Tödlicher Absturz in GrenchenEin falsch geöffneter Schirm, ein beschädigtes Flugzeug – und der Pilot war chancenlos
Ein Fallschirmspringer wurde aus einem Kleinflugzeug gerissen – und beschädigte dabei dessen Steuerung. Jetzt werden neue Details zum tragischen Unfall bekannt.
Die Funksequenz geht durch Mark und Bein. Viermal erklingt der Hilferuf «Mayday!» «Mayday!» «Mayday!» «Mayday!» Abgesetzt aus der kleinen Transportmaschine des Fallschirmvereins Skydive Grenchen. Im Hintergrund ist Tumult hörbar. Dann nichts mehr.
Der Lotse im Kontrollturm von Bern-Belp, der kurz zuvor mit dem Piloten in Kontakt stand, versucht die Maschine mit ihrem Rufzeichen TPC zu erreichen. «Tango Papa Charlie, do you read?» Vergeblich. Das Flugzeug kracht aus rund 4000 Metern Höhe nahezu senkrecht zu Boden. Es ist kurz nach 14 Uhr am Sonntag, dem 18. Februar 2024.
Reserveschirm öffnet sich ungewollt
Knapp 20 Minuten zuvor steht die Maschine des Typs Pacific Aerospace 750XL – genannt «Pac» – startklar auf der Piste vom Flugplatz in Grenchen. Ihr Cockpit hat zwar links ein grosses Fenster, aber keine Aussentüren. Der Pilot hat sie – wie die elf Fallschirmspringer, die er an Bord genommen hat – über die Öffnung im Rumpf bestiegen. Schliessen lässt sich diese ähnlich wie ein Rollladen, den die Springer jeweils aufschieben, kurz bevor sie sich in die Tiefe stürzen.
Das tun die elf Springer der Pac an diesem Tag, doch der Flug läuft nicht wie geplant. Wie die Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) in ihrem Vorbericht vom Dienstag schreibt, kommt es beim Absetzen der Fallschirmspringer zu einem Zwischenfall: Der Reserveschirm einer Person, die sich noch im Flieger befindet, öffnet sich ungewollt.
Das kann zum Beispiel passieren, wenn ein Schirm nicht gründlich kontrolliert, schlecht gewartet oder gelagert wird. Grund dafür kann aber auch ein unglücklicher Zufall sein. Etwa, wenn der Griff des Notschirms irgendwo hängen bleibt und ihn auslöst. So oder so, dies geschieht mit einiger Wucht. Schliesslich sorgt eine vorgespannte Feder dafür, dass ein kleiner Hilfsschirm mehrere Meter aus seinem Behälter springt. Dieser ist es, der den Reserveschirm aus dem Rucksack herauszieht.
Doch schiesst dieser Hilfsschirm bei einer verfrühten Auslösung zur Tür eines Flugzeuges heraus ins Freie, führt dies dazu, dass sich der Notschirm öffnet – und den Springer mitreisst.
Springer kollidiert mit dem Flugzeug
Wie sich das beim Unfall in Grenchen in den Details zugetragen hat, ist nicht bekannt. Im Vorbericht der Sust heisst es aber: «Der Fallschirmspringer kollidierte in der Folge mit dem Höhenleitwerk.» Damit stabilisiert der Pilot die Maschine und hält sie waagrecht. Die Kollision mit dem Springer hat das Höhenleitwerk «vollständig vom Flugzeug abgerissen». Die Folge: Die Pac stürzt sofort ab.
Noch an Bord befindet sich ihr Pilot. Laut Sust trug er keinen Rettungsfallschirm. Einen solchen tragen Piloten in verschiedenen Bereichen der Fliegerei. Meist dann, wenn das Risiko erhöht ist, dass das Flugzeug beschädigt und dadurch nicht mehr kontrollierbar wird – etwa beim Absetzen von Fallschirmspringern. Laut mehreren Experten existiert in diesem Fall keine Pflicht, einen Rettungsschirm zu tragen.
Ob ein Schirm beim Unfall von Grenchen dem Piloten das Leben hätte retten können, ist Spekulation. Auch mit einem Rettungsschirm hätte er erst seine Gurte lösen und aus der Fensterluke oder der Sprungöffnung klettern müssen, bevor das steil abstürzende Flugzeug auf den Boden prallte.
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