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Kontroverser Ex-Chef von Frontex
Er war Europas oberster Grenzschützer, nun wechselt er zu Marine Le Pen

(FILES) In this file photo taken on November 16, 2021 Fabrice Leggeri, head of the EU's border agency Frontex, poses for a photo at the Frontex headquarters in Warsaw. The former director of the EU border agency Frontex, Fabrice Leggeri, announced on February 17, 2024 he had joined France's far-right National Rally (RN). Leggeri, who resigned from Frontex in 2022 while under investigation by the EU's anti-fraud office OLAF, said he had joined the party's list for the European elections in June. (Photo by JANEK SKARZYNSKI / AFP)
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Frankreichs extreme Rechte feiert einen weiteren Triumph, eine politische Beute. Fabrice Leggeri, 55 Jahre alt, ein hoher Funktionär der Republik, ausgebildet an den Eliteschulen, von 2015 bis 2022 Exekutivdirektor der europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache, tritt bei den Europawahlen im kommenden Juni für den Rassemblement National von Marine Le Pen an.

In der gesamten Geschichte der Partei, die früher Front National hiess und lange von Marines Vater Jean-Marie Le Pen geführt wurde, war es den Randständigen der französischen Politik nicht gelungen, ein solches Profil für sich zu gewinnen: einen Exponenten aus der administrativen Elite des Landes. Die verschrie man früher zwar immer. Für die nun angestrebte Normalisierung der Partei aber braucht man auch sie.

Leggeri ist nun gar die Nummer 3 auf der Wahlliste. Zieht man alle aktuellen Umfragen heran, ist seine Wahl sicher: Die Lepenisten werden auf 30 Prozent geschätzt, weit vor Renaissance, der Partei von Präsident Emmanuel Macron. (Lesen Sie auch die Analyse «Marine Le Pen profitiert vom Chaos und schürt es».)

Eurokrat – ich?

Leggeri, so hört man, hat offenbar parallel auch mit den bürgerlichen, in Migrationsfragen aber ähnlich radikalen Républicains verhandelt. Doch da war die Gewinnchance viel kleiner. Und überhaupt, findet man in Frankreich, folgt der Quereinstieg des stets kontroversen früheren Chefs von Frontex bei der extremen Rechten einer gewissen Kohärenz, einer inneren Logik.

Er redet auch wie sie. «Wir sind entschlossen», sagte Leggeri in einem Interview in der ebenfalls rechten Sonntagszeitung «Journal du Dimanche», «die Überflutung mit Migranten zu bekämpfen – die Europäische Kommission und die Eurokraten halten sie nicht für ein Problem, eher für ein Projekt.» Er blendet dabei etwas schnell aus, dass er selbst ein «Eurokrat» war.

epa09131073 Members of the Turkish Coast Guard take migrants, who were allegedly pushed back from the Greece side, on a boat during a patrol to search and rescue for migrants offshore the Ayvalik district in Balikesir, Turkey, 10 April 2021 (issued 12 April 2012). The Greek island of Lesbos hosts one of the hotspots, an initial reception centers for migrants in European Union. Turkish authorities told epa/Efe that in 2020 around 45 percent of migrants rescued in the Aegean Sea had been pushed back from Greek territory. Most common cases involve migrant vessels being stopped by a Greek patrol when entering Greek waters, but the Turkish coastguard says it has heard lots of migrants describing 'delayed pushback,' when people are returned to the sea days after they reached Lesbos. According to Turkish officials, in this case, a Greek patrol carries the detained migrants to the limit of Greek territorial waters before putting them in a life raft and alerting Ankara.  Since the beginning of 2021, Turkey has rescued around 2,700 migrants in the Aegean Sea, and some 1,900 migrants from a pushback.  The Norwegian NGO Aegean Boat Report claims, some 558 people have been abandoned on 35 life rafts at sea so far in 2021. Some such incidents have ended with fatalities, the organizations claimed.  EPA/ERDEM SAHIN  ATTENTION: This Image is part of a PHOTO SET

Frontex mit Sitz in Warschau ist eine grosse Behörde, und in Leggeris Amtszeit wurde sie immer grösser: Ihr Budget wurde versechsfacht, bis 2027 soll die Agentur 10’000 Beamte zählen. Aber Leggeri ist jetzt Politiker.

