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«Äusserst besorgniserregend»
Friedensforscher: Zahl einsatzbereiter Atomwaffen steigt

In this July 4, 2015 photo, visitors walk in the rain next to now known as Atomic Bomb Dome in Hiroshima, western Japan. On Aug. 6, 1945, a U.S. plane dropped an atomic bomb on Hiroshima, the first nuclear weapon has been used in war. Japan surrendered on Aug. 15, ending World War II. (AP Photo/Eugene Hoshiko)
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Die Atommächte setzen angesichts zahlreicher internationaler Konflikte verstärkt auf eine nukleare Abschreckung. Die Anzahl der einsatzbereiten Atomsprengköpfe steigt kontinuierlich, wie aus dem am Montag veröffentlichten Jahresbericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri hervorgeht. Zwar würden ausrangierte Sprengköpfe demontiert und die weltweite Zahl der Kernwaffen sinke seit Jahrzehnten. Zugleich würden aber immer mehr Sprengköpfe einsatzfähig gehalten.

Auch die Anzahl der in der Entwicklung befindlichen Kernwaffen hat laut Sipri zugenommen, da Staaten verstärkt auf nukleare Abschreckung setzen. Vom weltweiten Gesamtbestand der schätzungsweise 12’121 Sprengköpfe im Januar 2024 befanden sich etwa 9585 in militärischen Lagerbeständen für den potenziellen Einsatz. Rund 3904 dieser Sprengköpfe waren auf Raketen und Flugzeugen bestückt – 60 mehr als im Januar 2023. Der Rest befand sich laut Bericht in Zentrallagern.

USA und Russland dominieren bei Atomwaffenbestand

Insgesamt neun Länder verfügen nach Angaben des Instituts über Atomwaffen. Spitzenreiter sind die USA und Russland. In ihren Beständen befinden sich etwa 90 Prozent aller nuklearen Sprengköpfe. Grossbritannien rangiert auf dem dritten Platz gefolgt von Frankreich, China, Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel. Deutschland besitzt solche Waffen nicht.

Zusätzlich zu ihren militärischen Beständen haben Russland und die USA jeweils mehr als 1200 Sprengköpfe, die zuvor aus dem Militärarsenal genommen wurden und nach und nach abgebaut werden.

epa11407645 A still image taken from a handout video made available by the Russian Defence Ministry press-service shows Russian servicemen operating a non-strategic nuclear missile for Iskander operational-tactical missile system during the second stage of tactical nuclear drills of Russian and Belarus armed forces at an undisclosed location, 13 June 2024. In accordance with the decision of the President of the Russian Federation, the second stage of the exercise of non-strategic nuclear forces has begun. The exercises are aimed at maintaining the readiness of personnel and equipment of units for the combat use of non-strategic nuclear weapons of Russia and Belarus, the Russian Ministry of Defense said.  EPA/RUSSIAN DEFENCE MINISTRY PRESS S HANDOUT Eds note: tip of missile blurred at source HANDOUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES HANDOUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES

«Während die Gesamtzahl der nuklearen Sprengköpfe weltweit weiter sinkt, da die Waffen aus der Zeit des Kalten Krieges allmählich abgebaut werden, steigt die Zahl der einsatzbereiten Nuklearsprengköpfe leider weiterhin von Jahr zu Jahr», sagte Sipri-Direktor Dan Smith in dem Bericht. Die Friedensforscher erwarten eine Fortsetzung und Beschleunigung des Trends, was «äusserst besorgniserregend» sei.

China erstmals auch auf höchster Alarmbereitschaft

Etwa 2100 der eingesetzten Sprengköpfe wurden auf ballistischen Raketen in hoher Alarmbereitschaft gehalten, hiess es. Nahezu alle diese Sprengköpfe gehörten Russland oder den USA. Erstmals soll aber auch China einige Sprengköpfe in hoher Alarmbereitschaft halten.

Das dortige allgemeine Atomwaffenarsenal stieg von 410 im Januar 2023 gezählten Sprengköpfen auf 500 im Januar 2024. «China baut sein Atomwaffenarsenal schneller aus als jedes andere Land», sagte Sipri-Experte Hans Kristensen. Doch ausnahmslos alle nuklear bewaffneten Staaten hätten Bestrebungen, die Bestände weiter aufzustocken.

epa10539754 People watch the news at a station in Seoul, South Korea, 24 March 2023. According to the official Korean Central News Agency (KCNA), North Korea tested a new underwater nuclear attack drone on 21 March capable of spawning a 'radioactive tsunami' and stealthily attacking enemies. North Korea also conducted cruise missile drills on 22 March, using 'a test warhead simulating a nuclear warhead.' The drills were conducted amid continued US-South Korean joint military exercises.  EPA/JEON HEON-KYUN

Auswirkungen auf internationale Beziehungen

Dabei will sich aber keiner so recht in die Karten schauen lassen. Die Transparenz in Bezug auf die Nuklearstreitkräfte der beiden führenden Länder habe nach Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine im Februar 2022 abgenommen, beklagen die Sipri-Experten. Auch in den übrigen Ländern sei die Transparenz zurückgegangen. An Bedeutung gewonnen habe hingegen die Debatte über Vereinbarungen zur gemeinsamen Nutzung von Atomwaffen.

«Wir haben seit dem Kalten Krieg nicht mehr erlebt, dass Atomwaffen eine so herausragende Rolle in den internationalen Beziehungen spielen seit dem Kalten Krieg», sagte Wilfred Wan, Leiter des Sipri-Programms für Massenvernichtungswaffen.

Diplomatie leidet unter russischem Verhalten

Die Atomdiplomatie hat seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 mehrere Rückschläge erlitten. Kremlchef Wladimir Putin hatte im Februar 2023 den Abrüstungsvertrag «New Start» – den letzten grossen atomaren Abrüstungsvertrag mit den USA – ausser Kraft gesetzt. Dieser begrenzt die Atomwaffenarsenale beider Länder und regelt Inspektionen. Auch Gespräche über ein Nachfolgeabkommen für den 2026 auslaufenden Vertrag wurden auf Eis gelegt.

Im November 2023 zog Russland seine Ratifizierung des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBT) zurück und begründete dies mit einem «Ungleichgewicht» gegenüber den USA, die den Vertrag nicht ratifiziert hatten, seit er 1996 zur Unterzeichnung aufgelegt wurde. Zuletzt kündigte Russland im Mai 2024 taktische Atomwaffenübungen nahe der ukrainischen Grenze an.

DPA/roy/fem