Vorwurf des MenschenhandelsFrauenhasser Andrew Tate verhaftet – nach Twitter-Ohrfeige von Greta Thunberg
Der «König der toxischen Maskulinität» lief bei der Umweltaktivistin auf – und verriet den Behörden dann offenbar auf Social Media aus Versehen seinen Aufenthaltsort.

Das ist nicht ganz nach Plan verlaufen: Zwei Tage nachdem er gegenüber Klimaaktivistin Greta Thunberg auf Twitter den Auto-Macho raushängen liess, ist der frühere Kickbox-Profi Andrew Tate in Rumänien festgenommen worden. Der ehemalige Kickboxer wurde seit April wegen Verdachts auf Menschenhandel und wegen Vergewaltigungsvorwürfen gesucht.
Dem Social-Media-Star wurde nun offenbar ein Video zum Verhängnis, in dem eine Pizzaschachtel eines Lieferdiensts ihn verraten haben soll. Das Video postete der «König der toxischen Maskulinität», wie er sich nennt, als Reaktion auf eine Twitter-Ohrfeige, welche er von Umweltaktivistin Greta Thunberg erhalten hatte. Tate provozierte die Schwedin zuerst, indem er protzte, wie viele umweltschädliche Autos er besitze. Ihre Antwort war kurz und traf den Frauenhasser mit einem bekannten Klischee über Besitzer fetter Sportwagen unter der Gürtellinie.
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Für die schlagfertige Reaktion («Ja, bitte erleuchte mich. schick mir ein e-mail an kleinerschwanzenergie@machwasausdeinemleben.com»), wird Thunberg auf Twitter gefeiert. Ihr Tweet hat bereits 3,2 Millionen Likes gesammelt und ist damit einer der zehn beliebtesten aller Zeiten. Sie erreichte damit weit mehr Aufmerksamkeit als Tate, dessen jahrelange Twitter-Sperre erst kürzlich von Elon Musk aufgehoben wurde.
Tate antwortete mit einem «Wie kannst du es wagen?!» und fühlte sich von der jungen Schwedin offenbar herausgefordert. Nach mehreren hasserfüllten Nachrichten postete er ein Video, welches den rumänischen Behörden offenbar entscheidende Hinweise gegeben haben soll, dass sich Tate im Land befand und ein Zugriff möglich war.

Man habe die Spezialeinheiten aufgeboten, nachdem man auf Social Media mehrere Hinweise sah, dass sich Tate und sein Bruder in Rumänien aufhielten, schreiben die Behörden. Welche Hinweise das genau waren, sagte die Staatsanwaltschaft nicht. Spekuliert wurde, dass auch eine Pizzaschachtel eines rumänischen Lieferdiensts eine Rolle gespielt hatte. Mehrere dieser Kartons waren im Video zu sehen, welches an Greta Thunberg gerichtet war.
Tate wurde daraufhin gemeinsam mit seinem Bruder Tristan in Bukarest festgenommen, teilte die rumänische Anklagebehörde mit. Es habe eine Razzia in der Wohnung der beiden in Bukarest gegeben, auch eine Villa in Pipera und andere Adressen wurden demnach durchsucht.
Nach Tates Festnahme gab es viele hämische Kommentare. So schrieb eine Nutzerin ironisch, dass sie Musk rückblickend Recht geben müsse, denn «die Twitter-Wiederzulassung von Andrew Tate war ein Beitrag zum Kampf gegen Menschenhandel». Und auch Thunberg legte bei Twitter noch mal mit gehörig Humor nach und schrieb am Freitag: «Das passiert, wenn man seine Pizzakartons nicht recycelt.»
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Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft bestritt am Freitagmittag allerdings, dass der Karton für die Festnahme eine Rolle spielte, wie sie auf Anfrage der Agentur dpa sagte. Welche Hinweise zum Aufenthaltsort der Tate-Brüder führten, blieb hingegen unklar.
