungemach – was die Krise in der Schweiz verlängern könnte.
Als die Wirtschaft im Lockdown steckte, konnten die Prognosen nicht schlecht genug sein. Mittlerweile ist die Stimmung fast schon ins Gegenteil gekippt: Alles nicht so schlimm, heisst es jetzt. Diese Ansicht stützt sich vor allem auf eine bisher besser als erwartete Entwicklung der inländischen Wirtschaft. Dass der Tiefpunkt des konjunkturellen Absturzes vermutlich hinter uns liegt, bedeutet aber nicht, dass die Krise schon ausgestanden ist.
Bei der Präsentation seiner Prognose für die Schweiz verglich der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse die Aussichten mit einem «abgeknickten V». «Nach einer raschen Teilerholung über den Sommer 2020 folgt der beschwerliche Weg zurück mit wenig Dynamik», erklärt Chefökonom Rudolf Minsch. Dabei stützt Economiesuisse seine Prognosen auch auf Umfragen unter Unternehmen. Demnach wird selbst Ende 2021 das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Schweiz noch unter jenem des letzten Jahres liegen. Und die Arbeitslosigkeit dürfte bis im nächsten Jahr auf durchschnittlich 4,3 Prozent ansteigen.
Trübe Aussichten für den Exportsektor
Sorge bereitet vor allem der Exportsektor. Von einer etwas besseren Lage berichteten in der Umfrage von Economiesuisse nur Unternehmen aus der Binnenwirtschaft. Der Aussenhandel hat aber für die Wirtschaftsentwicklung der Schweiz mindestens die gleiche Bedeutung wie die Inlandnachfrage. Leiden die Schweizer Exporteure, weil sie im Ausland nur noch wenig absetzen können, drohen Einkommens- und Jobverluste. Und das drückt letztlich über einen noch geringeren Konsum und weniger Investitionen auch wieder auf die Inlandnachfrage.
Angesichts der Wirtschaftsschwäche in vielen Ländern ist der Welthandel seit Krisenbeginn bereits deutlich eingebrochen. Gemäss Zahlen für das erste Quartal haben die Exporte der Schweiz zwar noch um 3,4 Prozent zugelegt, doch das lag im Wesentlichen an der Pharmabranche. Sie dominiert wertmässig die Schweizer Exporte. Doch ihr Anteil an der Beschäftigung in der Schweiz entspricht nur etwa einem Fünftel jener der übrigen Industrie. Und diese leidet zusammen mit dem Tourismus stark unter dem Einbruch der Weltwirtschaft. Und die Aussichten haben sich seit dem Lockdown nicht aufgehellt. «Die Exportbranchen berichten fast ausschliesslich von Verschlechterungen oder einer unveränderten, schwierigen Situation», schreibt Economiesuisse.
Neue Restriktionen im Welthandel und für Investitionen haben sprunghaft zugenommen.
Dabei sind die Absatzschwierigkeiten im Zuge der Corona-Krise nicht das einzige Problem. Die Konflikte, die die Weltwirtschaft bereits vor der Krise in Atem gehalten haben, drohen sich mit der Corona-Pandemie noch weiter zu verschärfen. «Die Pandemie hat die Bewegung weg von einer verstärkten Integration der Weltwirtschaft hin zu einer grösseren Fragmentierung noch verstärkt», schreibt die Organisation der entwickelten Länder OECD in ihrem letzte Woche veröffentlichten Weltwirtschaftsausblick. Neue Restriktionen im Welthandel und für Investitionen hätten sprunghaft zugenommen.
Ein neues Buch mit dem Titel «Trade Wars Are Class Wars» (Handelskriege sind Klassenkämpfe), das der in Peking lehrende Ökonomen Michael Pettis zusammen mit dem Wirtschaftsjournalisten Matthew Klein publiziert hat, zeigt eindrücklich, warum der Freihandel schon im letzten Jahrzehnt auf immer mehr Gegenwehr gestossen ist – vor allem in den USA. Die Autoren erklären das mit der gestiegenen Ungleichheit innerhalb vieler Länder einerseits und mit der Bedeutung des US-Dollars und der amerikanischen Kapitalmärkte andererseits.
Die Reichsten in Ländern wie China oder Deutschland, deren Anteil an den Gesamteinkommen gestiegen ist, konsumieren einen geringeren Anteil ihres Einkommens als die übrigen Teile der Bevölkerung. Mit grösserer Ungleichheit sinkt damit die Nachfrage innerhalb dieser Länder. Wettgemacht werden konnte dieser Nachfrageausfall durch Überschüsse der Exporte vor allem Chinas und Europas in die USA. Dort zeigte sich das in Form hoher Aussenhandelsdefizite.
Weil die Amerikaner mit dem Dollar über die globale Leitwährung und zudem über den wichtigsten Kapitalmarkt der Welt verfügen, investieren die Reichsten der Welt ihre Ersparnisse vor allem in den USA. Dieser Kapitalzufluss ermöglicht es den Amerikanern, die Handelsüberschüsse der übrigen Welt aufzukaufen. Doch das Defizit der USA im Aussenhandel geht zulasten der Nachfrage nach US-Produkten. Vor allem in jenen Teilen der US-Wirtschaft, die durch die Exportkonkurrenz unter Druck gerieten, hat sich deshalb ein grosser Frust gegenüber den Chinesen und den Europäern aufgebaut. Mit Donald Trump haben die Exportverlierer eine mächtige Stimme erhalten.
Trump setzt die Defizite der USA mit Verlusten seines Landes gleich, und er hat sich zum Ziel gesetzt, diese zu beseitigen. Bisher erfolglos. Wie der Ökonom Michael Pettis festhält, wird sich daran angesichts der internationalen Rolle des US-Dollars und des US-Kapitalmarkts vorerst nichts ändern.
Im Zeichen der Krise setzen jetzt aber alle Länder angesichts der Konsumschwäche im eigenen Land erst recht auf Exporte. Wie die OECD schreibt, leiden überdies überall die unteren Schichten am stärksten. Damit erhält auch das Argument einer noch geringeren Nachfrage von Pettis und Klein zusätzliches Gewicht. Aus diesen Gründen ist weiter mit heftigen Streitigkeiten um den Aussenhandel zu rechnen.
Davon ist die Schweiz nicht ausgeschlossen. Bereits steht sie bei den Amerikanern unter Beobachtung, den Franken zu manipulieren, um sich Exportvorteile zu verschaffen. Die Entwicklungen in der globalen Wirtschaft bleiben für unsere besonders offene Volkswirtschaft Grund zu grösster Sorge.
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