Hat der Laver-Cup eine Zukunft?So kämpft Roger Federer um sein Baby
Schauturnier oder ernsthafter Wettkampf? Die sechste Austragung des Laver-Cups bot in Vancouver so wenige Stars wie noch nie. Doch der Anlass hat einen grossen Trumpf.
Es war ziemlich etwas los am Wochenende in Vancouver. Die britische Rockband Coldplay lockte mit ihren zwei Konzerten über 100’000 Leute ins Football-Stadion B.C. Place, auf der anderen Strassenseite füllte der Laver-Cup die Rogers Arena, die Heimstätte des NHL-Clubs Vancouver Canucks.
Dass bei der sechsten Ausgabe des Teamwettbewerbs so wenige Stars mitspielten wie noch nie, dass man wenig bekannte Spieler vorgesetzt bekam wie Arthur Fils oder Francisco Cerundolo, schmälerte die Begeisterung des Publikums kaum. Auch nicht, dass die Weltauswahl den stark ersatzgeschwächten Europäern (ohne Djokovic, Alcaraz, Rune oder Tsitsipas) klar überlegen war und 13:2 siegte. Denn der Star der Veranstaltung war ohnehin einer, der gar nicht mitspielte, weil er vor einem Jahr zurückgetreten ist: Roger Federer.
2022 hatte der Schweizer in der Londoner O2-Arena seinen tränenreichen Abschied gegeben mit einem verlorenen Doppel an der Seite seines ewigen Rivalen Rafael Nadal, in Vancouver war er als Edelfan, Gastgeber und Promoter omnipräsent. Federer führte Trainings mit Kindern durch und zeigte dabei, dass er den Ball immer noch ganz ordentlich trifft. Er lud Prominente in die Arena ein wie Coldplay-Sänger Chris Martin oder die frühere Basketball-Grösse Dirk Nowitzki. Und er trat am Freitag auf dem Court auf, für ein 20-minütiges Interview mit Jim Courier.
Zu Hause ist Federer nur noch geduldet
Dabei fühlte man sich an deren Plaudereien jeweils nach Spielen Federers am Australian Open erinnert. «Ich habe immer noch das Gefühl, ich hätte nicht genug Zeit», sagte Federer über sein neues Leben nach dem Tennis. «Meine Agenda ist immer noch ziemlich voll, und vier Kinder sind auch nicht ohne.» Manchmal komme er sich vor, als sei er zu Hause von seinen 14-jährigen Töchtern nur noch geduldet, sagte er schmunzelnd. «Aber mir gefällt es, dass sie einen starken Charakter haben. Und ich bin happy, dass sie zu Hause herumschreien und nicht in der Öffentlichkeit.»
Federer war in Halle und Wimbledon, ansonsten blieb er der Tennisszene aber fern. Auch an den Basler Swiss Indoors wird er ja nicht sein. Dass er sich rarmacht, macht seine Auftritte umso wirkungsvoller. Und er versteht es, sie zu seinen Gunsten einzusetzen. Der Laver-Cup 2022, der im Zeichen seines Rücktritts stand, wurde dadurch einzigartig.
In Vancouver zeigte sich, dass Federer auch ein Jahr danach nichts von seiner Strahlkraft eingebüsst hat. «Wir vermissen dich, die Tenniswelt vermisst dich», sagte Björn Borg. Ob er sich vorstellen könnte, ihn dereinst als Captain von Team Europe abzulösen, fragte der Schwede. Federer bejahte.
Klar ist: Der Laver-Cup braucht Federer, der mit seiner Managementagentur Team 8 Mitgründer und Mitbesitzer des Anlasses ist. Aber ist seine Aura genug, damit sich der Teamwettbewerb langfristig im Tenniskalender halten kann?
John McEnroe, Captain des Team World, äusserte in Vancouver seine Enttäuschung darüber, dass nicht alle Spieler zur Verfügung ständen. «Das Ziel war es, dass der Laver-Cup wie der Ryder-Cup im Golf würde, wo man bis zur letzten Minute wartet, um zu sehen, wer am heissesten ist, aber alle bereit sind. Das scheint bei uns nicht der Fall zu sein. Es ist schwierig, alle dafür zu gewinnen.»
Eklat zwischen Monfils und Auger-Aliassime
Dass mit Gaël Monfils die Weltnummer 142 für die Europäer aufgeboten wurde, unterstreicht, dass der Laver-Cup eine Mischung aus Showturnier und ernsthaftem Wettkampf ist. Und das wurde bei Monfils’ Auftritt gegen Félix Auger-Aliassime offensichtlich. Der Kanadier, der den Laver-Cup sportlich ernst nimmt, nervte sich darüber, dass sich Monfils zu viel Zeit nahm zwischen den Ballwechseln. Er forderte, dass die Regeln durchgesetzt würden wie sonst auf der ATP-Tour. Das führte zu einer verbalen Auseinandersetzung der beiden auf Französisch.
«Ich weiss nicht, was du hier treibst», sagte Auger-Aliassime zu Monfils. «Ich will ernsthaft spielen.» Er sei hier, um Spass zu haben, fand der Franzose. Er habe gedacht, er sei am Laver-Cup etwas freier. Monfils wurde nach der Partie, die er 4:6, 3:6 verlor, auf den sozialen Medien angefeindet. Er verteidigte sich mit einem längeren Statement, in dem er betonte, dass es nicht so sei, dass er die Sache nicht ernst nehme, nur weil er lächle und sich amüsiere. Er sei sehr dankbar, für den Laver-Cup aufgeboten worden zu sein.
Schaukampf oder prestigeträchtiges Duell – jedenfalls sorgt der Laver-Cup für Szenen, wie man sie sonst nie sieht auf der Tennistour. Und der nächste Austragungsort steht schon fest: Vom 20. bis 22. September 2024 wird in der Mercedes-Benz-Arena in Berlin aufgeschlagen. Eines ist sicher: Roger Federer wird da sein.
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