Klar sind hingegen die Vorwürfe gegen Tate, seinen Bruder und zwei Rumänen, die ebenfalls festgenommen wurden. Sie hätten eine kriminelle Bande gebildet, mit dem Ziel, «Frauen zu rekrutieren, unterzubringen und auszubeuten», wie die für Organisiertes Verbrechen zuständige Sondereinheit der rumänischen Staatsanwaltschaft schreibt. Man habe sechs Frauen ausfindig machen können, die von den Verdächtigen ausgebeutet worden seien.
Die bisher sechs nachgewiesenen Opfer seien nach der sogenannten Loverboy-Methode rekrutiert worden, heisst es in einer Mitteilung der Behörden. Sie seien mit Versprechen auf Liebe und Heirat angelockt worden. Danach habe man die Frauen und Mädchen mit Gewalt und Einschüchterung in verschiedenen Wohnungen in der Umgebung von Bukarest festgehalten. Dort seien sie zum Sex und zu Auftritten in pornografischen Videos gezwungen worden, die dann in sozialen Medien verbreitet worden seien. Eines der Opfer sei zudem zwei Mal von einem der Festgenommenen vergewaltigt worden.
Die Ermittlungen gegen die beiden Brüder liefen bereits seit Monaten. Schon im April stürmte die Polizei Tates Wohnsitz aufgrund einer Untersuchung wegen organisiertem Verbrechen und Terrorismus. Seither stand er wegen Vorwürfen von Menschenhandel und Vergewaltigung wieder auf der Fahndungsliste.
Er will Männer wieder männlich machen
Doch wer ist dieser Andrew Tate, der mit gezielten Provokationen Millionen scheffelt?
In Chicago geboren und im englischen Luton als Sohn eines professionellen Schachspielers und einer Catering-Assistentin aufgewachsen, strebt Emory Andrew Tate III, der auch unter dem Alias «King Cobra» bekannt ist, früh eine Karriere als professioneller Kickboxer an. Er erringt tatsächlich viele Siege, wird 2013 sogar Weltmeister. Doch dann verlagert sich sein Fokus darauf, Ruhm ausserhalb des Sports zu finden – egal wie.
Frauen können nicht Auto fahren, sind Eigentum ihrer Männer und dürfen im Falle eines Kreislaufstillstands nur wiederbelebt werden, wenn sie «heiss» sind – das sind alles Aussagen von Andrew Tate in seinen misogynen Tiktok-Videos. Auf der Social-Media-Plattform kursierten Tausende Clips, in denen der Ex-Kickboxer seine höchst problematischen «Lebensweisheiten» teilte – etwa dass Männer nur 18- bis 19-jährige Frauen daten sollten, da diese noch leicht zu «beeinflussen» seien.
Doch erstaunlicherweise sorgt Tate damit nicht nur für Entsetzen, sondern findet unter jungen Männern weltweit Fans. Und das macht Frauenorganisationen Sorge. Rund 11 Milliarden Mal wurden Videos, in denen Tate zu sehen ist, innert weniger Monate angeklickt. Der 35-Jährige zählte somit zeitweise zu den grössten Stars auf Tiktok – bis er im August schliesslich aufgrund seiner Inhalte gesperrt wurde. Auch andere Social-Media-Plattformen wie Instagram oder Youtube sperrten den umstrittenen Frauenhasser, auf Twitter wurde er vom neuen Besitzer Elon Musk aber wieder zugelassen.
Dass ihm die Inszenierung von Reichtum wichtig ist, zeigte davor sein Instagram-Profil. Hier prahlt der durchtrainierte Mann mit Glatze bei seinen Millionen Followern mit seinem protzigen Lifestyle. Der ist verziert mit Reisen im Privatjet, seinem Fuhrpark voller Sportwagen oder seinen mit Diamanten besetzten Luxusuhren.
Das selbst ernannte Ziel des «Königs der toxischen Maskulinität», wie er genannt wird: Er will Männer wieder männlich machen. Denn wie Tate in einem Video-Clip moniert, bestehe «das Problem der heutigen Gesellschaft darin, dass Männern von Frauen gesagt wird, wie sie Männer sein sollen». Auch auf seinem Instagram-Profil gab sich Tate deshalb gerne betont männlich und machoid: Am liebsten posierte er oben ohne – etwa beim Nunchaku-Schwingen auf einer Jacht oder mit einer AK-47 in den Händen auf einem schnellen Töff.
