Flugzeugunglück in TokioWie die Flight-Attendants Hunderte Menschen aus der brennenden Maschine retteten
Nach der Kollision zweier Flugzeuge in Tokio zeigen Augenzeugenberichte, wie knapp fast 400 Menschen dem Tod entkommen sind.
Mitte Dezember gab die internationale Non-Profit-Organisation Flight Safety Foundation (FSF) mit Sitz in Alexandria im US-Bundesstaat Virginia eine Erklärung von grosser Dringlichkeit ab. Die FSF stellte einen Aktionsplan für mehr Sicherheit auf Start-und-Lande-Bahnen vor und rief zu weltweiten Anstrengungen gegen die Gefahr von Zusammenstössen auf. Das Risiko sogenannter runway incursions, also von Störungen auf einer genutzten Flugpiste durch Flugzeuge, Fahrzeuge oder Personen, die dort ohne Erlaubnis unterwegs sind, sei eine «globale Sorge», sagte FSF-Geschäftsführer Hassan Shahidi in dem Statement. Sie werde wegen des zunehmenden Flugverkehrs noch grösser, wenn Flugindustrie, Behörden und Experten keine koordinierten Gegenmassnahmen ergreifen würden.
Da konnte Hassan Shahidi noch nicht ahnen, dass knapp drei Wochen später in Tokio ein verheerender Unfall passieren sollte, der zeigt, wie recht seine Organisation mit ihrer Warnung hat.
Der Zusammenstoss auf der Start-und-Lande-Bahn des internationalen Flughafens Haneda am Abend des 2. Januar war ein Schock für alle, die regelmässig mit dem Flugzeug unterwegs sind. Nach der Kollision des Airbus A350 der Japan Airlines mit 379 Menschen an Bord mit einer kleineren Maschine der japanischen Küstenwache, die gerade mit Hilfsgütern ins Erdbebengebiet aufbrechen wollte, stellt man sich auf der ganzen Welt die Frage: Wie konnte das passieren?
Es gibt noch keine klare Antwort auf diese Frage. Die Untersuchungen laufen. Experten warnen vor voreiligen Schlüssen, die Faktoren eines solchen Vorfalls seien komplex. Aber am Mittwoch veröffentlichte das Verkehrsministerium immerhin eine erste Erkenntnis, die Japan Airlines entlastete – lesen Sie hier mehr dazu: «Cleared to land»: Funkverkehr-Protokoll zeigt die Minuten vor der Kollision.
«Bitte kooperieren Sie!»
Der JAL-Airbus war gerade gelandet, als er die Maschine der Küstenwache, eine Bombardier DHC-8, erfasste. Das Flugzeug der Küstenwache war knapp 26 Meter lang und 7,49 Meter hoch. Der JAL-Airbus war 66 Meter lang und 17,05 Meter hoch. Wie ein grosser lodernder Pfeil schoss er nach der Kollision die Rollbahn hinunter. Laut Transportministerium kam er nach 1000 Metern zum Stehen.
Dass die Menschen im JAL-Flug 516 sicher aus der Maschine kamen, hatte mit der professionellen Reaktion der Flight-Attendants zu tun. Die Stimmung an Bord nach dem Zusammenstoss muss nah an der Panik gewesen sein. Kinder weinten, Erwachsene schrien.
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Die Zeitung «Asahi» hat die Momente im brennenden Airbus dokumentiert, unter anderem mit Verweis auf das Video eines Passagiers. Es zeigt den Blick aus dem Fenster auf das flackernde, orange Inferno. Es zeigt die dunkle, verrauchte Kabine. Passagiere rufen: «Holen Sie mich hier raus!» Flight-Attendants rufen zurück: «Bitte kooperieren Sie!» Die Sprechanlage war ausgefallen, deshalb mussten sie ihre Stimmen heben oder Megafone nutzen.
Die Flight-Attendants stellten fest, dass drei Notausgänge sicher waren, und leiteten die Leute dorthin, als das Flugzeug zum Stillstand gekommen war. «Lassen Sie Ihr Gepäck zurück», forderten sie. Über eine Notfallrutsche verliessen alle das Flugzeug. Manche rannten sofort weg, sobald sie die Rollbahn erreicht hatten. Es gab nur kleinere Verletzungen. Aber das Erlebnis in den Flammen dürfte viele Passagiere noch länger beschäftigen.
Ein 28-jähriger Angestellter, der in den Tagen zuvor beim Skifahren in Niseko gewesen war, erinnerte sich später, wie er die brennende Turbine sah: «Ich dachte, wenn das explodiert, ist das das Ende.» Ein 33 Jahre alter Mann aus Saitama, der mit Frau und zweijähriger Tochter auf dem Rückflug von einem Feiertagstrip zu den Schwiegereltern war, sagte: «Ich bin froh, dass meine Familie sicher ist, aber es war sehr beängstigend.»
Es wird noch etwas dauern, bis alle Fragen zu dem Unfall geklärt sind. Japans Behörde für Verkehrssicherheit hat ein sechsköpfiges Team mit den Untersuchungen beauftragt. Dieses wird nicht nur die Aufzeichnungen von Flugschreibern und die Kontrollturm-Kommunikation studieren, sondern auch Interviews mit Beteiligten führen und Indizien in den Trümmern suchen.
Aber zwei Lehren kann man wohl jetzt schon aus dem Unglück ziehen. Es braucht neue technische oder sonstige Lösungen für mehr Sicherheit auf Start-und-Lande-Bahnen. Und: Den Anweisungen des Flugpersonals zu folgen, ist eine lebensrettende Notwendigkeit.
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