Lockerungen in IsraelGeimpfte Israelis dürfen wieder ins Fitnessstudio
Dank der einzigartigen Impfgeschwindigkeit: Israel lockert Corona-Einschränkungen – aber nur für Geimpfte, die sich mit einem digitalen Impfpass ausweisen können.
Gleich in der Früh hat sie sich auf den Weg gemacht. Mit ihren Sportsachen im Rucksack steht Varda Gal nun in einer Schlange vor dem Eingang zum Fitnessstudio im Tel Aviver Dizengoff Center. 68 Jahre alt ist sie und ziemlich tatendurstig, aber die paar Minuten Wartezeit kriegt sie nun auch noch rum. «Früher bin ich drei- bis viermal pro Woche hierhergekommen», sagt sie. «Aber ich weiss schon gar nicht mehr, wie lange das her ist.»
Im September vorigen Jahres muss das gewesen sein, denn seitdem waren die Gyms geschlossen in Israel. Doch an diesem Sonntag wurden sie wieder geöffnet. Nicht für alle allerdings, sondern nur für jene Glücklichen, die geimpft sind oder genesen vom Coronavirus – und die das nachweisen können mit einem Dokument, das Varda Gal nun auf ihrem Handy zeigt: «Grüner Pass» steht darauf geschrieben, und darunter ist ein QR-Code zu sehen, der ihr nun die Drehschranke öffnet zum Fitnessstudio. «Das ist doch wunderbar», sagt Varda Gal.
Neue Freiheit für ein Drittel der Bevölkerung
Der Grüne Pass soll in Israel bis auf weiteres exklusiven Zugang gewähren zu Fitnesszentren und Schwimmbädern, Hotels und Kulturveranstaltungen. Profitieren kann davon wegen der weltweit einzigartigen Impfgeschwindigkeit des Landes derzeit bereits rund ein Drittel der gut neun Millionen Einwohner – etwa 2,5 Millionen, deren zweite Impfung länger als eine Woche zurückliegt, plus 700’000 Menschen, die durch eine überstandene Infektion als immunisiert gelten.
Israels Regierung hat die Vorzugsbehandlung auch als Anreizinstrument entdeckt – und dass diese Strategie wirkt, bestätigt Varda Gal. «Ich bin eigentlich von dieser Impfung gar nicht so überzeugt, aber ich bin da hingegangen, weil ich den Grünen Pass haben wollte», sagt sie und verschwindet in Richtung Trainingsgeräte.
«Startet mit der Rückkehr ins Leben»
An die Impfzweifler und Zögerlichen hat sich auch Premierminister Benjamin Netanyahu gewandt, der sogleich in ein Fitnessstudio in Petach Biwa geeilt ist. Für die Kameras hat er dort sogar mit einer kleinen Hantel hantiert. Fürs Publikum zu Hause hatte er die Botschaft parat: «Geht zum Impfen, holt euch den Grünen Pass und startet mit der Rückkehr ins Leben.»
Ganz so komplikationsfrei ist das allerdings noch nicht. Die Website des Gesundheitsministeriums, auf der man den Pass herunterladen kann, ist gleich zu Beginn der Aktion unter dem Ansturm zusammengebrochen. Überdies gibt es wie in der Schweiz auch in Israel eine erste Privilegien-Diskussion.
Gefängnis für Impfpassfälscher
So hat ein Zusammenschluss von Hunderten Betreibern von Fitness- und Gesundheitsstudios auf die Öffnung am Sonntag verzichtet. Beklagt wird, dass die selektiven Zutrittsmöglichkeiten Kundenproteste provozieren und zu Betrügereien animieren würden. Tatsächlich kursieren schon Anleitungen zum Fälschen des Grünen Passes. Postwendend hat Gesundheitsminister Juli Edelstein den Fälschern bereits mit einer Gefängnisstrafe gedroht.
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Auch wenn Israel in Riesenschritten mit dem Impfprogramm voranschreitet und schon im März oder April alle Impfwilligen immunisiert sein könnten, ist ein Erfolg im Kampf gegen das Virus längst noch nicht gesichert. Zwar belegen die am Sonntag vom Gesundheitsministerium veröffentlichen jüngsten Zahlen noch einmal eindrucksvoll die Wirksamkeit des Vakzins. Demnach verhindert der in Israel eingesetzte Impfstoff von Pfizer/Biontech 95,8 Prozent der Corona-Erkrankungen und 98,9 Prozent der schweren oder tödlichen Verläufe. Auch die Neuinfektionen sind rückläufig.
Doch insgesamt sind die Zahlen immer noch hoch. In der vorigen Woche wurden täglich 3000 bis 5000 neue Fälle gemeldet. Verbreitet ist vor allem die britische Mutante, und betroffen, auch von schweren Verläufen, sind inzwischen viele Jüngere.
Die Restaurants öffnen am 7. März
Deshalb wird die Lockerung des dritten Lockdown in Israel nur schrittweise vollzogen. Noch bleibt die Hälfte aller Schüler im Zoom-Unterricht. Versammlungen ohne Grüne Pässe sind auf 10 Personen im Innern und 20 draussen beschränkt. Maskenpflicht gilt weiterhin überall in der Öffentlichkeit. Die Gastronomie soll frühestens im nächsten Schritt am 7. März wieder öffnen. Mindestens bis dahin bleibt auch der einzige internationale Flughafen des Landes geschlossen.
Doch immerhin haben am Sonntag nach rund zwei Monaten Pause auch die Geschäfte und Einkaufszentren wieder geöffnet. Überall locken Sonderangebote, die alte Ware muss raus, um Platz zu schaffen für die neuen Kollektionen. Dichtes Gedränge herrscht im Ladengewirr des Tel Aviver Dizengoff vor allem oben im zweiten Stock, wo Kostüme fürs Purimfest angeboten werden.
Nicht alle sind optimistisch
Der jüdische Karneval wird Ende dieser Woche gefeiert, und das bereitet einiges Unbehagen. Grosse Festveranstaltungen sind zwar verboten, doch private Feiern dürften schwer zu kontrollieren sein. «Ich mache mir grosse Sorgen wegen der nächsten Tage», hat Nachman Ash, der Corona-Beauftragte der israelischen Regierung, bereits verkündet – und bei einem erneuten Anstieg der Infektionszahlen auch einen vierten Lockdown nicht ausgeschlossen.
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