Wie er in seinem Podcast «Jet Talk with Andrew Tate» klarmacht, will der Selbsthilfe-Guru auch anderen Männern zeigen, wie sie zu einem «richtigen Mann» werden. In seinen Tweets propagiert er seine Idealvorstellung von Männlichkeit mit Aussagen wie «wahre Männer weinen nicht» oder «Männer ohne Stolz und Ehre sind Frauen mit Schwä****».
Zudem sollten sie laut Tate nicht monogam leben, weil die Idee lediglich geschaffen worden sei, um den Mann bis zu einem «gewissen Grad zu unterdrücken». Dabei sei ein Mann viel selbstsicherer, wenn man «mehrere Frauen gleichzeitig hat oder zumindest viele Frauen, die einen anbeten». Kein Wunder, kommt er so gut an.
Minderjährige besuchen seine Online-Schule
Besonders essenziell ist laut Tate aber, dass «wahre Männer» viel Geld verdienen – er selbst behauptet schliesslich, ein Trillionär und somit reicher als Elon Musk zu sein. In Tat und Wahrheit dürfte sich Tates Vermögen jedoch gemäss verschiedenster Schätzungen auf weit weniger, nämlich rund 25 Millionen Dollar belaufen.
Nach eigenen Aussagen verdient Tate sein Geld unter anderem mit Casinos, die er in Rumänien besitzen soll. Zudem hat Tate eine eigene Online-Schule gegründet, wo er seine Lehren verbreitet. In der sogenannten «Hustlers University» lernen junge Männer laut der Website alles über den Finanz- und Kryptomarkt, um ebenfalls reich zu werden. Die Masche zieht: Über 200’000 Mitglieder zählt seine Online-Schule gemäss Tate, der an jedem Abonnenten rund 50 Franken pro Monat verdient.

Dazu gehören auch Teenager, wie ein Testimonial zeigt, wonach ein 13-Jähriger dank E-Commerce monatlich 10’000 Dollar Umsatz gemacht haben soll. «No Bullshit», steht auf der Website der «Hustler University». «Schnall dich an, es ist Zeit, reich zu werden. Entkomme der Matrix und dem 9-to-5-Hamsterrad. Nimm die rote Pille», heisst es weiter.
Die Anspielung auf den dystopischen Sci-Fi-Film hat bei Tate Programm – wie er in Podcast-Interviews sagt, sieht er sich selbst als Morpheus, der seine Neos aufweckt, um die Matrix-Simulation zu durchbrechen. Man müsse «das System» bekämpfen und alle indoktrinierten Botschaften verlernen, um erfolgreich zu werden.
Seine Fans manipulierten den Tiktok-Algorithmus
Doch de facto rekrutiert Tate mittels seiner Online-Schule lediglich Anhänger, um seinem eigenen System zu dienen. Wie Recherchen des «Observer» zeigen, wurden Tates «Schüler» angewiesen, Tiktok mit seinen Videos zu überschwemmen, um den Tiktok-Algorithmus gezielt zu manipulieren. Dies erklärt auch, weshalb auf der Plattform Tausende Nachahmerkonten existieren, die ausschliesslich Tate gewidmet sind.
Um möglichst viele Klicks zu generieren, sollten die Schüler besonders kontroverse Sequenzen aus seinen Podcast-Interviews hochladen. Das zahlte sich für sie aus: Für jedes angeworbene Mitglied sollten seine Schüler eine Provision von 48 Prozent des Mitgliedschaftspreises erhalten – alles Merkmale eines ausgeklügelten Schneeballsystems.
Mit der Aufhebung des Twitter-Banns kann Tate nun wenigstens auf einer wichtigen Plattform wieder auf Klickjagd. Mit seiner Provokation an die Adresse von Greta Thunberg und anderen Umweltschützern kämpft er dabei wohl gezielt wieder um die ganz grosse Aufmerksamkeit.
