Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Mamablog: Kindheit im Wandel
Früher war alles besser?

Ab 1998 auch mit Farbbildschirm: Der Gameboy brachte Videogames aus der Spielhalle ins Kinderzimmer.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Geliebte, gefürchtete Vorweihnachtszeit. Du füllst nicht nur unsere Terminkalender und verführst uns zum Konsumrausch. Nein, du betörst auch mit süssen Düften und Klängen aus längst vergangenen Zeiten. Oh bittersüsse Nostalgie. Und das, obwohl ich gar nicht sonderlich nostalgisch bin und des weihnachtlichen Nostalgie-Marketings gewahr.

Manchmal erwischt es mich eben doch. Vielleicht gerade jetzt umso mehr, wo die Feiertage vielerorts pandemiebedingt wieder nicht so verbracht werden können, wie lange erhofft. Nostalgie wärmt wie Omas Wollsocken beim Pippi-Langstrumpf-Schauen an Heiligabend.

Ungeteilte Begeisterung für Kästner

Nostalgie, die wehmütige und sehnsuchtsvolle Rückbesinnung auf vergangene Zeiten. Klingt erstmal etwas angestaubt. Dabei hat die Nostalgie – zumindest die persönliche – ihren schlechten Ruf nicht verdient. Studien aus der Nostalgieforschung zeigen, dass ein gewisses Mass an Nostalgie sogar wichtig ist für das psychische Wohlbefinden. Wenn man es nicht übertreibt.

So gebe ich mich guten Gewissens nostalgischen Momenten hin. Etwa, wenn ich an meinen Heimatort fahre, alte Fotos anschaue. Auch das Elternsein birgt natürlich Nostalgie: Nochmal Kind sein dürfen, Lagerfeuer, Sterne gucken, Lego bauen. Oder auf die Bücherheldinnen und -helden der eigenen Kindheit treffen.

Und so war die Freude gross, als meine beiden Töchter in das Alter kamen, in dem ihnen Kästners «Doppeltes Lottchen» gefallen könnte. Wie habe ich das Buch als Kind geliebt! Ihr Blick, als ich ihnen meinen alten Band freudestrahlend entgegenstreckte: erst zurückhaltend, dann höflich interessiert. So richtig begeistert waren sie nicht. Und obwohl ich das natürlich akzeptierte, etwas enttäuscht war ich schon.

«Schaut doch lieber Bullerbü»

Und es stimmte mich nachdenklich. So wurde das herumliegende «Doppelte Lottchen», das ja schon in meiner Kindheit ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel hatte, zum Sinnbild: Es ist ihre Kindheit, es sind ihre Lieblingsbücher und -sendungen. So sehr sie uns auch gegen den Strich gehen mögen: Es ist nicht an uns, zu urteilen und zu quengeln: «Was schaust du denn für einen Quatsch! Schau lieber die ‹Kinder von Bullerbü›!»

Ihre Gegenwart wird einmal ihre Nostalgie-Momente erzählen. Darum lohnt es sich, genauer hinzusehen, statt die eigene Nostalgie auf die Kinder zu projizieren. Und: So gerne man auch in diese alten Welten eintaucht, manchmal ist man doch auch ernüchtert beim erneuten Lesen oder Schauen. Vielleicht, weil in der Erinnerung alles intensiver ist. Oder man staunt über veraltete Frauenbilder und andere Weltanschauungen.

Es liegt in der verklärenden Natur der Nostalgie, dass unser Gedächtnis einen Filter einbaut.

Manchmal aber scheinen die Grenzen zwischen persönlichen Erinnerungen und der Zeit selbst zu verschwimmen. Auf Facebook schleudern einem ganze Gruppen kollektive Nostalgierufe entgegen: «Die 90er, die unbeschwerte Kinderzeit!» Das oft dahinterstehende Narrativ: «Früher war alles besser!» «Wir hatten noch eine echte Kindheit!»

Birgt aber dieses pauschale Glorifizieren, auf die Spitze getrieben, nicht die Gefahr, das Jetzt unserer Kinder als weniger wertvoll abzutun? Auch ist bei kollektiver Nostalgie natürlich vor allem dann Vorsicht geboten, wenn sie sich in Untertönen politischer Rhetorik wiederfindet. Aber das ist ein anderes Thema.

Dinge, die ich nicht vermisse

Und ja, es gab Dinge in den 90er-Jahren, an die ich mich gerne zurückerinnere: an meine CD-Sammlung, Roxette, Stickeralben, «Forrest Gump» oder an den Gameboy, den es heute sogar als Umhängetasche bei Zara gibt. Aber genauso gab es auch Dinge, die ich nicht vermisse: versehentlich überspielte Kassetten, die Wahl zwischen Telefon und Internet, Schokoladenzigaretten, stinkende Telefonkabinen, Diddl-Mäuse oder Plateau-Sneaker von Buffalo.

Es war lange nicht alles rosig. Aber es liegt eben in der verklärenden Natur der Nostalgie, dass unser Gedächtnis einen Filter einbaut. Und das ist ja auch okay, solange wir nicht zu sehr darauf beharren und offen bleiben für das, was unsere Kinder heute bewegt.