Reaktionen auf Flughafenbericht«Es fehlt am Willen, die Nachtruhe durchzusetzen»
Der Kanton sieht das Lärmziel des Flughafens als erfüllt an. Roland Niesper, Gemeinderat von Rümlang, reagiert mit deutlichen Worten.

Ziele erreicht, Fluglärmindex unter Richtwert – so lautet das Fazit zum Flughafenbericht, den der Kanton am Donnerstag veröffentlicht hat. Unter die Ziele fällt auch das Thema Lärm. Es heisst: Der Kanton erwartet, dass die Betreiberin des Flughafens die Möglichkeiten ausschöpft, um die Lärm- und Luftschadstoffimmissionen zu begrenzen und zu verringern, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich tragbar ist. Der Kanton sieht diese Vorgabe als erfüllt an.
Dennoch: 2022 fanden 204 Flüge in der Nacht zwischen 23.30 und 6 Uhr statt. Für diese Flüge muss jeweils eine Sondergenehmigung erteilt werden. Mit dieser Zahl ist das Niveau von vor der Pandemie wieder erreicht. 4 von den 204 Flügen meldete der Kanton dem Bund aufgrund möglicher Verstösse gegen die Nachtflugordnung. Nach dem Corona-Einbruch ist auch der Fluglärmindex deutlich angestiegen. Dieser hat sich dem Richtwert angenähert, der vor der Pandemie über Jahre klar überschritten wurde.
Deutliche Worte aus Rümlang
Für Roland Niesper, der im Gemeinderat von Rümlang mit dem Flughafendossier betraut ist, ist das positive Fazit des Berichts symptomatisch für die Situation: «Es fehlt am Willen, die definierten Regeln zur Nachtruhe durchzusetzen. Niemand von den Verantwortlichen will sich bewegen.» Stattdessen schiebe man lieber die Lage im internationalen Luftraum oder die Witterungsverhältnisse als Gründe vor.

Es sei vor allem auch hinsichtlich der geplanten Pistenverlängerungen an der Zeit, die definierte Nachtruhe konsequenter einzuhalten und die Flugplanung entsprechend anzupassen. «Man kann heute fast schon von einer geplanten Ritzung der Nachtruhe sprechen.» Niesper anerkennt die grosse wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens für die Region. Er findet aber, dass das kein Grund sei, dass sich der Flughafen über politisch gesetzte Leitplanken hinwegsetze.
Für ihn fehlen griffige Massnahmen für den Lärmschutz. «Vor der Pandemie lag der Fluglärmindex jahrelang deutlich über dem Richtwert, diesmal nur knapp darunter.» Niesper ist überzeugt: «Die geplanten Pistenverlängerungen ändern wohl nichts an der Grundhaltung, dass Wirtschaftlichkeit und Gewinnmaximierung vor dem Schutz besonders betroffener Anwohnerinnen und Anwohner kommt.»
Appell an den Kanton
2022 waren gut 43’000 Personen tagsüber stark belästigt oder nachts stark im Schlaf gestört. Der Richtwert liegt bei 47’000 Personen. «Es ist ohne weiteres vorauszusehen, dass bereits 2023 eine deutliche Überschreitung des Richtwertes festgestellt werden wird», hält der Schutzverband der Bevölkerung um den Flughafen Zürich in einer Mitteilung fest. «Ohne dass gegen diese Entwicklung irgendwelche Massnahmen ergriffen würden.» Insbesondere die Zahl der im Schlaf gestörten Menschen nehme schnell und stark zu.
Es sei die Pflicht des Kantons, darauf hinzuwirken, dass der Richtwert nicht überschritten werde, heisst es weiter. Die Behörden hätten gemäss Flughafengesetz rechtzeitig, also allerspätestens jetzt, geeignete Massnahmen zu ergreifen und Einfluss auf die Betreiberin und den Bund zu nehmen. Der Kanton solle dafür sorgen, dass nachts keine Flugpläne mehr akzeptiert werden, die vorhersehbar nicht eingehalten werden können, dass nachts weniger Slots angeboten werden und dass die Lärmgebühren lenkungswirksamer gestaltet werden.
SP und Grüne fordern Reduktion
Die SP Kanton Zürich hat sich ebenfalls zum Flughafenbericht geäussert. Der Fluglärmindex liege nur noch knapp unter dem Richtwert. Zu erwarten sei, dass dieser im Jahr 2023 wieder überschritten werde. Die Partei fordert einen Absenkpfad, um die klimaschädlichen Auswirkungen und die Lärmbelastung des Flughafens zu bremsen.
«Der Flughafen und die Volkswirtschaftsdirektion zeigen wenig Ambitionen, den Flugbetrieb bevölkerungs- und klimaverträglicher zu gestalten», schreiben die Grünen Kanton Zürich in einer Mitteilung. Offensichtlich sei ihnen die Nachtruhe der Bevölkerung nicht mehr als ein Lippenbekenntnis wert. Der wirksamste Klima- und Lärmschutz bleibe nach wie vor die Reduktion der Flugbewegungen.
Der Verein Fair in Air, der sich unter anderem für eine striktere Einhaltung der Nachtruhe starkmacht, befürchtet ebenfalls, dass der Richtwert ohne Gegenmassnahmen in den kommenden Jahren nicht eingehalten werde. Der Verein bedauert, «dass im Bericht keine Angaben gemacht werden, wie der Lärmschutz für die belastete Bevölkerung in Zukunft eingehalten werden soll».
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