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Kontroverses Migrationsgesetz
Finnland erlaubt Pushbacks an Grenze zu Russland

Finnish Border guards Loujas and Piitulainen with dog Nita patrol in Joensuu at the border with Russia on June 5, 2024 during a press event. (Photo by Jarno ARTIKA / LEHTIKUVA / AFP) / Finland OUT
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Am vergangenen Freitag hat das finnische Parlament nach monatelangen erbitterten Diskussionen das sogenannte Konversionsgesetz verabschiedet. Damit können zukünftig Asylbewerber kategorisch an der finnischen Grenze abgewiesen und zur Not auch zurückgedrängt werden. Da dieses «Ausnahmegesetz», das bei Bedarf für ein Jahr in Kraft treten soll, der finnischen Verfassung zuwiderläuft, war eine Fünfsechstelmehrheit im Parlament nötig. 167 Abgeordnete stimmten dafür, 31 dagegen, eine Abgeordnete fehlte.

Das Gesetz war von der Innenministerin Mari Rantanen vorgelegt worden, die der rechtspopulistischen Partei der Wahren Finnen angehört. Es steht im Widerspruch zu den wichtigsten internationalen rechtlichen Verpflichtungen Finnlands. Schliesslich ist das Recht auf Asyl als Menschenrecht definiert, sowohl die UNO-Menschenrechtserklärung als auch die EU-Grundrechte-Charta und die Europäische Menschenrechtskonvention räumen jeder Person das Recht ein, an der Grenze eines Staates Asyl zu beantragen.

Wird die EU aktiv?

Das Pushback-Verbot ist in der Europäischen Menschenrechtskonvention, im Internationalen Pakt der Vereinten Nationen über bürgerliche und politische Rechte und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert. Fraglich ist, ob nun die EU-Kommission oder einer der anderen EU-Mitgliedsstaaten vor dem Gerichtshof der Europäischen Union eine Vertragsverletzungsklage gegen Finnland einreichen wird.

Der finnische Ministerpräsident Petteri Orpo von der konservativen Nationalen Sammlungspartei hatte die Verabschiedung des Gesetzes mit der nationalen Sicherheit begründet, schliesslich gefährde Russland durch hybride Kriegsführung die innenpolitische Stabilität seines Landes. Im vergangenen Jahr waren immer wieder Gruppen von Migranten von russischer Seite aus an finnischen Grenzstationen aufgetaucht.

Finland's Prime Minister Petteri Orpo arrives for an EU summit in Brussels, Thursday, June 27, 2024. European Union leaders are expected on Thursday to discuss the next EU top jobs, as well as the situation in the Middle East and Ukraine, security and defence and EU competitiveness. (AP Photo/Geert Vanden Wijngaert)

Die finnische Regierung argumentiert, diese Migranten hätten es ohne Hilfe des russischen Staates niemals bis an die finnische Grenze geschafft, schliesslich seien sie ohne gültige Papiere gereist.

«Starke Botschaft an Russland»

1300 Migrantinnen und Migranten hatten nach ihrer Ankunft in Finnland Asyl beantragt. Finnland schloss daraufhin alle Grenzübergänge. Die finnische Regierung behauptet, Russland könne jederzeit weitere Menschen aus Ländern wie Syrien oder Afghanistan an seine Aussengrenzen schleusen, weshalb man sich juristisch wappnen müsse. Orpo sprach nach der Verabschiedung des Gesetzes von einer «starken Botschaft an Russland».

Amnesty International kritisierte das Gesetz, es untergrabe «in gravierender Weise den Zugang zu Asyl und den Schutz vor Zurückweisung in Finnland. Es gefährdet nicht nur die Rechte der Schutzsuchenden, sondern wird auch zu Willkür und Gewalt an der Grenze führen.»

Der in Oxford lehrende Völkerrechtler Martin Scheinin hatte vor der Abstimmung darauf hingewiesen, dass gleich mehrere Klauseln der neuen Verfassung von 1999 ausdrücklich auf die internationalen Menschenrechte verweisen. Es sei «darunter eine Bestimmung, die es erlaubt, dass unter aussergewöhnlichen Umständen Ausnahmen gemacht werden können, aber nur insoweit, als sie mit den internationalen Menschenrechtsverpflichtungen Finnlands vereinbar sind».

«Eine beispiellose Instrumentalisierung»

Scharfe Kritik hatte es in diesem Zusammenhang am sogenannten Verfassungsausschuss gegeben. Finnland hat kein Verfassungsgericht, stattdessen fungiert dieser Ausschuss als Hüter der Legalität. Das Gremium hatte das Gesetz vor der Abstimmung als rechtskonform bezeichnet, obwohl sich alle 18 unabhängigen Juristen, die um ein je eigenes Gutachten gebeten worden waren, deutlich gegen dessen Verabschiedung ausgesprochen hatten. Der Verfassungsrechtsexperte Kaarlo Tuori sprach von einer beispiellosen Instrumentalisierung des Ausschusses, der von einem Mitglied der regierenden Nationalen Sammlungspartei geleitet wird.

Tuori sagte, Finnland sei in Gefahr, einen ähnlichen Weg einzuschlagen wie Polen und Ungarn, schliesslich habe in beiden Ländern die Abschaffung der Rechtsstaatlichkeit mit der Erosion der verfassungsmässigen Kontrolle begonnen. «Finnlands Glaubwürdigkeit als führender Verfechter der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechtsverträge und des regelbasierten internationalen Systems hat Schiffbruch erlitten», schrieb er in «Helsingin Sanomat».

Premierminister Petteri Orpo betonte nach der Abstimmung, Finnland werde auch in Zukunft «einer der stärksten Rechtsstaaten der Welt» bleiben, habe aber als solcher ebenfalls das Recht, sich gegen Bedrohungen von aussen zur Wehr zu setzen.