Unterseekabel beschädigtFinnische Ermittler finden verdächtige, kilometerlange Schleifspur auf dem Meeresboden
War der Kabelschaden in der Ostsee Sabotage? Finnische Ermittler halten seit Tagen ein Frachtschiff fest. Was zum Fall bisher bekannt ist – und was es mit Russlands Schattenflotte auf sich hat.
Was ist passiert?
Nach dem Ausfall einer Unterwasserstromleitung in der Ostsee haben finnische Ermittler eine verdächtige Schleifspur am Meeresboden festgestellt. «Die Spur ist Dutzende Kilometer lang», teilte Ermittler Sami Paila mit. Es steht der Verdacht im Raum, dass der von den finnischen Behörden festgesetzte Öltanker «Eagle S» seinen Anker am Boden hinter sich her gezogen hat, um das Kabel zu beschädigen.
Das Schiff fährt unter der Flagge der Cookinseln und gehört nach Einschätzung der EU zur sogenannten russischen Schattenflotte. Damit sind Tanker und andere Frachtschiffe gemeint, die Russland benutzt, um Sanktionen etwa beim Öltransport zu umgehen.
Laut Polizei führen Ermittler an Bord technische Untersuchungen durch und befragen die Besatzung. Schlechtes Wetter auf See habe die Ermittlungen behindert. Es wurde noch nicht lokalisiert, wo sich der Anker gelöst hat.
An Weihnachten war die Stromverbindung Estlink2 zwischen Finnland und Estland ausgefallen. Auch an mehreren Kommunikationskabeln in der Ostsee traten Störungen auf. Die Polizei betonte, die Ermittlungen seien noch in einem frühen Stadium.
Die Ermittler äusserten sich weder zu einem Bericht des Branchendiensts «Lloyd’s List», an Bord sei Spionagezubehör gefunden worden, noch zur Vermutung der Zeitung «Helsingin Sanomat», das Schiff hätte womöglich auch die andere Stromleitung Estlink1 und die Gaspipeline Balticconnector beschädigen können, die schon 2023 – höchstwahrscheinlich vom Anker eines chinesischen Containerschiffs – gekappt worden war.
Wie äussert sich die EU?
Die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas sagte am Montag gegenüber der «Welt», die EU werde jetzt «stärkere Massnahmen ergreifen, um den Risiken, die von diesen Schiffen ausgehen, entgegenzuwirken». Russlands Schattenflotte bedrohe die Umwelt und fülle Russlands Kriegskasse. Jetzt stünden diese Schiffe auch unter dem Verdacht, Sabotageakte durchzuführen.
Die EU-Chefdiplomatin und ehemalige Ministerpräsidentin Estlands sagte weiter, Sabotage in Europa habe zugenommen, seitdem Russland seinen Krieg gegen die Ukraine begonnen habe. «Die jüngsten Sabotageversuche in der Ostsee sind keine Einzelfälle. Sie sind vielmehr Teil eines Musters von absichtlichen und koordinierten Aktionen, um unsere Digital- und Energieinfrastruktur zu beschädigen.»
Was ist Russlands Schattenflotte?
Gemeint sind Tanker und andere Frachtschiffe, die Russland benutzt, um Sanktionen infolge der Invasion in die Ukraine zu umgehen, etwa beim Öltransport. Moskau wird seit langem vorgeworfen, beim Transport und der Verschleierung seiner Exporte auf Schiffe zu setzen, die undurchsichtige Eigentümerstrukturen aufweisen und oft die Flagge wechseln, unter der sie fahren. Dazu würden Länder mit Gesetzen genutzt, die deutlich laxer seien als die im Westen. Es handelt sich um Schiffe, die nicht in der Hand westlicher Reedereien oder von westlichen Versicherungen versichert worden sind.
Experten in Moskau weisen darauf hin, dass der Begriff «Schattenflotte» ein westlicher sei, weil der Westen von seiner eigenen Rechtsprechung ausgehe und nicht immer der des Flaggenstaates. Einer Analyse der School of Economics in Kiew zufolge sollen Hunderte solcher Schiffe im Einsatz sein. Die «Schattenflotte» ist aber kein Novum, sondern schon lange durch andere vom Westen mit Sanktionen belegte Länder bekannt, darunter Venezuela oder Iran.
Wie reagierten andere Staaten auf den Vorfall?
Das Militärbündnis Nato kündigte eine stärkere Präsenz in der Ostsee an. Estland will die Stromleitung Estlink 1 mit Patrouillenschiffen überwachen, auch die schwedische Küstenwache nimmt den Schiffsverkehr stärker in den Blick. Die EU hatte kürzlich erneut Sanktionen angekündigt und 52 weiteren Schiffen verboten, in Häfen in der EU anzulegen. Angesichts Hunderter solcher Tanker lächelt Moskau die Initiative weg – wie andere Sanktionen auch.
Ist die Bedrohung grösser geworden?
In letzter Zeit traten wiederholt Schäden an der Infrastruktur unter Wasser auf. Fast im Monatsrhythmus beschädigten Schiffe wichtige Kabel in der Ostsee, sagte etwa die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock. Die Besatzungen würden Anker zu Wasser lassen, über den Meeresboden ziehen und beim Hochziehen verlieren. Es falle ihr mehr als schwer, da noch an Zufälle zu glauben.
Angriffe in Form von Sabotage, Mordkomplotten oder Beschädigung von Infrastruktur hätten zugenommen, sagte James Appathurai, der bei der Nato unter anderem für Strategien zur Abwehr hybrider Angriffe zuständig ist und auch den Generalsekretär berät, dem Sender Sky News. Auf eine Frage zur Kriegsgefahr zwischen der Nato und Russland sagte er: «Es besteht die reale Aussicht, dass einer dieser Angriffe eine beträchtliche Zahl von Opfern oder erheblichen wirtschaftlichen Schaden verursachen wird.» Darauf müsse die Nato vorbereitet sein, um zu wissen, was dann zu tun sei.
DPA/jaw
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