Töffpilot Dominique AegerterFast eine Million war weg – nun erhält er endlich wieder Lohn
Der Berner musste auf die harte Tour lernen, wie teuer sein Sport ist. Er durchlebte frustrierende Jahre. Doch seine Freude ist zurück – und er verblüfft die Gegner.
Plötzlich scheint die Sonne wieder. Über ihm. Mit ihm. «32 Grad, weicher Sand, alles wunderbar», meldet Dominique Aegerter aus der Ferne. Er klingt beschwingt. Aegerter sitzt am Strand von Phillip Island, einer Halbinsel südlich von Melbourne, und schaut hinaus aufs Meer. Hier, im australischen Spätsommer, läuft in diesen Tagen sein neustes Abenteuer an: Er wird am Samstag erstmals in der Superbike-WM starten.
Seit er denken kann, ist Aegerter Töfffahrer aus Leidenschaft. Mit 16 hat der junge Mann aus Rohrbach BE in der Motorrad-WM debütiert, im Oktober 2006 war das. Über 13 Jahre lang fuhr er in der Weltmeisterschaft mit, gewann 2014 ein Rennen auf dem Sachsenring und kämpfte in jener Zeit mit seinem prominenten Mitstreiter Tom Lüthi um den Status als Nummer 1 im Land.
Lüthi ist inzwischen zurückgetreten, der vier Jahre jüngere Aegerter dagegen verfolgt seine Karriere weiterhin mit grosser Lust. Oder besser: mit wieder entflammter Lust. Denn es gab Zeiten, da fehlte ihm jede Freude. Jede Motivation. Es waren zum einen die schlechten Resultate, die ihm aufs Gemüt schlugen. Und zum anderen die Tatsache, dass er diese Misserfolge auch noch aus der eigenen Tasche finanzieren musste. Er liess sich seine Karriere richtig viel kosten, zwangsläufig.
Im Motorsport ist das Gefälle zwischen den Rennställen gross. Es gibt die grossen Teams, die sich die besten Fahrer leisten können und ihnen gutes Gehalt zahlen. Sie fahren entsprechend um die vordersten Plätze. Es gibt aber auch die Hinterbänkler, die mit weniger Sponsorengeld haushalten müssen und deshalb auf Fahrer setzen, die für ihren Platz auf einem Motorrad bezahlen.
Ein paar fragwürdige Entscheidungen
Nach seinen vielversprechenden Anfängen geriet Aegerters Karriere ab 2017 ins Stocken. Nicht immer war er selbst schuldlos daran – er fällte auch den einen oder anderen fragwürdigen Entscheid. Doch dass nach seinem Wechsel zum deutschen Rennstall Kiefer Racing der Teamchef starb und ein russischer Investor das versprochene Geld nie überwies: Das war nun wirklich Pech. Um doch die Saison bestreiten zu können, musste Aegerter Geld einschiessen – sein eigenes und das seiner Sponsoren. Eigentlich wäre dies sein Lohn gewesen.
«Geld zahlen, um zu arbeiten, ist nicht besonders lustig.»
Etwa eine halbe Million Franken habe ihn dies gekostet, sagt er rückblickend, und damit nicht genug: Im Folgejahr musste er nach dem Transfer zum italienischen Team Forward Racing nochmals rund 300’000 Franken mitbringen. «Geld zahlen, um zu arbeiten, ist nicht besonders lustig», sagt Aegerter. «Und erst recht ist es frustrierend, wenn du so viel investierst und keinen Erfolg hast. Es war schlimm.»
So seltsam das klingt: Die Freude am Rennsport kehrte erst zurück, als er keine Chance mehr erhielt, noch Stammfahrer in der Moto2-WM zu sein. Nur ein Platz in der neu geschaffenen Elektroklasse MotoE blieb ihm, «und doch hatte ich endlich wieder gleichwertiges Material», sagt er. Aegerter beendete die MotoE in seinem ersten Jahr als Dritter, wurde in der Folgesaison Zweiter – und holte 2022 erstmals den Titel.
Gleichzeitig sattelte Aegerter in die Supersport-WM um, im Unterschied zu den Rennmaschinen in der Moto2 werden dort seriennahe Strassenmotorräder gefahren. In seiner Premierensaison 2021 gewann er sogleich die Meisterschaft und doppelte im vergangenen Jahr nach – mit dem Rekord von 17 Siegen, 19 Podestplätzen und 498 WM-Punkten in 24 Rennen.
Mit diesen Resultaten wurde er zwangsläufig zum Thema für die höchste Klasse der Serienmeisterschaft: der Superbike-WM. Ende September offerierte ihm der Yamaha-Rennstall einen Einjahresvertrag im italienischen Privatteam GYTR GRT Yamaha. Für Aegerter ein Zeichen von Wertschätzung seiner Erfolge. Durchaus mit Erleichterung sagt er: «Ich muss nichts mehr selbst zahlen und bekomme wieder Lohn.»
Auf ihn wartet in der neuen Saison aber ein hartes Stück Arbeit. Die Motorräder der Superbike-WM sind viel leistungsstärker als jene der Moto2- oder Supersport-WM (1000 statt 600 Kubik und 240 statt 140 PS) und verlangen von den Fahrern wegen der komplizierten Elektronik auch viel Denkarbeit ab. «Der Schritt gegenüber dem Vorjahr ist riesig», ist sich Aegerter bewusst, der sich in Testfahrten auf vier verschiedenen Strecken an die Herausforderung herantastete. Sein Ziel ist, sich in den Top 10 zu etablieren und bester Neuling der Klasse zu werden.
Dass das nicht unrealistisch ist, zeigte er im letzten Test vor der Saison am Dienstag auf Phillip Island: Aegerter verblüffte die Konkurrenz mit der zweitbesten Zeit.
«Ich bin bereit», meldet er aus Australien, «aber auch ein bisschen nervös.» Es ist für ihn ein gutes Signal: «Nervös zu sein, heisst, dass mein Feuer brennt.»
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