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Federer und das Drama im fünften Satz

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Der Match ist nichts für schwache Nerven – dafür einer für die Geschichtsbücher. Ganz besonders im fünften Satz. Der Final zwischen Novak Djokovic und Roger Federer wiegt hin und her, und meistens steht der Schweizer unter Druck: Im fünften Satz ab 4:5 muss er stets gegen den Matchverlust servieren – eine sehr unangenehme Situation. Doch er meistert sie.

Und auch Djokovic spürt den Druck. Bei 5:5 gerät er 15:30 in Rückstand, punktet danach im Fallen am Netz. Bei 5:6 verpasst Federer am Netz eine Riesenmöglichkeit zum Ausgleich. Trotz Nervenflattern hält er letztlich seinen Aufschlag. Und dann bei 7:7 führt Djokovic scheinbar beruhigend 30:0, doch Federer reiht vier Punkte aneinander, schafft tatsächlich den Servicedurchbruch und schlägt in der Folge zum Titel auf. Nach zwei Assen, es ist 18.21 Uhr Ortszeit in London SW19, hat er zwei Matchbälle. Federer spielt mutig, aber erfolglos: Zuerst verschlägt er eine Vorhand, dann wird er von Djokovic passiert. Und kurz darauf sogar gebreakt – 8:8.

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Verlierer Federer bleibt nur der silberne Teller.
Der Blick auf den Centre Court von Wimbledon.
Nach dem obligaten Foto vor dem Spiel geht es los.

8:9, 9:9, 9:10. Federer wechselt nochmals sein Polo-Shirt. 10:10. 10:11. 11:11. Und dann erarbeitet sich der Baselbieter mit Angriffstennis zwei Breakchancen, doch zweimal scheitert er ganz knapp. Einmal fliegt die Kugel nach einem Slice-Passierball knapp daneben, einmal rettet sich Djokovic am Netz glückhaft. Am Ende entscheidet bei 12:12 das Tiebreak – erstmals im Einzel, seit diese Regel besteht.

Und wie im ersten und dritten Durchgang ist der Serbe in der Kurzentscheidung der Stärkere. Um 19.08 Uhr trifft Federer beim ersten Matchball seines Gegners den Ball mit dem Rahmen. Er verliert den Final 6:6, 6:1, 6:7, 6:4, 12:13, obwohl er hervorragend gespielt, mehr Punkte gewonnen hat, ja der bessere Spieler war. Es ist eine Niederlage, die genauso bitter ist wie jene 2008 gegen Rafael Nadal.

Federer verschenkt das Tiebreak

Gegen Djokovic hatte Federer die vier letzten Partien verloren und ihn auf Grand-Slam-Stufe sieben Jahre lang nicht mehr geschlagen. Das hat in erster Linie mit der grossen Klasse des Serben, ein kleines Bisschen aber auch mit dessen Aura zu tun. Der Baselbieter spielt gegen die Nummer 1 in den entscheidenden Momenten etwas weniger entspannt als gegen alle anderen Gegner.

Sportsmann: Roger Federer gratuliert Novak Djokovic.

Das zeigte sich im ersten Satz des Wimbledon-Finals beim einzigen Breakball und vor allem im Tiebreak. Bei der Breakchance verschlug er nach guter Vorbereitung eine Vorhand, und in der Kurzentscheidung unterliefen ihm fünf vermeidbare Vorhandfehler. Das passiert ihm sonst nie, schon gar nicht, wenn er derart gut spielt wie bis zum 6:6. Zehn Tiebreaks hatte Federer zuvor hintereinander gewonnen, diesmal wurde aus einem 5:3-Vorsprung ein 5:7. Federer hatte nach einer knappen Stunde einen Satz verloren, obwohl er fast alles richtig gemacht hatte: hervorragend aufgeschlagen, aggressiv gespielt, stark variiert.

Djokovic zieht ein Tief ein

Im zweiten Satz passierte etwas Unerwartetes: Djokovic fiel völlig auseinander. Hatte der 32-Jährige zuvor nur sechs unerzwungene Fehler begangen, unterliefen ihm im ersten Game nach dem Tiebreak gleich deren drei. Federer kam zum Break, ohne etwas Besonderes zeigen zu müssen. In der Folge steigerte sich Djokovic nicht etwa, sondern agierte für seine Verhältnisse richtig schwach. Federer setzte sich 6:1 durch, obwohl er beim Service schwächelte (3 Doppelfehler, nur 50 Prozent erste Aufschläge im Feld. Die ersten beiden Sätze waren eine Kopie jener im Halbfinal gegen Rafael Nadal, mit umgekehrten Vorzeichen.

