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Macron paktiert mit Rechten
Le Pen triumphiert – Frankreich verschärft Gesetz zur Einwanderung stark

epa11037832 French member of Parliament for far-right Rassemblement National (RN) party Marine Le Pen listens during a debate on the new immigration bill at the National Assembly in Paris, France, 19 December 2023. A compromise on this very bill was found earlier on Tuesday in a joint commission of members of Parliament and Senators after it was rejected by Parliament last week. The far right party Rassemblement National decided to vote in favor of the text that hardens France's immigration policy.  EPA/Mohammed Badra
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«Psychodrama» – so nennt es die Zeitung «Le Monde», und vielleicht ist das noch untertrieben. In einer fiebrigen Nachtsession hat das französische Parlament ein neues, kontroverses Einwanderungsgesetz verabschiedet: Es verschärft den Umgang mit Ausländern im Land viel markanter, als es das Regierungslager ursprünglich vorgehabt hatte.

Es ist Frucht eines Kompromisses mit der Rechten. Nach dem Senat, wo die Konservativen über eine klare Mehrheit verfügen, hat auch die fragmentierte Assemblée nationale dem Gesetz zugestimmt, kurz vor Mitternacht und nach letzten Krisensitzungen: mit 349 zu 186 Stimmen.

Innenminister Gérald Darmanin, der seit Monaten für ein neues Gesetz geworben hatte, wies darauf hin, dass man auch ohne die Stimmen des extrem rechten Rassemblement national von Marine Le Pen eine Mehrheit erreicht habe. Aber stimmt das auch? Zieht man ihre 88 Stimmen ab, steht tatsächlich noch eine Mehrheit. Hätten die Lepenisten aber gegen das Gesetz gestimmt, wäre das Gesetz durchgefallen. Sie waren also entscheidend. Und so konnte Le Pen ziemlich unwidersprochen von einem «grossen ideologischen Sieg», den ihre Partei da errungen habe.

Vorrang für Franzosen

Das neue Gesetz führt das Prinzip des nationalen Vorrangs für gewisse Sozialleistungen ein. Die «préférence nationale» ist eine alte Forderung der Le Pens, von Vater Jean-Marie früher und von Tochter Marine jetzt. Sie galt bisher immer als konträr zum republikanischen Geist, als rote Linie für das moderate Lager.

Das neue Gesetz sieht nun vor, dass arbeitslose Ausländer erst nach fünf Jahren ein Recht auf Sozialleistungen haben, etwa auf Wohngeld. Ausländer mit einer Arbeit können die Zuschüsse nach dreissig Monaten beantragen. Ziel ist es, Migranten möglichst davon abzuschrecken, nach Frankreich zu kommen. Kritiker dieses Artikels sagen, er schwäche die Schwächsten und mache deren Lebensumstände noch prekärer, als sie ohnedies schon sind. Allerdings ist fraglich, ob das Verfassungsgericht diesen Passus genehmigt.

Kinder bekommen Pass nicht mehr automatisch

Das gilt auch für einen weiteren umstrittenen Punkt im Gesetz: Kinder von Ausländern, die in Frankreich geboren sind, sollen die Staatsbürgerschaft nicht mehr automatisch erhalten wie bisher, sondern müssen die Einbürgerung, so sie die denn wünschen, zwischen ihrem 16. und 18. Lebensjahr aktiv beantragen. So verwirkt das «Ius soli», das Geburtsortrecht.

Bürgern mit doppelter Staatsbürgerschaft kann die französische entzogen werden, wenn sie ein Vergehen gegen einen Staatsbeamten begangen haben. Der Tatbestand des «irregulären Aufenthalts», der während der Präsidentschaft des Sozialisten François Hollande abgeschafft worden war, wird nun wieder eingeführt und mit einer Geldstrafe geahndet.

Weiter sieht das neue Gesetz vor, dass jedes Jahr Quoten für die Einwanderung festgelegt werden. Und eine neue Hürde gibt es für Studenten, die aus Nicht-EU-Staaten kommen: Sie müssen eine Kaution hinterlegen, wenn sie in Frankreich studieren wollen.

French President Emmanuel Macron addresses a media conference at the conclusion of an EU summit in Brussels, Friday, Dec. 15, 2023. European Union leaders concluded a second day of meetings on Friday in which they discussed, among other issues, the situation in Gaza. (AP Photo/Omar Havana)

Das neue Gesetz ist ein Kompromiss, den die «Macronisten», die seit den Parlamentswahlen von 2022 auch in der Nationalversammlung keine absolute Mehrheit mehr haben und deshalb auf Stimmen aus der Opposition angewiesen sind, mit der rechtsbürgerlichen Partei Les Républicains geschlossen haben. In Immigrationsfragen sind die früheren Gaullisten mittlerweile den Positionen der extremen Rechten sehr nahe.

Innenminister Darmanin hatte zunächst versucht, Stimmen aus dem bürgerlichen wie dem linken Lager zu gewinnen, mit Zugeständnissen an beide Seiten. Der Linken hatte er in Aussicht gestellt, dass der Aufenthalt von Ausländern, die bisher ohne Papiere in Sektoren mit mangelnden Arbeitskräften tätig sind, etwa auf dem Bau oder in der Gastwirtschaft, legalisiert werden würde. Dagegen stemmte sich wiederum die gesamte Rechte. Im Senat verabschiedeten sie eine sehr rechte Version von Darmanins Gesetzesvorlage; man dachte, die Schärfe diene vor allem der Umgarnung der Wähler.

Als der Innenminister dann vor einer Woche eine abgeschwächte Fassung des Gesetzes in die Nationalverfassung trug in der Hoffnung, wenigstens genügend Republikaner und Linke für sich zu gewinnen für eine knappe Mehrheit, scheiterte er damit schon vor der Debatte des Textes: Die Grünen hatten nämlich einen Ablehnungsantrag vorgelegt. Und zur grossen Verwunderung der Regierung und der Medien nahm den die gesamte Opposition an, von ganz links bis ganz rechts – eine empfindliche Niederlage für den ambitionsreichen Innenminister. Darmanin reichte seinen Rücktritt ein. Doch Macron wies den zurück und pochte auf eine schnelle Wiederaufnahme der Diskussionen.

A protester shouts slogans during a demonstration against a controversial immigration bill as lawmakers and senators are set to vote on the flagship reform at Invalides Square in Paris on December 19, 2023. (Photo by Dimitar DILKOFF / AFP)

Nun sollte eine paritätisch zusammengesetzte Parlamentskommission aus Senatoren und Abgeordneten einen Kompromiss aushandeln, jedoch auf der Basis des einzigen bereits verabschiedeten Gesetzestexts: jenes aus dem Senat also, der harten Version. So gaben plötzlich die Républicains den Ton an. Ohne ihren Zuspruch, so war klar, würde das Gesetz nicht durchkommen. Und die Republikaner nutzten ihre Stellung für einige ihrer maximalen Forderungen, die nun mal sehr nahe an denen von Marine Le Pen sind. Die Regierung musste fast alle schlucken, um ihr nunmehr stark verändertes Gesetz durchzubekommen.

Der linke Flügel von Macrons Partei Renaissance ist aufgebracht gegen den Präsidenten und dessen Innenminister: Zwanzig Deputierte stimmten gegen das Gesetz, 17 enthielten sich der Stimme. Gesundheitsminister Aurélien Rousseau ist aus Protest gegen das Gesetz zurückgetreten.