Doch Tate ist weit mehr als nur ein kalkulierter Geschäftsmann, der sein Business mit der bewussten Provokation macht. Dass hinter Tate’s frauenfeindlichen Aussagen nicht nur leere Worte stecken, zeigen gleich mehrere Vorfälle in den letzten Jahren.
Im Jahr 2016 nimmt Tate in der britischen Version von Big Brother teil – und wird prompt rausgeschmissen. Der Grund dafür sind zwei Videos, die während der Ausstrahlung der Sendung auftauchen. In einem ist zu sehen, wie er eine Frau mit einem Gürtel schlägt, in einem anderen fordert er eine Frau auf, die blauen Flecken zu zählen, die er ihr offenbar zugefügt hatte. Obwohl Tate und die betroffenen Frauen behaupten, dass die Clips einvernehmliche Sex-Rollenspiele zeigen, ist Tates TV-Karriere gestorben. Sein Drang, in der Öffentlichkeit zu stehen, jedoch nicht.
Zu seinen Kumpels zählen ultrarechte Trump-Supporter
So gerät Tate später wegen rassistischer und homophober Tweets in die Kritik oder wegen seiner Aussage, dass Depressionen «nicht real» seien. Als Tate dann während der #MeToo-Bewegung im Jahr 2017 twittert, dass Frauen «eine gewisse Verantwortung» für Vergewaltigungen tragen sollten, wird sein Account vom Kurznachrichtendienst gesperrt.
Doch der Shitstorm, der auf seine Tweets folgt, verhilft ihm nur zu mehr Ruhm – und bringt ihm äusserst fragwürdige Freundschaften mit Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern ein. So tritt Tate mehrmals im Podcast «InfoWars» des verurteilten Spinners Alex Jones auf. Dieser wurde erst kürzlich für seine Lügen über das Sandy-Hook-Massaker verurteilt und muss fast eine Milliarde US-Dollar Schadenersatz zahlen. Zudem trifft sich Tate, der ein ausgesprochener Trump-Supporter ist, mit Donald Trump Jr. oder mit Ali Alexander, der später die «Stop the Steal»-Bewegung und den Sturm auf das Kapitol mitorganisiert haben soll.
Vor allem ab 2018 kommt Tates Frauenhass zutage. In Podcast-Interviews sagt der 35-Jährige, dass seine Frauen nicht alleine mit Freundinnen in Clubs oder in Restaurants dürften, sondern zu Hause bleiben müssten. Auf die Frage, was er mit seiner Freundin machen würde, wenn er merken würde, dass sie ihn betrügt, antwortet Tate: «Ich hol die Machete raus, schlag sie ihr ins Gesicht und halte sie sehr fest am Nacken!»
Als Tate zusammen mit seinem Bruder Tristan von Grossbritannien nach Rumänien zieht, deutet er in einem Video an, dass es dort einfacher sei, sich einer Vergewaltigungsanklage zu entziehen. Dies sei «wahrscheinlich 40 Prozent des Grundes», warum er nach Rumänien gezogen sei, sagt Tate und fügt hinzu: «Ich bin kein Vergewaltiger, aber ich mag die Vorstellung, einfach tun zu können, was ich will. Ich mag es, frei zu sein.»
Korrektur vom 30.12.2022, 13:13 Uhr. In einer ersten Version dieses Text hiess es, dass ein Video von Andrew Tate entscheidende Hinweise auf seinen Aufenthaltsort gab, etwa wegen einer Verpackung eines rumänischen Pizzalieferanten. Die Sprecherin der rumänischen Staatsanwaltschaft bestritt die «Pizzakarton-Spekulation» am Freitagmittag. Der Artikel wurde entsprechend angepasst. Gültig bleibt, dass gemäss der Staatsanwaltschaft «verschiedene Hinweise auf Social Media» zur Verhaftung führten. Welche Hinweise das genau waren, ist nicht bekannt.
SDA/anf/lif
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