Wie Federer am Freitag war auch Djokovic für den dritten Satz wieder voll da. Der Schweizer war allerdings auch auf der Höhe, bei eigenem Aufschlag sogar magistral. Sein Widersacher kam nie auch nur in die Nähe einer Breakmöglichkeit. Federer hingegen kam bei 5:4 zu einem Satzball. Weil der 37-Jährige gerade Oberwasser hatte, versuchte er den Return per Slice auf Sicherheit zu spielen – und doch flog der Ball weit ins Out.

Die Entscheidung: Rahmentreffer von Roger Federer – Novak Djokovic gewinnt.

So wurde zum zweiten Mal ein Tiebreak nötig, und erneut vermochte Djokovic mit dem Druck besser umzugehen. Während er seinem Ruf als «Wand» alle Ehre machte und nun fehlerlos agierte, unterliefen Federer mit der Rückhand vier unnötige Fehler, zweimal traf er den Ball mit dem Rahmen.

In Rückstand trotz Topstatistik

So lag Federer nach 135 Minuten mit 1:2 Sätzen in Rückstand, obwohl er dem besten Returner im Welttennis nicht eine Breakmöglichkeit zugestanden hatte, ein klar positives Winner-Fehler-Verhältnis und eine brillante Quote am Netz aufwies. Wie würde er reagieren? Indem er die Toilette aufsuchte und sich sammelte. Der achtmalige Wimbledon-Champion kehrte zurück und hielt dagegen.

Das war nicht einfach, denn Djokovic spielte nun wie eine Maschine. Im Tiebreak des dritten und in den ersten vier Games unterlief ihm kein einziger unerzwungener Fehler. Weil der Schweizer überragend servierte, stand es trotzdem 2:2. Und dann kam die Schwäche des Serben. Im fünften Game schenkte er Federer den Servicedurchbruch mit einigen Aussetzern, zuletzt schlug er eine Rückhand unbedrängt ins Aus. Dasselbe passierte wenige Minuten später erneut, worauf Federer bei 5:2 zum Satzausgleich servierte.

Und plötzlich wirkte Djokovic wie verwandelt: Er retournierte nun exzellent und war auch sonst bärenstark. Den ersten Breakball wehrte Federer im längsten Ballwechsel überhaupt (35 Schläge) mit einem Rückhand-Gewinnschlag der Seitenlinie entlang sensationell ab. Doch kurz darauf hatte er seinen Aufschlag doch erstmals abgegeben. Im zweiten Anlauf liess Federer dann nichts anbrennen. Nach knapp drei Stunden war der Satzausgleich geschafft. Es stand aus Federers Sicht 6:7 (5:7), 6:1, 6:7 (4:7), 6:4.

Break und Rebreak

Im Entscheidungssatz geriet Federer früh in Schwierigkeiten. Im vierten Game produzierte Djokovic zuerst einen unerreichbaren Netzroller, und bei 15:30 sprang der Ball nach einem Passierball des Schweizers von der Netzkante ins Aus. Am Ende waren es in diesem Game drei Breakbälle, doch Federer wehrte sie alle ab. Doch der Druck nahm zu, weil Djokovic immer vorlegen konnte. Bei 2:3 lag Federer wieder 15:40 zurück, und diesmal packte der Serbe seine Chance nach einem missglückten Angriffsball des Schweizer mit einem Passierball.

Danach wackelte der Titelverteidiger; er offerierte Federer mit einem Doppelfehler eine Breakchance. Dieser nahm das Geschenk nicht an, erarbeitet sich aber eine weitere Möglichkeit, und diesmal beging sein Gegner tatsächlich einen Fehler. Das Niveau war nun nicht mehr ganz so hoch, dafür die Spannung beinahe unerträglich.

Der Titelverteidiger führte mit 4:3 und hatte die Möglichkeit, sich zwei Breakchancen zu erarbeiten. Doch er verschoss mit der Vorhand einen Penalty. Kurz darauf glich Federer aus. Im nächsten Game hatte der Schweizer nach einem Doppelfehler seines Widersachers die Gelegenheit, Druck aufzusetzen, doch bei 15:15 landete ein Rückhand-Return ganz knapp neben der Seitenlinie. Und dann nahm die Dramatik sogar noch zu.