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Kritik an Politkampagne
FDP wirbt mit KI-generiertem Klimakleber­-Bild

Wahlkampfplakat der FDP Schweiz, das mithilfe von KI generiert wurde.
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Nach der SVP tut es jetzt auch die FDP: Sie setzt im Wahlkampf auf künstliche Intelligenz (KI). Am Sonntag hat die Partei eine neue Plakatkampagne für die eidgenössischen Wahlen vom Herbst lanciert. Und eines ist den Freisinnigen dabei schon mal gelungen: Sie erregen mächtig Aufmerksamkeit.

Die Freisinnigen verwenden nämlich ein fiktives Fotosujet, das durch KI erstellt wurde. Dafür haben sie sich ein besonders polarisierendes Sujet ausgesucht: mutmassliche Klimaaktivistinnen und Klimaaktivsten in orange leuchtenden Westen, die auf der Strasse sitzen. Dazu die Überschrift: «Anpacken statt ankleben!» Angeklebt sind sie zwar nicht. Aber durch die aufsehenerregenden Aktionen der Aktivistengruppe Renovate Switzerland (gerne «Klimakleber» genannt) dürfte den meisten Betrachtern klar sein, worum es geht. (Lesen Sie hier unseren Kommentar.)

Ein Bild, wozu eigentlich keine KI notwendig wäre. Haben sich die Aktivistinnen doch in den vergangenen Monaten mehrfach auf Autobahneinfahrten oder am Karfreitag vor den Gotthardtunnel geklebt.

Aktivisten von Renovate Switzerland protestieren vor dem Gotthardtunnel bei Göschenen im Kanton Uri, während sich der Osterreiseverkehr vor dem Nordportal auf mehreren Kilometern staut.

Doch zuvorderst in der Strassenkolonne steht, was der FDP nun besonders Kritik einbrockt: eine Ambulanz mit Blaulicht. Eine Szene, die es so nicht gegeben hat, wie die FDP im Kleingedruckten rechts oben deklariert («Dieses Bild wurde mithilfe von KI generiert»).

In Aktivistenkreisen und bei den Linken sorgt das Plakat für grossen Ärger. Jonas Kampus, eines der bekanntesten Gesichter des Klimastreiks, findet es «äusserst gefährlich, wenn Parteien realistische Bilder erzeugen, die Situationen darstellen, welche so nie stattgefunden haben». Er glaubt gar, die FDP schüre damit bewusst die Wut der Menschen gegen die Klimabewegung. «Ich erwarte von der FDP, dass sie dieses bewusst irreführende Plakat sofort zurückzieht», so Kampus zu dieser Zeitung.

Er verweist darauf, dass es nicht das erste KI-generierte Foto dieser Art sei. Im Abstimmungskampf zum Klimagesetz weibelte die Schweizerische Vereinigung Beratender Ingenieurunternehmungen Suisse.ing mit einem ähnlichen Bild für ein Ja. Auch dieses zeigt eine blockierte Ambulanz – und ist offensichtlich, ohne Verweis darauf, ein Fake.

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Bei Renovate Switzerland ärgern sich zwar einzelne Mitglieder in den sozialen Medien. Man lasse Blaulichtfahrzeuge immer fahren, schreiben sie. Sprecherin Marie Seidel gibt sich auf Anfrage aber sogar positiv: Die Verwendung des Bildes mit Bezug auf ihre Gruppierung sei der «beste Beweis, dass wir es schaffen, das Thema Klimakrise auf die Tagesordnung zu bringen». Man sei gespannt auf die «konkreten, ernsthaften Massnahmen der FDP».

Grüne fordern KI-Ehrenkodex

Anders sehen das die Linken. «Spürt ihr euch eigentlich noch?», fragt etwa Florin Schütz, der in der Geschäftsleitung der SP Zürich sitzt. «Selbst bei lesbarem KI-Hinweis wäre das mehr als nur bedenklich.»

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Juso-Präsident Nicola Siegrist schreibt, es sei «kein guter Stil, wenn in kaum lesbarer, winziger Schrift oben rechts angeschrieben ist, dass das Bild KI-generiert ist».

