Jetzt kommt der Handelskrieg nach Europa
Mit China herrscht Waffenstillstand, nun knöpfen sich die USA die Europäer vor. Das kann auch die Schweiz betreffen.
Mit der Vereinbarung zwischen China und den USA vom 13. Dezember scheint die Auseinandersetzung der beiden Weltmächte an Dramatik verloren zu haben. Das zumindest suggeriert die Reaktion der Weltbörsen auf den Phase-I-Deal: Sie verbuchen weltweit Kursgewinne. Dennoch kommt das renommierte Prognose-Institut Oxford Economics zum Schluss, eine erneute Eskalation des Handelskriegs bleibe die grösste Gefahr für die Kapitalmärkte im neuen Jahr.
Vieles im Phase I-Abkommen zwischen China und den USA bleibt vage, Wesentliches bleibt offen, und nur wenige der eingeführten Zölle werden abgebaut. In den letzten beiden Jahren hat sich mancher scheinbare Durchbruch als Irrtum herausgestellt, und was die Amerikaner vereinbart zu haben glaubten, haben die Chinesen anders interpretiert. Unterzeichnet ist ohnehin noch nichts.
Europa neu im Fokus
Doch unabhängig von der tatsächlichen Bedeutung des Phase-I-Abkommens: Grund zur Sorge haben jetzt vor allem die Europäer, denn die Amerikaner wollen sich nun ihnen zuwenden. Im neuen Jahr dürften sie im Zentrum des Handelskriegs stehen.
Dies umso mehr, als die Trump-Administration auch auf dem eigenen Kontinent mit den Handelspartnern Mexiko und Kanada zu einer Einigung gekommen ist. Das neu ausgehandelte USMCA-Abkommen – als Nachfolger des Nafta-Vertrags – stösst auf breite Zustimmung in den USA. Am Freitag hat das Repräsentantenhaus bereits seinen Segen dazu gegeben. Das ist die gleiche Parlamentskammer, die mehrheitlich für das Impeachment von Donald Trump gestimmt hat.
«Sehr unausgeglichenen Beziehung»
Ein Warnschuss für Europa war ein Interview von Robert Lighthizer bei Trumps Lieblingssender Fox in dieser Woche. Der Handelsbeauftragte, der auch den Deal mit China ausgehandelt hat, machte dort deutlich, dass sich die Amerikaner an den Handelsüberschüssen der Europäer gegenüber den USA stören. Im ablaufenden Jahr dürften sie sich auf 180 Milliarden Dollar summieren.
Lighthizer sprach in diesem Zusammenhang von einer «sehr unausgeglichenen Beziehung». Es gebe viele Hindernisse im Handel mit Europa und viele andere Probleme, die nun angegangen werden müssten: «Sich mit den Europäern zu befassen, ist sehr wichtig, und der Präsident fokussiert jetzt darauf», erklärte der US-Handelsbeauftragte und wurde damit in der Weltfinanzpresse zitiert.
Ungewisse Folgen für die Schweiz
Weil Europa als Markt für Endprodukte aus der Schweiz – aber auch im Zusammenhang mit deren Wertschöpfungsketten – die grösste Bedeutung für hiesige Unternehmen hat, sind die Aussichten auf eine solche verschärfte Auseinandersetzung auch aus Schweizer Sicht beunruhigend.
Welches Unternehmen aber wie betroffen wäre, lässt sich noch nicht sagen, denn noch ist offen, welche Massnahmen die Amerikaner über die bereits beschlossenen hinaus gegen die Europäer ergreifen könnten.
Direkt betroffen durch Massnahmen der USA sind Schweizer Unternehmen bisher durch Zölle auf Stahl und Aluminium der USA. Nicht nur politisch, sondern ebenfalls wirtschaftlich motiviert sind zudem die erst eben verkündeten Sanktionen gegen Unternehmen, die sich am Pipeline-Projekt North Stream II beteiligen.
«Sich mit den Europäern zu befassen, ist sehr wichtig, und der Präsident fokussiert jetzt darauf.»
Davon sind allerdings nur wenige in der Schweiz ansässige Unternehmen betroffen – vor allem der Offshore-Dienstleister Allseas mit weltweit 4000 Mitarbeitern. Ihm haben die US-Senatoren Ted Cruz und Ron Johnson bereits mit «potenziell vernichtenden rechtlichen und wirtschaftlichen Sanktionen» gedroht. Mit der Pipeline wollen die Europäer russisches Gas zur Sicherstellung der Energieversorgung kaufen. Über das Meer verschifftes Flüssiggas aus den USA wäre wesentlich teurer.
Schwerwiegend für Europa – und die Zulieferer aus der Schweiz – wären vor allem Zölle auf europäische Automobile. Solche hat die Trump-Regierung schon früher angedroht. Nachdem Trump eine Untersuchung mit dem Argument einleiten liess, die Autoimporte aus Europa würden die nationale Sicherheit der USA gefährden (das gleiche Argument hat er schon für die Zölle auf Stahl und Aluminium vorgebracht), hätte er bis zum 14. November Zölle einführen müssen. Nachdem diese Frist verstrichen ist, muss er neue Argumente vorbringen.
Die Amerikaner lassen aber keinen Zweifel daran, dass Massnahmen gegen europäische Fahrzeuge weiter möglich bleiben.
Die Europäer schiessen zurück
Zölle auf europäische Produkte im Wert von 7,5 Milliarden Dollar haben die USA bereits im Oktober erhöht. Das hat die Welthandelsorganisation WTO den USA als Vergeltung für Subventionen des Flugzeugbauers Airbus zugestanden.
Weiter verschärft haben sich die Handelsbeziehungen Anfang Dezember, als Robert Lighthizer Zölle von bis zu 100 Prozent auf französische Konsumprodukte wie Champagner, Wein, Käse oder Luxushandtaschen angekündigt hat. Das ist eine Vergeltung der USA, weil Frankreich im ablaufenden Jahr eine Steuer auf die Erlöse von vorwiegend amerikanischen Internetkonzernen eingeführt hat.
Keine Beruhigung im Handelsstreit
Die Europäer wehren sich ihrerseits mit harschen Tönen gegen die US-Drohungen: Die EU-Staaten würden gemeinsam und im gleichen Ausmass auf die Einführung der Zölle gegen Frankreich reagieren. Dies hat der neue Handelsbeauftragte der EU, der Ire Phil Hogan, gegenüber dem französischen Finanzminister Bruno Le Maire deutlich gemacht. Und Hogan droht den Amerikanern aber auch unabhängig davon mit Massnahmen, weil sie das oberste Schiedsgericht der Welthandelsorganisation WTO und damit die Funktion dieser Organisation lahmgelegt haben.
Weil die USA die Ersatzwahl eines Richters für den sogenannten Appellate Body verhindern, ist das Gremium entscheidungsunfähig geworden, und Handelsstreitigkeiten können bei der WTO nicht mehr wie vorgesehen geregelt werden. Die Europäer wollen sich das nicht bieten lassen und denken sogar über eine Ersatzlösung nach. Eine nachhaltige Beruhigung im Handelsstreit sieht anders aus.
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