Er schickte Federer in Rente«Ich hoffe, die Leute hier hassen mich nicht»
Hubert Hurkacz ist scheu, wenn er nicht gerade Tennis spielt. Der Pole fügte Roger Federer in Wimbledon 2021 die letzte Niederlage zu. Doch dafür möchte er nicht in Erinnerung bleiben.
Hubert Hurkacz ist eine imposante Erscheinung. 1,96 Meter gross, prügelt er auf den Ball ein wie nur wenige. Seinen wuchtigen Aufschlag beschleunigt er auf bis zu 243 Kilometer pro Stunde, sein Spiel lebt von brachialer Gewalt. Wenn er einem die Hand schüttelt, die sich anfühlt wie eine Käseraffel, blickt man weit nach oben, um in seine Augen zu schauen. Dann setzt sich der Pole hin zum Interview und spricht so leise, dass man ganz genau hinhören muss.
«Hubi», wie ihn alle nennen, gilt als einer der nettesten Spieler auf der Tennistour. Die scherzhaft gemeinte Auftaktfrage, wieso er sich noch nach Basel wage, nachdem er die Karriere von Lokalmatador Roger Federer beendet habe, bringt ihn in Verlegenheit. «Ich hoffe, die Leute hier hassen mich deswegen nicht», sagt er. «Roger spricht jedenfalls immer noch mit mir. Was sehr nett ist von ihm.» Er traf ihn kürzlich am Laver-Cup in Vancouver und dann auch noch in Shanghai, wo Federer mit grossem Brimborium verabschiedet wurde.
Der 7. Juli 2021 war ein Tag für die Tennisgeschichte. Federer hatte sich in Wimbledon, obschon angeschlagen, in den Viertelfinal gespielt und war trotzdem favorisiert gegen Hurkacz. Nach einem fehlerhaften Start verschaffte sich der Schweizer im zweiten Satz alle Vorteile – und verspielte sie wieder. Nicht nur sein Spiel war wacklig, er wirkte auch körperlich gezeichnet. Nachdem er im Tiebreak auch den zweiten Satz verloren hatte, leistete er praktisch keinen Widerstand mehr. Es tat weh, ihn so zu sehen.
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Hurkacz schickte Federer mit einem 6:0 im dritten Satz in den Tennis-Ruhestand. Das wusste damals freilich noch niemand. «Ich fand, er spielte immer noch sehr gutes Tennis», sagt Hurkacz. «Dass dies sein letzter Match sein könnte, dachte ich nicht. Es war eine Ehre, gegen ihn zu spielen. Er ist eine grossartige Persönlichkeit. Natürlich hoffte ich, dass er weiterspielen würde. Er hat so viel für den Sport getan. Schade, hat seine Karriere so geendet.»
Trotz aller Bewunderung für Federer, Hurkacz kannte in jener Partie kein Mitleid für sein Idol. Er sei sehr nervös gewesen, viel nervöser als sonst, sagt er. «Gegen Roger zu spielen, ist allein schon speziell. Aber auf dem Centre Court Wimbledons, das war einzigartig. Die Atmosphäre war verrückt. Ich versuchte einfach, mich nur auf mich zu konzentrieren und Punkt für Punkt zu nehmen. So gelang es mir, sogar sehr, sehr gut zu spielen. Als Roger den zweiten Satz verloren hatte, wusste ich, dass es für ihn schwierig werden würde.»
«Ich bewunderte Federer. Seinen Spielstil, seine Erfolge, aber auch, wie er als Mensch ist.»
Als kleiner Junge habe er Federer immer die Daumen gedrückt, sagt Hurkacz. «Ich bewunderte ihn. Seinen Spielstil, seine Erfolge, aber auch, wie er als Mensch ist.» In Indian Wells 2019 erstmals gegen ihn zu spielen, habe sich für ihn fast surreal angefühlt. Damals gewann Federer noch routinemässig in zwei Sätzen. Das zweite Duell war ihr letztes. Es verstrichen aber noch 14 Monate, bis Federer Mitte September 2022 offiziell seinen Rücktritt verkündete.
Sollte Hurkacz, inzwischen 26-jährig, nicht noch einen Grand-Slam-Titel gewinnen, wird er primär als der Spieler erinnert werden, der Federers Karriere beendete. So wie die Australierin Ajla Tomljanovic am US Open 2022 die grosse Serena Williams in Rente schickte. Wie der Deutsche Benjamin Becker in Flushing Meadows 2006 Andre Agassi die letzte Niederlage zufügte. Oder wie der Waadtländer Georges Bastl 2002 die grossartige Wimbledon-Karriere von Pete Sampras auf Court 2 beendete, dem «Friedhof der Champions». Federer konnte immerhin auf dem Centre Court abtreten.
Doch eben: Hurkacz würde gerne noch grössere Erfolge feiern. Zwei Tage nach seinem Sieg über Federer war er in Wimbledon 2021 gegen den Italiener Matteo Berrettini chancenlos. Er hatte die emotionale Partie gegen sein Idol noch nicht verdaut. Jener Halbfinal ist sein bis dato bestes Ergebnis an einem Major. Sonst war für ihn das Erreichen des Achtelfinals (dreimal) das Höchste aller Gefühle.
Nun Topfavorit in Basel
Der Pole ist bisher nicht dafür bekannt, in grossen Matches gross aufzuspielen. Einige vermuten, er sei zu lieb. Doch vielleicht ändert sich das ja noch. In Shanghai gewann er gerade seinen zweiten Masters-1000-Titel nach Miami 2021 – im Final gegen Andrei Rubljow wehrte er einen Matchball ab. Seine gute Form nahm er nach Basel mit. In Runde 2 deklassierte er nun den Deutschen Jan-Lennard Struff (ATP 27) 6:1, 6:4. Er gilt in Basel als Topfavorit auf den Titel.
Es steht gut ums polnische Tennis, das mit Hurkacz die aktuelle Weltnummer 11 und mit Iga Swiatek eine vierfache Grand-Slam-Siegerin hat. «Iga ist unglaublich», sagt Hurkacz. «Sie ist ein einzigartiger Mensch mit erstaunlichen Fähigkeiten und einer grossartigen Persönlichkeit. Sie hat in Polen viel bewirkt. Und ich versuche, auch einen Bruchteil ihrer Erfolge zu feiern.» Der schüchterne Riese lächelt und verabschiedet sich freundlich.
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