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Aline Trede, Fraktionschefin der Grünen, betont am Telefon, dass sie nicht grundsätzlich gegen KI sei. «Aber nicht, wenn es falsche Inhalte generiert und man diese nicht mal als solche sofort erkennt.» Zudem ergebe die Aussage im Plakat keinen Sinn, findet Trede: «Die FDP will mit Renovate Switzerland einen Angriff gegen uns lancieren. Dabei sind sie eine eigenständige Organisation.»

Grünen-Präsident Balthasar Glättli plädierte jüngst gegenüber SRF für einen Ehrenkodex. Eine freiwillige Verzichtserklärung aller Parteien, dass KI für keine Negativkampagnen verwendet wird. Abgesehen von der SVP hätten sich die anderen Parteien positiv dazu geäussert, so Glättli gegenüber SRF. 

Selbst in den eigenen Reihen sind nicht alle überzeugt vom KI-generierten Wahlplakat. Esther-Mirjam de Boer, Unternehmerin und Nationalratskandidatin der FDP, schreibt auf Twitter, sie finde das Wahlkampfplakat «nicht in Ordnung». Denn: «Es suggeriert eine Situation, die es so nie geben würde. Ich halte das für irreführend und populistisch.»

Die Kritik der Linken findet der FDP-Wahlkampfchef Adrian Michel «scheinheilig».

Angesprochen auf die Kritik sagt FDP-Wahlkampfleiter Adrian Michel: «Die FDP ist eine moderne Partei, und wir stehen dem Einsatz von neuen Technologien grundsätzlich offen gegenüber.» Dank der KI habe man die Blockadehaltung der «Klimakleber» ins Zentrum stellen können und nicht einzelne Aktivisten respektive Gesichter.

«Mit dem Sujet geht es uns darum, aufzuzeigen, dass die FDP den Klimawandel mit innovativen Lösungen statt Verhinderungs- und Blockadepolitik anpacken will.»

Dennoch bekenne sich die Partei zu klaren Einsatzgrenzen. Darum unterstütze die FDP auch eine von Glättli initiierte Selbstverpflichtung, die zurzeit noch erarbeitet werde. «Deepfakes, deren Absicht es ist, die Stimmberechtigten über Urheberschaft oder Botschaften zu täuschen, wird es nie geben», sagt Michel. Dass ebendiese Täuschung am Plakat kritisiert wird, kontert der Wahlkampfleiter: «Das Klimakleber-Sujet adressiert real stattfindende Blockaden einer extremen Gruppierung.»

Die Kritik der Linken bezeichnet Michel als «scheinheilig». Hätten doch die Juso beispielsweise 2009 die Hände der damaligen Bundesrätin Doris Leuthard mittels Bildmontage in Blut getaucht. 

Mit dieser Bildmontage der damaligen Bundesrätin Leuthard warben die Juso 2009 für die Initiative gegen Kriegsmaterialexporte.

Die FDP habe «enorm viele positive Rückmeldungen zum Plakat» erhalten. 

Ethikprofessor warnt vor politischer Manipulation

Die Freisinnigen haben damit die Debatte um den Einsatz von KI im Wahljahr losgetreten. Ethikprofessor Peter G. Kirchschläger von der Universität Luzern hat sich auf künstliche Intelligenz spezialisiert und verfolgt die Debatte intensiv.

Er lässt am FDP-Plakat kein gutes Haar, «da es Fake News abbildet: Die auf dem FDP-Wahlplakat prominent dargestellte und inhaltlich höchstrelevante Blockade einer Ambulanz ist frei erfunden.» Damit werde eine politische Bewegung mit künstlich geschaffenen Bildelementen «gezielt dämonisiert». 

Auf das Wahljahr bezogen sieht Kirchschläger die grösste Gefahr darin, dass der Einsatz von KI Verletzungen von Menschenrechten beinhalte. Unter anderem von jenem auf politische Mitbestimmung. Denn die KI sammelt laufend unsere Daten.

Damit weiss die künstliche Intelligenz gemäss dem Professor genau, «welche Klaviertasten sie spielen muss, damit bei uns die Musik erklingt – sprich: damit wir politisch so wählen oder abstimmen, wie sie das will». Dies ermögliche politische Manipulation sowie eine Desinformation der Nutzerinnen und Nutzer.

Darum appelliert er nicht zuletzt an die Parteien, verantwortungsbewusst mit der künstlichen Intelligenz umzugehen.