Kommentar zur EU-ImpfstrategieFür den Abgesang auf Ursula von der Leyen ist es zu früh
Die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen muss bei ihrer Impfstrategie gegen Corona jede Woche neue Rückschläge hinnehmen. So wird das nichts mit «Europas Moment».
Ursula von der Leyen hat hohe Erwartungen geweckt, und das rächt sich jetzt. Die EU-Kommissionschefin verkündete «Europas Moment» und versprach überhaupt eine Erfolgsgeschichte. Jetzt, da der Erfolg der Impfstrategie ausbleibt oder sich zumindest verzögert, hagelt es massive Kritik. Die Ungeduld ist nach einem Jahr Pandemie gross.
Weshalb nur kommt die befreiende Impfkampagne nicht schneller voran? Der Plan, die Verträge mit den Herstellern gemeinsam auszuverhandeln, war sicher richtig. Deutschland als grosses und wirtschaftsstarkes Land hätte es allein zwar möglicherweise schneller geschafft, ärmere und auch kleinere EU-Staaten wären dabei aber leer ausgegangen oder hätten sehr lange warten müssen.
Klotzen statt zögern
Wie schwierig die Beschaffung für einen einzelnen Staat sein kann, sieht auch die Schweiz. Die Bestellung bei AstraZeneca, dem zweitwichtigsten Lieferanten im Portfolio, war nur als Teil einer Sammelbestellung Schwedens möglich. Israel und Grossbritannien sind nur bedingt Impfvorbilder. Beide Länder haben auf die Herstellerhaftung beziehungsweise auf Datenschutz verzichtet, und zudem sind dort die Infektionszahlen sehr hoch.
Klar, die EU hätte schneller abschliessen, weniger zögern und mehr klotzen müssen. Das gilt übrigens auch für die Schweiz. Aber im Nachhinein ist man immer schlauer. In der EU standen hier auch einige jener Regierungen auf der Bremse, die jetzt Brüssel kritisieren. Für den Abgesang auf Ursula von der Leyen ist es also noch zu früh. Weniger vollmundige Ankündigungen und eine offene Kommunikation könnten helfen. Nicht ausgeschlossen übrigens, dass es in Europa Impfstoff bald im Überfluss gibt. In wenigen Wochen sollen mehrere Hersteller für ihre Vakzine die Zulassung bekommen. Von den bestellten 2,7 Milliarden Impfdosen könnte die EU dann wie geplant an ärmere Länder etwas abgeben, auch im Sinn des Bekenntnisses gegen den Impfnationalismus. Vielleicht wird doch noch etwas aus der Erfolgsgeschichte von Ursula von der Leyen.
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