Havarie im WattenmeerBrennender Frachter hatte mehr Autos geladen als gedacht
Über 3700 Fahrzeuge sind an Bord der Fremantle Highway. Der Brand soll bei einem Elektroauto ausgebrochen sein. Ein Besatzungsmitglied ist gestorben.
Vor der niederländischen Küste versuchen Einsatzkräfte, einen brennenden Frachter mit Autos an Bord zu löschen und ein Sinken des Schiffes zu verhindern. Ein Mensch sei ums Leben gekommen, teilte die Küstenwache am Mittwochvormittag mit. Die übrigen 22 Mitglieder der Besatzung konnten demnach gerettet werden, einige seien verletzt worden.
Von dem brennenden Frachter ist nach Angaben der japanischen Reederei Kawasaki Kisen Kaisha zumindest grossflächig kein Öl ausgetreten. Das Unternehmen habe bislang keine Kenntnisse, dass es eine Ölverschmutzung gebe. Das teilte das Unternehmen mit Sitz in Tokio am Mittwoch mit. Der Familie des Toten sprach die Reederei ihr aufrichtiges Beileid aus.
Den Angaben nach war das Schiff auf dem Weg von Deutschland nach Singapur. Es handle sich bei dem Frachter «Fremantle Highway» um ein gechartertes Schiff. Als Besitzer benannte der Reeder Luster Maritime S.A. Die Crew habe aus 21 indischen Staatsbürgern bestanden. Die niederländische Küstenwache sprach von 23 Crewmitgliedern.
Der in Panama registrierte Frachter wird möglicherweise noch tagelang brennen. Das Feuer könne nicht gelöscht werden, solange die «Fremantle Highway» nicht stabilisiert sei, sagte eine Sprecherin der niederländischen Küstenwache am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. Um jedes zusätzliche Risiko zu vermeiden, werde deshalb derzeit zur Abkühlung auch nur die Seite der «Fremantle Highway» mit Wasser besprüht, nicht aber das Deck.
Nach Angaben der Küstenwache wurden noch Spezialkräfte aus Rotterdam per Helikopter zum Löschen des Brands zu dem Frachter geflogen. Doch breitete sich das Feuer so rasch aus, dass sie nicht mehr an Bord konnten.
Inzwischen hat das 18'500 Tonnen schwere Schiff Schlagseite. Laut NOS gelang es einem Schlepper aber, ein Kabel an dem Frachtschiff zu befestigen, damit es nicht abdriftet und eine wichtige Schifffahrtsroute nach Deutschland blockiert.
Teil der Besatzung springt von Bord
Der Frachter «Fremantle Highway» habe 3783 Autos geladen, teilte ein Sprecher der japanischen Reederei Kawasaki Kisen Kaisha am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in Tokio mit und war unterwegs von Bremerhaven nach Ägypten, als gegen Mitternacht rund 27 Kilometer nördlich der Wattenmeerinsel Ameland das Feuer ausbrach. Die niederländische Küstenwache hatte zuvor von 2857 Autos gesprochen, davon 25 E-Autos. Möglicherweise entstand der Brand bei einem der 25 Elektroautos.
Das Feuer hatte sich so schnell ausgebreitet, dass sieben Besatzungsmitglieder von Bord springen mussten – rund 30 Meter in die Tiefe. Die übrigen wurden mit Helikoptern gerettet. Ein Mensch starb. 16 weitere wurden verletzt. Nach Angaben der Küstenwache befindet sich niemand in Lebensgefahr.
«Einer nach dem anderen sprang», sagte Kapitän Willard Molenaar vom Amelander Rettungsboot, das als erstes an der Unglücksstelle war. «Die waren echt in Not, sonst springt man nicht einfach so tief.» Sieben Menschen retteten er und seine Crew aus der See. Die übrigen wurden mit Helikoptern von Bord geholt und in mehrere Spitäler gebracht.
Die Besatzungsmitglieder, die ins Wasser gesprungen sind, konnten durch Rettungskräfte aus dem Wasser geborgen werden, wie der «Telegraaf» berichtet. Drei Fischer aus Belgien und den Niederlanden haben Fotos auf Twitter gepostet, die die Löscharbeiten zeigen.
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Die Bergung sei schwierig, sagte der Sprecher der Küstenwache, Edwin Granneman. Und das Feuer war am frühen Mittwochnachmittag noch immer nicht unter Kontrolle. Ein Notkabel, über das der Frachter mit einem Schlepper verbunden ist, sei nicht stabil genug. «Die Lage ist nun zu instabil, um das Schiff wegzuschleppen.» Durch das Kabel aber blockiert das Schiff nun nicht länger die Route von und nach Deutschland.
