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Sport trotz Teil-Lockdown
Fitnessfans trainieren jetzt im Park, auf Parkplätzen und Terrassen

Ein Balboa-Training an der frischen Luft in Zürich: Die Kurse sind gut gebucht. 
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Du schwitzt. Die Arme schmerzen. «Einmal geht noch, come on!», schreit der Coach in deine Richtung, fast schon beleidigt, weil du aufgeben willst. Ein letztes Mal streckst du die Beine durch, mit den Armen wuchtest du die Gewichte gen Himmel. «Super, geht doch!», schreit er, diesmal merklich zufrieden. Du lächelst, schnaufst kurz durch, bist zufrieden. Für heute ist genug trainiert. Jetzt duschen. Den Muskelkater spürst du erst morgen. Bis dahin übernehmen die Endorphine.

Wem bei diesen Worten die Muskeln zucken und wer wehmütig an vergangene Group-Fitness-Stunden im Gym denken muss, dem sei gesagt: Nicht alles ist abgesagt. Es gibt durchaus Lösungen. Dafür muss man nicht einmal sein eigenes Wohnzimmer ausräumen, nur um dann während des Online-Work-outs behelfsmässig mit einer alten Yogamatte die Schweisstropfen aufzufangen. Outdoor-Training ist eine Lösung. Und damit ist nicht der altehrwürdige Vita-Parcours gemeint. Wobei auch der beliebter wurde während der Pandemie.

Die Fitnessstudios haben Wege aus der Krise gesucht, um ihren Kundinnen und Kunden trotz derzeit geschlossener Center das Training zu ermöglichen. Denn in der Pandemie sind sie gleich in mehrfacher Hinsicht Verlierer: Seit vergangenem März mussten sie immer wieder Einschränkungen hinnehmen, wurden geschlossen, mussten mit kleineren Gruppen trainieren. Derweil haben sich ihre Kundinnen und Kunden nach anderen Aktivitäten umgesehen, sich mit eigenen Geräten zu Hause aufgerüstet, unzählige Youtube-Anleitungen entdeckt, wo Fitnesstrainings gratis angeboten werden. (Lesen Sie hier mehr über die Fitnesstrends des Jahres 2021.)

Auch draussen gehört entsprechendes Equipment zum Training dazu. 

Doch für die eingefleischten Fitnessfans haben die Gyms landauf, landab reagiert: Outdoor-Training in Kleingruppen ist das Stichwort. Derzeit beschränkt auf Fünfergruppen inklusive Trainerin oder Trainer, ab Montag sind dann 15er-Gruppen erlaubt. Und die Angebote scheinen einen Nerv getroffen zu haben. «Es ist eine tolle Aktivität, wo die Leute – natürlich mit Abstand – jetzt noch Kontakte haben können», sagt Timo Klein. Er ist Head Coach bei Balboa in Zürich. Doch mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein seien diese Angebote nicht.

«Kundenbindung – mehr ist nicht möglich», sagt Raphy Biedermann vom Nextlevel Sports Club in Zürich. Doch zumindest seien die Kurse innert kürzester Zeit komplett ausgebucht gewesen.

Die ersten Monate im Jahr sind wichtig

In diesem Frühjahr trifft es die Fitnesscenter wiederum hart. In den ersten Monaten des Jahres sind traditionell Fitnessabos höher im Kurs – gute Vorsätze lassen grüssen – als im Rest des Jahres. Doch in diesem Jahr ist das anders, weil die Center zu sind. Das Problem: Selbst falls die Gyms im April wieder öffnen dürfen, werden sich wohl viele Kundinnen und Kunden gut überlegen, ob sie über den Sommer wieder ein Abo lösen wollen. So dürfte die Branche weiter darben.

Das ist mit ein Grund, warum die Gyms nun nach anderen Ideen suchen. Und weil Sport halt einfach draussen wunderbar funktioniert, sehen die Trainings nun so aus: Die Trainerin steht also vor vier Leuten, pusht sie zu Höchstleistungen, so wie immer. Nur dass nun im Park, auf Parkplätzen, auf Terrassen trainiert wird.

Und dies bringt spezielle Situationen mit sich: «Im Januar mit 20 Zentimeter Schnee oder Minustemperaturen morgens um halb sieben zu trainieren: Das ist schon aussergewöhnlich», sagt Timo Klein. Das Work-out in der Kälte hat Auswirkungen aufs Training selbst. «Intensiveres Aufwärmen ist ein Muss. Und die Kundinnen und Kunden müssen in Bewegung bleiben», sagt Raphy Biedermann. Klassisches Hanteltraining sei so nicht möglich, sehr intensive Intervalltrainings hingegen schon. Auch bei sehr kalten Temperaturen.

«Jetzt komme ich jeden Tag hierher und sehe: nichts. Absolute Ruhe. Das ist schwierig zu verdauen.»

Roger Rubi, Betreiber Muay Thai Shadow Boxing Gym

Roger Rubi, der in seinem Thaiboxclub auch Fitnessboxen in Brügg und Lyss im Kanton Bern anbietet, will das Outdoortraining nicht nur während der Pandemie anbieten. «Die Situation für uns ist sehr schwierig. Aber die Umstände haben uns gezwungen, neue Ideen aufzubauen. Und die werden wir auch künftig anbieten», sagt Rubi. Gerade im Sommer, wenn traditionell weniger Leute im Fitnesscenter trainieren, sei dies ein valabler Ersatz.

Trainieren unter den Bahngleisen am Viadukt in Zürich: Wegen der Pandemie sind solche und ähnliche Angebote häufiger geworden.

Um draussen zu trainieren, mussten die Gyms kreativ werden. Balboa hat einen Stadtguide für seine Coaches erstellt, um gute Trainingsorte zu verzeichnen. Trainiert wird aber auch auf Parkplätzen vor den Studios, wenn es denn möglich ist. Der Vorteil: Einige der Geräte lassen sich so doch noch zum Trainieren einsetzen.

Bei aller Freude der Kundinnen und Kunden und der Gym-Betreiber: Sie alle betonen, dass diese Ausweichmöglichkeiten nicht mehr sind als Lückenfüller, Unkostenbeiträge allenfalls.

Und dann ist da noch eine ganz andere Komponente: Was Rubi am meisten beschäftigt, sind nicht die momentan zögerlich ausbezahlten finanziellen Unterstützungsmassnahmen, sondern: «Wir hatten hier manchmal dreissig, vierzig Leute im Gym, die zusammen trainierten. Es rumorte, es wurde geschwitzt, geschrien. Jetzt komme ich jeden Tag hierher und sehe: nichts. Absolute Ruhe. Das ist schwierig zu verdauen.»

Lesen Sie hier mehr zu Ihren Rechten als Kundin oder Kunde eines Fitnessstudios, das wegen der Pandemie schliessen musste.