Man wird in den kommenden Wochen also viel über Immigration reden in Frankreich, zwangsläufig – und vielleicht auch etwas eingehender über Leggeris Vita und seine Bilanz bei Frontex.

Razzia in seinem Büro, dann tritt er zurück

Der Elsässer kam in Mülhausen zur Welt, studierte Geschichte an der École Normale Supérieure, absolvierte dann die École Nationale d’Administration, Frankreichs Schmiede für die angehende Verwaltungsspitze des Landes, und arbeitete danach vor allem in eher unscheinbaren Chargen im Innenministerium. Seine Beförderung in Europa vor neun Jahren verdankte er den Sozialisten und François Hollande, der damals französischer Präsident war. Es waren intensive erste Jahre, aus Syrien kamen Hunderttausende Flüchtlinge nach Europa.

Mit der Zeit geriet Leggeri immer wieder in die Schlagzeilen. Es wurde ihm vorgeworfen, er zentralisiere die Entscheidungsmacht bei Frontex, behandle das Personal nicht so, wie sich das gehöre, respektiere das interne Reglement der Agentur nicht. So weigerte er sich etwa, vierzig Leute zu rekrutieren, die für die Einhaltung der Grundrechte im Umgang mit Migranten hätten eingestellt werden sollen. Und bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ging er offenbar nicht immer transparent vor.

President of French far-right Rassemblement National (RN) group at the National Assembly Marine Le Pen, arrives to attend a ceremony to pay tribute to the 42 French citizens killed and to all the victims of the Hamas assault on Israel last October 7, four months after the attacks, as the conflict between Israel and Palestinian Islamist group Hamas continues in the Gaza enclave, in the courtyard of the Hotel des Invalides in Paris on February 7, 2024. The ceremony pays tribute to the French and French-Israeli citizens killed in the attack on Israel by Hamas and the three others still missing, believed to be held hostage. (Photo by GONZALO FUENTES / POOL / AFP)

Vor allem aber hing ein dramatischer Verdacht über Fabrice Leggeri. Er soll vertuscht haben, dass Migranten im Mittelmeer illegal zurückgedrängt wurden, mit sogenannten Pushbacks – zurück an den Ausgangspunkt ihrer Überfahrt nach Europa. Und das, obschon sie dort offensichtlich nicht sicher waren, etwa in Libyen. Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass bei solchen Operationen Hunderte Menschen ums Leben gekommen sind.

2020 leitete das europäische Amt für Betrugsbekämpfung eine Untersuchung wegen mutmasslicher Unregelmässigkeiten bei der Amtsführung ein, Leggeris Büro wurde durchsucht. Er selbst sagte, die Ermittler hätten nichts gefunden. 2022 trat er aber zurück, der Druck war dann doch zu gross geworden.

Erster Auftritt: Menton, ewiger Brennpunkt der Migration

Nun will sich Leggeri als heldenhafter, aber verhinderter Kämpfer verstanden wissen; als einer, der ja gerne noch mehr getan hätte gegen die Migration, der aber an den Mühlen Europas abgeprallt sei. Marine Le Pen, die früher die Grenzschützer von Frontex als «Empfangshostessen» für Migranten verhöhnt hatte, begeht ihren prominenten Fang so: «Für uns ist es sehr interessant, jemanden zu haben, der Verantwortung trug und den Franzosen sagen kann, dass wir immer recht hatten.»

Seinen ersten öffentlichen Auftritt im neuen Gewand sollte Leggeri am Montag an der Seite von Jordan Bardella haben, dem jungen Präsidenten des Rassemblement National, Nummer 1 auf dessen Wahlliste bei den Europawahlen. Man kann wohl davon ausgehen, dass sie nicht lange hatten beraten müssen über die passende Location. Die Wahl fiel auf Menton, die Grenzstadt im äussersten Südosten des Landes: da Frankreich, dort Italien. Und dazwischen das bevorzugte politische Kampffeld der Rechten.