Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Angst vor Fachkräftemangel
Ohne syrische Angestellte haben Pflege und Gastro in der Schweiz ein Problem

A member of the Syrian community has painted a heart in the colors of Syria on her cheek as she attends a rally on December 8, 2024 in Berlin, Germany, to celebrate the end of Syrian dictator Bashar al-Assad's rule after rebel fighters took control of the Syrian capital Damascus overnight. Islamist-led rebels toppled Syria's longtime ruler Bashar al-Assad in a lightning offensive that a UN envoy called "a watershed moment" for the nation marred by civil war. (Photo by RALF HIRSCHBERGER / AFP)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk
In Kürze:
  • Syrerinnen und Syrer übernehmen wichtige Rollen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt.
  • Das Gesundheitswesen in der Schweiz ist auf ausländische Fachkräfte angewiesen.
  • Eine Abwanderung syrischer Arbeitskräfte könnte die Arbeitsmärkte belasten.

Welche Lücke würde die Rückkehr von Syrerinnen und Syrern in ihre Heimat auf dem Schweizer Arbeitsmarkt reissen? Diese Frage beschäftigt gegenwärtig die hiesige Wirtschaft.

So heisst es beim Schweizerischen Arbeitgeberverband: «Müssten Syrer, die hier eine Arbeitsstelle besetzen, zurück in ihr Heimatland, so würde das für den Arbeitsmarkt neue Stellenvakanzen bedeuten – und damit Rekrutierungs­aufwand für die Arbeitgeber. In einer Zeit, in der Arbeitskräftemangel herrscht.» Man gehe deshalb davon aus, dass einige Arbeitgeber ein Gesuch prüfen würden, um ihre Angestellten über das Drittstaatenkontingent anzustellen.

Diverse Branchen machen sich Sorgen. «Der Arbeitsmarkt im Gesundheitswesen ist aufgrund des Fachkräftemangels auf Arbeitskräfte ohne Schweizer Pass angewiesen», mahnt zum Beispiel Artiset, die Föderation der Dienstleister für Menschen mit Unterstützungsbedarf mit ihren drei Branchenverbänden Curaviva, Insos und Youvita. Wenn Pflegende aus der Schweiz ausreisten, würde das den Mangel noch verschärfen. «Da der Arbeitsmarkt ausgetrocknet ist, wird es für die Institutionen sehr schwierig werden, die Stellen zu besetzen», sagt Eva Strebel von Artiset.

Auch bei Gastrosuisse will man nicht auf die syrischen Arbeitskräfte verzichten. Präsident Beat Imhof sagt: «Die Gastrobranche ist ein Integrationsmotor, und wir haben viele Syrerinnen und Syrer bei uns aufgenommen und ausgebildet. Sie werden bei einer Rückkehr auf dem Arbeitsmarkt fehlen.» Gleichzeitig stehe der Verband nicht über den politischen Entscheidungen, «wir versuchen, diese zugunsten unserer Mitglieder zu beeinflussen, und müssen letztlich die Gesetze befolgen», so Imhof.

Schlagartige oder graduelle Abwanderung?

Bei den vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen aus Syrien beträgt die Erwerbsquote 45,9 Prozent, bei solchen, die länger als sechs Jahre in der Schweiz sind, ist sie 50,8 Prozent. Rund die Hälfte aller 18- bis 64-Jährigen geht also einer bezahlten Arbeit nach. Das ist eine eher hohe Erwerbsquote.

Gemäss dem UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR haben etwa 5,5 Millionen Menschen Syrien als Flüchtlinge verlassen. In der Schweiz leben 28’000 syrische Staatsangehörige. Seit Ausbruch des Krieges in Syrien 2011 haben rund 25’000 Syrerinnen und Syrer ein Asylgesuch gestellt. Davon haben 24’000 entweder Asyl erhalten oder sind als schutzbedürftig eingestuft worden. Aktuell befinden sich 500 Personen in einem Verfahren (sind also von der Sistierung der Asylgesuche betroffen).

Michael Siegenthaler, Ökonom bei der Konjunkturforschungsstelle (KOF), erachtet die volkswirtschaftlichen und arbeitsmarktlichen Auswirkungen einer Abwanderung als geringfügig. «Von einer plötzlichen Rückkehr der Syrerinnen und Syrer wären primär einzelne Betriebe betroffen, die stark auf Personen aus Syrien gesetzt haben», sagt er. Diese müssten sich nach Ersatz umsehen, was in der gegenwärtigen Arbeitsmarktlage aufgrund des Arbeitskräftemangels «kostspielig ist und dauern kann, aber aufgrund der eingetrübten Arbeitsmarktlage auch nicht hoffnungslos ist».

Entscheid gegen Rückkehr ist auch denkbar

Eine schlagartige Abwanderung aller erwerbstätigen Syrerinnen und Syrer hält er ohnehin für «ein unrealistisches Szenario». Realistischer sei eine «graduelle Abwanderung, weil viele Syrerinnen und Syrer – gerade jene, die hier erwerbstätig sind – zunächst abwarten dürften und sich einige, vielleicht sogar viele, aufgrund der unsicheren Lage und der wohl anhaltend schwierigen Wirtschaftslage in Syrien ganz gegen eine Rückkehr entscheiden könnten».

Auch in Deutschland beschäftigt man sich mit der Situation in Syrien. So warnt der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft vor einer Abwanderung: «Wir können verstehen, dass viele von ihnen in ihre Heimat zurückkehren möchten und dort auch dringend gebraucht werden.» Doch syrische Ärzte würden vor allem in Spitälern kleinerer Städte in Deutschland eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Versorgung spielen. «Verlassen sie in grösserer Zahl Deutschland, wird dies in der Personaldecke ohne Zweifel spürbar sein.»