Stromversorgung im WinterFDP-Duo hilft Umweltschützern – dabei will die Partei rasch neue Stauseen
Die FDP fordert den sofortigen Ausbau der Wasserkraft. Doch zwei prominente Mitglieder treten auf die Bremse: Kurt Fluri und Matthias Jauslin. Beide sind in der Stiftung Landschaftsschutz.
![Wollen keinen Schnellschuss beim geplanten Stausee ob Zermatt: Kurt Fluri (links) und Matthias Jauslin.](https://cdn.unitycms.io/images/0fP-Fu524ze81E3alQwDdo.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=A5imQ6tXyT4)
Der Titel trägt ein Ausrufezeichen. Und ein Ausrufezeichen wollen die Freisinnigen mit ihrer Aktion setzen: «Mehr Schweizer Wasserkraft für die Versorgungssicherheit im Winter!» Mehrere FDP-Kantonalparteien, darunter die Berner und die Zürcher Sektion, sammeln derzeit Unterschriften für eine Petition, die sie in einigen Monaten Energieministerin Simonetta Sommaruga übergeben wollen.
«Aufgrund der hohen Dringlichkeit» fordern sie die «sofortige Umsetzung» jener 15 Wasserkraftprojekte, die ein runder Tisch unter Sommarugas Führung letztes Jahr identifiziert hat. Erklärtes Ziel ist es, bis 2040 zusätzlich zwei Terawattstunden Strom zu produzieren und für die Wintermonate zu speichern, wenn die Schweiz jeweils auf Stromimporte angewiesen ist.
Sofortige Umsetzung? Soll das Einsprache- und Beschwerderecht abgeschafft oder einschränkt werden? Nein, sagt Stephan Lack, Präsident der Berner FDP. «Dieses Recht darf aber nicht missbraucht werden.» Vielfach werde einfach auf Zeit gespielt. Und Zeit sei bei der Energieversorgung ein wichtiger Faktor. Mit der Petition, macht Lack klar, wollten die Kantonalparteien die Bevölkerung direkt einbeziehen – und Druck auf jene Umweltverbände ausüben, die einzelne Projekte bekämpften.
Dazu muss man wissen: Am runden Tisch waren nebst Vertretern des Bundes, der Kantone und der Wasserwirtschaft auch drei Umweltverbände dabei. Der WWF und Pro Natura unterschrieben die gemeinsame Erklärung, nicht aber die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz. Grund ist das Projekt Gorner: Oberhalb von Zermatt im Wallis soll ein Stausee entstehen, der schmelzende Gornergletscher hat eine Schlucht freigelegt, darin ist ein Staudamm geplant, 85 Meter hoch. Das Gebiet liegt indes im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung.
Laute Schuldzuweisungen an die Umweltverbände
Von Umweltschützern bekämpft wird auch der geplante Stausee beim Triftgletscher im Kanton Bern, ein weiteres Schlüsselprojekt. Am letzten Wochenende demonstrierten rund 50 Personen vor Ort. Das sogenannte Trift-Komitee verlangt, dass die betroffenen «Landschaften für die Nachwelt ungeschmälert erhalten werden – und stattdessen die Solarenergie gefördert wird».
Bürgerliche Politiker sind darüber verärgert, das nicht zuletzt, weil der runde Tisch für die 15 Projekte ökologische Ausgleichsmassnahmen empfiehlt, welche die entstehenden Schäden an Biodiversität und Landschaft kompensieren sollen. Entsprechend laut sind die Schuldzuweisungen. «Die grössten Verhinderer der erneuerbaren Wasserkraft sind die linksgrünen Umweltverbände», sagt FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen.
«Versorgungssicherheit mit Strom bedeutet, dass man endlich im grossen Stil neue Kraftwerke baut.»
Nur: Es gibt auch im Freisinn Politiker, die diesen Widerstand mittragen. Der Solothurner Nationalrat Kurt Fluri präsidiert – wie zuvor die damalige St. Galler FDP-Ständerätin Erika Forster – just die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, im Stiftungsrat sitzt mit dem Aargauer Nationalrat Matthias Jauslin ein zweiter namhafter Freisinniger. Fluri figuriert zudem im Patronatskomitee der Gewässerschutzorganisation Aqua Viva, die das Trift-Projekt bekämpft.
Darauf angesprochen, sagt Wasserfallen, er erwarte, dass sich Fluri und Jauslin trotzdem für die Wasserkraftprojekte starkmachen würden. «Versorgungssicherheit mit Strom bedeutet, dass man endlich im grossen Stil neue Kraftwerke baut.» Es brauche nun rasch Baubewilligungen. Zusätzlich müssten die strengen Restwassermengen-Bestimmungen gelockert werden, um die Wasserkraft besser ausschöpfen zu können.
Stiftung fordert faire Interessenabwägung
Die beiden FDP-Politiker verteidigen indes ihr Engagement. Das Gorner-Projekt sei unausgegoren, sagt Kurt Fluri. Die Stiftung Landschaftsschutz finde es ehrlicher, ein Papier mit Mängeln, wie nun beim runden Tisch, nicht zu unterzeichnen, als dies zu tun, «um den Schein des Konsenses zu wahren». Das Trift-Projekt hingegen unterstützt Fluri. Deswegen aus dem Patronatskomitee von Aqua Viva auszutreten, ist für ihn aber kein Thema.
Andere Parlamentarier haben sich derweil verabschiedet, darunter selbst Grüne wie Bastien Girod. Fluri hingegen findet die Vorstellung, «nur Organisationen angehören zu können, deren Ziele man in allen Teilen unterstützt, merkwürdig und realitätsfern». So gebe es nie Lösungen. Es kommt laut Fluri darauf an, «ob die generelle Linie einer Organisation passt». In Einzelfällen müsse man anders lautende Einschätzungen aushalten können. «Somit muss ich auch nicht aus der FDP austreten, wenn ich diese Petition nicht in allen Teilen unterstütze.»
«Solche Projekte brauchen auch bei Zeitdruck mehrheitsfähige Optimierungen.»
Auch Jauslin sieht keinen Grund, der Stiftung Landschaftsschutz den Rücken zu kehren. Die FDP-Petition habe keinen Einfluss auf irgendeine seiner Tätigkeiten. Zudem bekämpfe die Stiftung nicht die Wasserkraft als solche. Vielmehr fordere sie eine faire Interessenabwägung. Es könne ja nicht sein, dass ein Verband wie die SL bei einem demokratisch nicht legitimierten runden Tisch einfach mal zustimme und damit der Idee einen Freipass erteile. «Solche Projekte brauchen auch bei Zeitdruck mehrheitsfähige Optimierungen.»
Offene Kritik an Fluri und Jauslin ist aus dem Freisinn nicht zu vernehmen. Hinter vorgehaltener Hand indes sieht manch einer des Duos wegen die Glaubwürdigkeit der FDP in dieser Frage beschädigt. Und was meint der FDP-Präsident dazu? Thierry Burkart erklärt, die FDP Schweiz unterstütze die Petition der Kantonalparteien vollumfänglich. «Wir sind aber keine totalitäre Partei, die unseren Mitgliedern und Parlamentariern vorgibt, welche Engagements sie privat und beruflich eingehen.»
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