Trend in der Fashion-Industrie Der Starfaktor ist gross in Mode
Kylie Jenner hat ein eigenes Modelabel, andere Promis entwerfen für Puma oder suchen Designtalente. Warum sich Unterhaltungs- und Fashionbranche immer näher kommen.

Breaking News: Kylie Jenner, 26, liest noch Zeitung! Im Werbevideo zu seinem frisch gegründeten Modelabel Khy sieht man den jüngsten Kardashian-Spross in seinem selbst entworfenen Lederröhrenkleid stolzieren und sich an einen Frühstückstisch setzen. Auf dem Teller ein riesiges Croissant, flüchtiger, gelangweilter Blick in die Zeitungsausgabe, kurzes Nippen an der Teetasse.
Was genau uns dieses Szenario mitteilen soll, wird nicht klar. Wahrscheinlich haben sich Jenners Mitarbeiter diese typische Morgensituation bei anderen erfolgreichen Menschen abgeguckt, amerikanische Präsidenten und so, denn erfolgreich ist die Unternehmerin ja: Ihre Beautymarke Kylie Cosmetics soll sie zur jüngsten Selfmade-Milliardärin aller Zeiten gemacht haben, gerade bekam sie vom «Wall Street Journal» mit grossem Trara den «Innovator Award» verliehen, jetzt also Khy. «Ich habe immer davon geträumt, eine eigene Modelinie zu haben», erzählte sie in einem Interview.
Die Kraft der sozialen Medien
Gähn, echt jetzt? Mode ist schon ziemlich lange ein beliebtes Promi-Hobby. 2004 fragte die «New York Times»: «Can anyone famous be a designer?» Sehr frei übersetzt: Kann eigentlich jeder berühmte Depp Designer spielen?
Sicher ist: Das Phänomen «Promi-Mode» ist nicht totzukriegen. Es passt halt alles so schön zusammen, Stars sind die perfekten Werbeflächen für Mode, weil sie ständig fotografiert werden. Mit ein bisschen professioneller Anziehhilfe gelten sie bald als «Stil-Ikonen», und diesen «Stil» wollen viele Fans dann sofort kopieren.
Ihr schwarzes Kunstleder-Zeug in Kooperation mit der Berliner Marke Namilia braucht kein Mensch.
Als Kylie Jenner ihr Label ankündigte, postete das Magazin der renommierten Londoner Modeschule Central Saint Martins ein Meme: Auf der einen Seite junge Designer, die händeringend versuchen, irgendwo einen Nachwuchspreis zu ergattern, um Schulden und Lieferanten zu bezahlen. Daneben eine Mega-Influencerin wie Jenner, die mal eben ihr eigenes Label launcht. Ihr schwarzes Kunstleder-Zeug in Kooperation mit der Berliner Marke Namilia braucht kein Mensch. Trotzdem waren am zweiten Tag viele Grössen bereits ausverkauft. 399 Millionen Follower auf Instagram ergeben eben eine Werbewirkung, die man selbst mit sehr vielen teuren Anzeigen nicht erreichen würde.
Schlaue Geschäftsleute suchen sich ein bekanntes Zugpferd
Ihre grosse Schwester Kim Kardashian (364 Millionen Instagram-Follower) gründete vor vier Jahren das Unterwäsche- und Shapewear-Label Skims, dessen Wert mittlerweile auf 4 Milliarden Dollar taxiert wird. Auch hier tritt die Dame des Hauses als Gründerin, Testimonial und Model in Personalunion auf. Vor allem sitzt im Hintergrund aber noch das Unternehmer-Ehepaar Grede, das offenbar dafür gesorgt hat, dass nicht nur das Produkt stimmt, sondern auch der Businessplan. In der Branche heisst das «The Name Game»: Schlaue Geschäftsleute suchen sich ein bekanntes Zugpferd als Aushängeschild.
Ein Spiel mit gewissen Risiken allerdings. 2019 bekam Rihanna von LVMH ein eigenes Label auf den Leib geschneidert. Einer der grössten Stars unserer Zeit, der grösste Luxuskonzern der Welt – was sollte da schon schiefgehen? Alles, wie sich herausstellte. Nach nicht einmal zwei Jahren wurden die Büros wieder geschlossen. Rihanna mag als Stil-Ikone sehr erfolgreich Sportswear (mit Fenty x Puma) und Unterwäsche (mit Savage x Fenty) vermarkten können, aber nicht unbedingt hohe Schneiderskunst.

Trotzdem wagte die Gruppe letztes Jahr einen scheinbar ähnlichen Schritt, als sie den Musiker Pharrell Williams für die Männerlinie von Louis Vuitton engagierte.
Allerdings wird Williams hier wohlweislich nicht als «Designer» verkauft, sondern als «Creative Director», und bekommt eben nicht sein eigenes Label, sondern mischt gewissermassen als Inhouse-Celebrity ein bereits ganz gut aufgestelltes Haus (rund 20 Milliarden Euro Umsatz) mit seiner Persona auf. Von «gegenseitiger Befruchtung» wird bei solchen Gipfeltreffen gern gesprochen. Mit vereinten, sich multiplizierenden Kräften soll jedoch vor allem Aufmerksamkeit, Aufmerksamkeit und noch mehr Aufmerksamkeit erreicht werden.
Die Stars bringen die Crowd mit
Für die erste Show von Williams im Januar wurde alles, was Rang und Namen hat, auf dem Pont Neuf versammelt, zwischendurch wurden ein paar Klamotten gezeigt und als Zugabe gleich noch ein Konzert des musizierenden Kreativchefs mit Jay-Z serviert. Was für ein Spektakel! Die Modewelt redete tagelang über nichts anderes. Rihanna, Beyoncé, Zendaya, Kim Kardashian, Naomi Campbell, Lewis Hamilton, Jude Bellingham – ihre Bilder wurden millionenfach geteilt. Die ganz grossen Marken produzieren heute längst «Fashiontainment», und jemand wie Williams bringt nicht nur eine «Vision» ins Haus, wie das so vollmundig heisst, sondern vor allem die richtige Crowd, die der Marke neue Zielgruppen für bunte Monogramm-Taschen erschliesst.

Und wie passt Angelina Jolie und ihr im November gestartetes Atelier Jolie in dieses Schema? Die Schauspielerin hat sich in den vergangenen Jahren als notorischer Gutmensch positioniert, jetzt will sie offensichtlich noch die Modewelt verbessern; klingt immer gut. Die 48-Jährige möchte jungen Kreativen ein Forum geben sowie das Handwerk unterstützen. Es ginge hier überhaupt nicht um sie, sagte Jolie der amerikanischen «Vogue», sie wolle auch nicht Designerin spielen, sie stelle sich vor allem «einen Ort des Austauschs» vor, an dem «alle zu Schöpfern werden».
Klingt noch arg schwammig alles. Vollends verwirrend wurde es, als sich Jolie zum Start natürlich doch gross mit einer Fotostrecke in der «Vogue» ablichten liess und als Allererstes mit Chloé zusammenarbeitete, also keinem Jungdesigner, sondern einer Marke, die zum Luxuskonzern Richemont gehört. Die schlichten Entwürfe sind von Jolies Persönlichkeit inspiriert und bestimmt sehr hochwertig und nachhaltig produziert. Aber auch auf diese Sachen hat man in der überaus gesättigten Modewelt nicht wirklich gewartet.
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