Corona-EntschädigungFirmen sollen leichter an Härtefallgelder kommen
Die Wirte haben übers Wochenende den Tonfall nochmals verschärft. Der Bundesrat signalisiert inzwischen deutliche Lockerungen bei den Regeln für Härtefälle.
Vielen Beizern, Kulturschaffenden und Ladenbesitzern geht es inzwischen ans Eingemachte. Besonders deutlich melden sich die Gastronomen zu Wort. Handle der Bund nicht sofort, stehe für seine Branche eine dritte Kündigungswelle an, warnt Gastro-Suisse-Präsident Casimir Platzer. Ohne schnelle Korrekturen des Bundesrats an dessen Hilfsprogramm bis Ende März werde fast die Hälfte der Betriebe eingehen.
Eine Onlineumfrage des Branchenverbandes von vergangener Woche bei über 4000 Betrieben zeigt, dass mit jeder Corona-Welle auch eine Kündigungswelle kommt. Fast 60 Prozent aller Betriebe, die während des vergangenen Jahres Kündigungen ausgesprochen haben, haben auch Ende Jahr Mitarbeitende entlassen müssen. Laut dieser Umfrage benötigen 98 Prozent der Betriebe dringend finanzielle Hilfe. Nur gerade 1,5 Prozent gaben an, dass sie auch ohne finanzielle Unterstützung durchkommen.
Bisher wenig bezahlt
Bundesrat, Parlament und Kantone versprechen Unternehmen in besonders schwer betroffenen Branchen zwar seit Monaten Hilfe über Härtefallentschädigungen. Doch bis heute ist nur wenig Geld geflossen: Von den 2,5 Milliarden Franken, die Bund und Kantone für Härtefälle bewilligt haben, sind gemäss «Handelszeitung» gerade mal 8,4 Millionen Franken ausbezahlt worden – das ist weniger als ein halbes Prozent. Der Hauptgrund: Geld gibt es nur bei einem nachgewiesenen Umsatzrückgang von mindestens 40 Prozent – und auch dann werden höchstens zehn Prozent des Umsatzes ausbezahlt.
Bundespräsident Guy Parmelin kündigte in der SRF-Sendung «Arena» eine Lockerung der bisher geltenden Härtefallregeln an. Wie diese Vereinfachungen konkret aussehen, entscheidet der Bundesrat am Mittwoch. Parmelin machte aber schon einmal klar, dass er am heutigen Entschädigungssystem festhalten wolle. Unternehmen, die vom Bundesrat zur Schliessung gezwungen wurden, könnten jedoch generell als Härtefälle anerkannt werden. Umsatzausfälle von Restaurants und Fitnesszentren beispielsweise könnten dann über Staatshilfen ohne Rückzahlpflicht ausgeglichen werden. Die heutige Schwelle von einem erforderlichen Umsatzrückgang von 40 Prozent, ab der Betriebe als Härtefall gelten, soll deutlich gesenkt werden, wie verschiedene Medien berichteten.
Die Verwaltung kennt die Umsätze bereits
Bisher verlief das Entschädigen zuweilen schwierig. Etwa im Kanton Bern. Ein neues Antragsformular von letzter Woche schloss die Gastrobranche zuerst aus, der Regierungsrat kündigte nach Protesten aber eine Prüfung der Angaben im Formular an. «Das Antragsformular ist eine Frechheit», sagt der Präsident des Stadtberner Wirteverbands, Tobias Burkhalter. Es sei sehr kompliziert, dabei gäbe es eine einfache Lösung. Die Verwaltung verfüge aufgrund der Mehrwertsteuerabrechnungen über sämtliche nötigen Umsatzangaben. Konkret fordert Burkhalter, dass – unabhängig von der komplizierten Härtefallregelung – 25 Prozent des Jahresumsatzes für die Zeit des Lockdown entschädigt werden, um Fixkosten decken zu können.
«Der Bund muss nur den richtigen Knopf drücken – schon sieht er verlässlich, welcher Betrieb welche Umsätze wann erzielt hat.» Davon 25 Prozent zu errechnen und für die Zeit des Lockdown auszuzahlen, sei nun wirklich nicht kompliziert.
Ein Blick ins Ausland zeigt, wie zurückhaltend die Wirtschaftshilfe in der Schweiz erfolgt. Das schreibt die «SonntagsZeitung», gestützt auf die jüngsten verfügbaren Zahlen des Internationalen Währungsfonds. Bis Mitte September sprach die Schweiz Corona-Nothilfen in der Höhe von 4,8 Prozent ihres Bruttoinlandprodukts. Zum Vergleich: In Deutschland waren es 8,3 Prozent, in Grossbritannien 9,2 Prozent, in Japan 11,3 Prozent und in den USA sogar 11,8 Prozent.
SVP attackiert Berset
Auf politischer Ebene versucht die SVP aus dem zunehmenden Unmut wegen der Corona-Krise Kapital zu schlagen. Sie forderte am Wochenende den Gesamtbundesrat auf, Innenminister Alain Berset (SP) das Corona-Dossier zu entziehen.
Zu Dissonanzen kommt es auch an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik. So verlässt Christian Althaus die wissenschaftliche Taskforce des Bundes, und Marcel Salathé tritt kürzer. Beide kritisierten die politische Führung. Auf Twitter schreibt Althaus, die Politik müsse endlich lernen, der Wissenschaft auf Augenhöhe zu begegnen. Das sei mit ein Grund für seinen Rücktritt.
Tatsächlich könnten die Corona-Ansteckungen in den nächsten Tagen stark zunehmen. Der Epidemiologe Richard Neher von der Universität Basel rechnet damit, dass die ansteckendere Variante aus Grossbritannien schon Ende Februar das Infektionsgeschehen in der Schweiz dominieren werde, wie er in der «NZZ am Sonntag» sagte.
Einen Hoffnungsschimmer gibt es indes: Ab nächster Woche könnte der Impfstoffmangel in der Schweiz etwas entschärft werden. Das US-Pharmaunternehmen Moderna soll am Dienstag oder Mittwoch die Zulassung für einen zweiten Schweizer Covid-Impfstoff erhalten, meldet die «SonntagsZeitung». «Sobald Moderna die Zulassung erhält, werden innerhalb eines Tages 200’000 Dosen des Impfstoffs geliefert», sagt die Vizedirektorin des Bundesamts für Gesundheit (BAG), Nora Kronig. Dies sei mit Moderna vertraglich so vereinbart. Zusammen mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer, der als erster in der Schweiz eine Zulassung erhielt, würden laut Kronig dann über 430’000 Dosen zur Verfügung stehen.
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