Leitartikel zur Zürcher Initiative «Mehr Geld für Familien»Familienunterstützung nicht mit Giesskanne verteilen
Es ist richtig, dass der Staat Familien unterstützt. Die Kinderzulagen im Kanton Zürich massiv zu erhöhen, ist aber falsch. Denn das Geld würden vor allem jene erhalten, die es nicht nötig haben.
Als «tragende Säule der Gesellschaft» habe die Familie im Kanton Zürich mehr finanzielle Zuwendung verdient. Das meint die kleine christlich-konservative EDU und fordert in einer Initiative, die Kinderzulagen um 50% zu erhöhen. Am 13. Juni stimmen wir darüber ab. Die Umsetzung der Vorlage kostet sehr viel Geld: jedes Jahr 340 Millionen Franken. Finanziert würde dieser Betrag nicht aus der Kantonskasse, sondern aus Beiträgen der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, wie das bei Kinderzulagen generell vorgesehen ist. Angesichts der starken Zusatzbelastung lohnt es sich, genau zu überlegen, ob damit tatsächlich gravierende Mängel effizient behoben werden können.
Zürich ist nicht familienfeindlich
Im Kanton Zürich erhält man pro Kind 200 Franken Zulage (250 Franken für über 15-Jährige). Diese Beträge liegen nur knapp über den Werten, die der Bund als Minimum vorgibt. Der Kanton Zug beispielsweise ist mit 300 bzw. 350 Franken deutlich grosszügiger. Zürich müsse im «Wettbewerb der Kantone» einen Spitzenplatz einnehmen, begründet die EDU ihre Forderung nach einer starken Erhöhung der Zulagen. Dieses Argument hätte dann Gewicht, wenn Familien den Kanton Richtung Zulagen-freundlichere Gegenden der Schweiz verlassen würden oder wenn die Geburtenrate bei uns tiefer läge als beispielsweise im Kanton Zug. Beides ist nicht der Fall. Der Kanton Zürich wächst unaufhörlich, und die hiesige Geburtenrate ist schweizweit eine der höchsten. Offensichtlich hat die absolute Höhe der Kinderzulagen keinen wesentlichen Einfluss auf die Standortattraktivität. Aus diesem Grund müssen wir die Beiträge also nicht erhöhen.
Mehrheit braucht das Geld gar nicht
Wesentlich gewichtiger ist das Argument, dass Kinder viel Geld kosten und die finanzielle Belastung für die Eltern Jahr für Jahr steigt. Währenddessen blieben die Zulagen jahrelang unverändert. Die Initianten und die sie unterstützenden linken Parteien befürchten, dass Kinder zu einer Armutsfalle werden oder dass Paare sich aus finanziellen Gründen keine Kinder leisten können. Hier müsse der Kanton korrigierend eingreifen. Er verhindere damit, dass Familien Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssten. Der Staat unterstützt und bevorzugt Familien auf vielfältige Weise finanziell. Sei es mit Kinderkrippen, Steuerabzügen oder eben Kinderzulagen. Es ist deshalb richtig, dass diese Massnahmen auch wirken müssen und dass dort, wo Kinder immer noch ein Armutsrisiko sind, nachgebessert wird. Wie bei allen sozialpolitischen Massnahmen müssen sie aber jenen zugutekommen, die die Hilfe brauchen. Kinderzulagen werden aber nicht einkommensabhängig ausbezahlt, sondern kinderbezogen. Von den zusätzlichen 340 Millionen würde also die Kaderfrau einer Grossbank ebenso profitieren wie der Küchengehilfe am Imbissstand. Von der Armutsfalle betroffen ist nur eine kleine Minderheit der Eltern. Das heisst im Umkehrschluss, dass der grösste Teil der zusätzlichen Familienzulagen in die Portemonnaies von Eltern fliessen würde, die das Geld gar nicht brauchen. Die Initiative verstärkt also den Giesskanneneffekt, den das System Kinderzulagen heute schon hat, zusätzlich und ist deshalb keine ausgereifte Idee.
Gezielt helfen wirkt besser
Es lohnt sich stattdessen, die finanziellen Probleme von Familien genauer zu analysieren und dann zielgerichtetere Lösungen auszuarbeiten. Ein Beispiel, wie man es besser machen kann, ist die Erhöhung der Prämienverbilligungen, über die wir ebenfalls am 13. Juni abstimmen. Dieses Instrument kommt gezielt jenen zugute, die besonders stark unter den ständig steigenden Krankenkassenprämien leiden. Das sind zum Beispiel auch kinderreiche Familien.
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