Auto-Akku als mögliche Brandursache
Das Feuer war bei den etwa 25 Elektroautos ausgebrochen, die das Schiff an Bord hat. Lösch- und Bergungsschiffe waren schnell zur Stelle. Auch Deutschland schickte Hilfe.
Doch das Feuer war nur schwer zu löschen. Vor allem die Lithium-Batterien der E-Autos erschwerten die Löscharbeiten, sagte der Sprecher der Küstenwache. Möglicherweise waren auch sie Ursache des Brandes.
Erst kürzlich hatte der Industrieversicherer der Allianz (AGCS) vor erhöhtem Brandrisiko durch den Transport der Lithium-Ionen-Akkus auf Schiffen gewarnt. Hauptursachen für Brände, die von den Akkus ausgehen, seien Produktionsdefekte, beschädigte Batteriezellen oder Geräte sowie eine Überladung oder Kurzschlüsse, schreibt der Versicherer in seiner neuesten Schifffahrtsstudie. Sie seien tückisch, weil sie schwer zu löschen seien und sich spontan wiederentzünden könnten. «Die meisten Schiffe verfügen weder über ausreichenden Schutz noch über ausreichende Frühwarn- oder Löschfähigkeiten, um solche Brände auf hoher See zu bekämpfen», sagte der Schifffahrtsexperte Justus Heinrich.
Untergang könnte teuer werden
Bei einem Sinken des Schiffs, das unter der Flagge von Panama fährt, könnten Treibstoff, Öl und die etwa 3000 Autos ins Wasser und auf den Meeresboden gelangen. «Wir tun alles, um das zu verhindern», sagte ein Sprecher der Wasserbehörde dem Radiosender NOS. Aber die Rettungskräfte bereiteten sich «auf alle Szenarien» vor.
«Das könnte eine Umweltkatastrophe für die Nordsee und das Wattenmeer bedeuten», sagte ein Sprecher der Stiftung De Noordzee am Mittwoch der niederländischen Nachrichtenagentur ANP. Die Sorge ist, dass Treibstoff und die Ladung – knapp 3000 Autos – ins Meer und auf den Meeresboden gelangen könnten.
Auch der Bürgermeister von Ameland, Leo Pieter Stoel, ist besorgt, dass Müll das Wattenmeer und die Küste der Inseln verseucht. Rettungskräfte versuchen inzwischen alles, um den Frachter zu stabilisieren und das Feuer zu löschen.
Der Bürgermeister der deutschen Nordseeinsel Borkum sagt, ein möglicher Untergang des Frachters könnte schwere Umweltschäden zur Folge haben. «Das Schlimmste wäre, dass das Schiff sinkt und unkontrolliert Schadstoffe in das Meer gespült werden», sagte Jürgen Akkermann der Deutschen Presse-Agentur. Die Gefahr gehe aus seiner Sicht sowohl von den E-Autos an Bord als auch von einem möglichen Austritt von Schweröl aus. «Das wäre der Worst Case.»
Auf Borkum weckt der vor der niederländischen Wattenmeer-Insel Ameland brennende Frachter «Fremantle Highway» mit knapp 3000 Autos an Bord unterdessen Erinnerungen an eine Umweltkatastrophe Anfang 2019. Damals hatte das Schiff «MSC Zoe» mit 8000 Containern an Bord in der stürmischen Nordsee auf der Fahrt nach Bremerhaven 342 Container verloren. Die meisten zerbarsten beim Aufprall auf dem Wasser, in der Folge trieb tonnenweise Müll an die Strände. Betroffen waren vor allem die niederländischen Watteninseln sowie Borkum.
«Die Strände sind hier massiv verschmutzt worden», sagte Akkermann. Der Aufwand, sie zu reinigen, sei erheblich gewesen. «Wir haben noch Jahre später diesen Müll bei unseren Strandreinigungsaktionen gefunden.» Damals sei es allerdings um Stückgut gegangen, das man habe einsammeln können.
Im Februar 2022 geriet ein Autofrachter mit 4000 Fahrzeugen an Bord bei den Azoreninseln in Brand. Das 200 Meter lange Schiff war auf dem Weg vom deutschen Emden nach Davisville im US-Bundesstaat Rhode Island, als das Feuer ausbrach. Das Schiff transportierte Neuwagen der VW-Gruppe. Die «Felicity Ace» sank am 1. März. Die Wassertiefe im Seegebiet beträgt zwischen 3000 bis 3500 Meter. Die meisten Experten halten eine Bergung für unmöglich. Analysten schätzten den Schaden an den zerstörten Autos auf einen Betrag zwischen 330 und 400 Millionen Dollar.
SDA/oli/AFP
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