Regierungskrise in FrankreichMacron: «Bleibe bis Ende der Amtszeit 2027 Staatspräsident»
Nach dem Misstrauensvotum reichte Premier Barnier seinen Rücktritt ein. Am Abend äusserte sich Präsident Macron zu den Ereignissen.
Nach dem Sturz der bisherigen französischen Regierung durch ein erfolgreiches Misstrauensvotum der Opposition hat Präsident Emmanuel Macron einen Rücktritt ausgeschlossen. Er werde bis Ende seiner Amtszeit 2027 im Amt bleiben, betonte Macron am Donnerstag in einer Ansprache an die französische Bevölkerung.
Er kündigte an, innerhalb von wenigen Tagen einen Nachfolger für Michel Barnier zu benennen, der zuvor offiziell seinen Rücktritt als Premierminister eingereicht hatte. «Wir können uns weder Spaltungen noch Stillstand leisten», sagte er in einer Ansprache an die Nation am Donnerstagabend.
In Berichten wird teils darüber spekuliert, dass Macron gerne noch vor der feierlichen Wiedereröffnung von Notre-Dame mit zahlreichen internationalen Staatschefs am Samstag wieder mit einem Premier dastehen möchte. Erste Gespräche führte der Präsident bereits.
Vorwürfe an Opposition
Macron warf der Opposition antirepublikanisches Verhalten vor. Die Regierung sei gefallen, «weil die Rechtsextreme und die Linksextreme sich zu einer antirepublikanischen Front vereinigt haben», sagte er. Mit Blick auf die einstige Volkspartei der Sozialisten, deren Abgeordnete ebenfalls gegen die Regierung stimmte, sagte Macron: «Die Kräfte, die gestern noch in Frankreich regiert haben, haben beschlossen, ihnen zu helfen.»
Einige wollten nun ihm die Verantwortung für die Situation zuschreiben. Er habe seine Verantwortung stets eingeräumt. Aber: «Ich werde nicht die Verantwortung der anderen auf mich nehmen, vor allem nicht von Parlamentariern, die sich bewusst dazu entschieden haben, den Haushalt und die Regierung Frankreichs wenige Tage vor den Weihnachtsfeiertagen zu Fall zu bringen.»
Rücktritt von Premier Michel Barnier nach Misstrauensvotum
Am Mittwochabend hatten das Linksbündnis und die Rechtsnationalen von Marine Le Pen im Parlament die erst seit drei Monaten amtierende Regierung im Streit um einen Sparhaushalt gestürzt. Durch den Schulterschluss des rechten und linken Blocks war die Mitte-Rechts-Regierung von Premierminister Michel Barnier zu Fall gebracht worden – es war das erste Mal seit mehr als 60 Jahren, dass ein solches Misstrauensvotum im Unterhaus, der Nationalversammlung, Erfolg hatte. 331 der 577 Abgeordneten sprachen sich dafür aus, dem Kabinett von Barnier das Vertrauen zu entziehen. Nötig waren mindestens 288 Stimmen.
In der Nationalversammlung hat keines der drei grossen Lager eine eigene Mehrheit. Macron hatte nach der letzten Wahl im Sommer zwei Monate gebraucht, um einen Premier zu ernennen, der die Minderheitsregierung anführte. Auch diesmal dürfte es nicht einfach werden, da sich an den Mehrheitsverhältnissen nichts geändert hat. Gemäss der französischen Verfassung könnte es erst wieder im Juli eine Neuwahl geben.
Populisten streben nach Präsidentenamt
Der Rechtsnationalen Marine Le Pen und dem Altlinken Jean-Luc Mélenchon wird aus dem Regierungslager vorgeworfen, die politische Krise in Frankreich anzufachen. Ihnen gehe es darum, Macron vorzeitig zu Fall zu bringen, um dann selbst bei einer vorgezogenen Präsidentschaftswahl anzutreten. Macron kann nach zwei Amtsperioden nicht erneut kandidieren.
Macron steht nun unter Zugzwang, die Krise schnell zu lösen. Einerseits ist ihm daran gelegen, zügig eine stabile und handlungsfähige Regierung zu finden. Dies würde ihn für den Rest seiner Amtszeit aus der politischen Schusslinie bringen.
Andererseits steht das hochverschuldete Frankreich unter dem Druck von Brüssel, rasch einen Sparhaushalt zu beschliessen und seine öffentlichen Finanzen zu sanieren. Dies ist auch nötig, um nachhaltigen wirtschaftlichen Schaden vom Land abzuwenden, denn das Vertrauen der Unternehmen und Finanzmärkte ist durch die politische Hängepartie beschädigt. Diese hält im Grunde seit dem Sommer an – seit der vorgezogenen Parlamentswahl, die Macron nach der Europawahl überraschend veranlasst hatte.
Frankreich und Deutschland gleichzeitig in der Krise
Ausserdem wäre angesichts des Ukraine-Kriegs, der Unsicherheit vor dem Antritt des künftigen US-Präsidenten Donald Trump und der Spannungen im Welthandel eigentlich ein starkes Frankreich auf internationalem Parkett gefragt, das nicht von heimischen Problemen und Haushaltsfragen gelähmt wird. Auch fällt in der EU mit dem gleichzeitigen Schwächeln von Frankreich und Deutschland, wo im Februar früher als geplant ein neuer Bundestag gewählt wird, der treibende Motor aus.
Der Ausweg aus der Krise in Frankreich ist nicht einfach, denn die seit der Wahl bestehenden schwierigen Kräfteverhältnisse im Parlament bleiben vorerst bestehen. Weder das linke Lager, das die Parlamentswahl im Sommer gewann, noch Macrons Mitte-Kräfte und auch nicht die Rechtsnationalen um Le Pen haben eine eigene Mehrheit. Die Regierungssuche dürfte erneut schwierig werden. Dass es am Ende für mehr als eine Minderheitsregierung reicht, scheint unwahrscheinlich.
DPA/anf
Fehler gefunden?Jetzt melden.