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Fragen an Hans Ulrich Obrist
Gibt es künstlerischen Fortschritt?

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«Fortschritt» ist eine Vokabel, die impliziert, dass das Ältere minderwertig ist. Dieser Auffassung stimme ich gar nicht zu, deshalb nehme ich statt «Fortschritt» lieber das Wort «Entwicklung». Und natürlich entwickelt sich die Kunst. Hinter jedem Kunstwerk steht eine Person, die mit ihren Gedanken, ihrem Können und dem, was sie beeinflusst, etwas Neues schafft.

Kürzlich war ich an der Art Basel Hong Kong und habe diese Reise wie immer mit einer Reihe von Ausstellungsbesuchen verbunden. In der exquisiten Empty Gallery stiess ich auf das bemerkenswerte Werk zweier legendärer Künstler aus Hongkong. Wucius Wong, geboren 1936, und der zehn Jahre jüngere Leung Kui-Ting zeigten dort Zeichnungen auf Papier, die mich einerseits an die traditionelle chinesische Tuschemalerei erinnerten, die aber etwas völlig Eigenes daraus machten. Auf meine Bitte hin arrangierte der Galerist ein Treffen.

Wucius Wong, «River Journey N0 2» aus dem Jahr 1986. Werke zweier Künstler an der Schnittstelle von Zeiten und Kulturen.

Wucius Wong, der Ältere der beiden, erzählte, dass er in Hongkong Malerei studiert habe, dann aber nach Amerika ging und dort die Pop-Art und die Op-Art kennengelernt habe, den Abstrakten Expressionismus und das Design der Bauhaus-Schule. All das nahm er in sich auf, vor allem das Design, dem er mehrere Bücher widmete, wollte sich aber nicht von seiner künstlerischen Herkunft trennen und interpretierte die malerische Tradition Chinas deshalb auf seine eigene Weise.

In seinen Tuschezeichnungen vermischen sich figürliche und abstrakte Formen, er experimentierte mit digitaler Kunst, und auch wenn er Sujets der Tradition aufnimmt wie Flüsse und die schwerelos wirkenden Felsen aus der Kunst der Song-Dynastie (960–1279), so filtert er sie doch durch seinen Geist und seine Hände und leitet und trägt sie in die Gegenwart.

Leung Kui-Ting, «Landscape and Geometric Structures N0 1» aus dem Jahr 2008.

Leung Kui-Ting, der Jüngere der beiden, hat die reine geometrische Form in das Figürliche integriert – und Versuche unternommen, Öl- und Tuschemalerei zu kombinieren. Das ist mehr als ein rein technisches Experiment, denn das Material der Kunst ist immer auch Träger von Traditionen und Bedeutung. Er hat die Paradigmen der chinesischen wie der westlichen Kunst hinterfragt und Mischformen erfunden. Genau das, sagt er, sei auch immer die Stärke Hongkongs gewesen, dass es beide Welten, und oft das Beste von West und Ost, zusammenbringen kann. Beide, Wucius Wong und Leung Kui-Ting, haben ihr ganzes Leben lang Dinge zusammengebracht und Neues ausprobiert, sie sind schöpferische, mutige Entwickler.

www.emptygallery.com/

Hans Ulrich Obrist ist künstlerischer Direktor der Serpentine Galleries in London.