Schädlicher Einfluss auf JugendlicheUS-Gerichte bremsen Verbot von sozialen Medien
Florida und andere Bundesstaaten wollen unter 16-Jährige von den sozialen Medien fernhalten. Doch die grossen Techkonzerne gehen mit Klagen dagegen vor.
Über den Schutz Minderjähriger vor schädlichen Auswirkungen der sozialen Medien waren diese Woche in Washington grosse Worte zu hören. Dass ihnen Taten folgen werden, glauben die wenigsten.
Viele Beobachter verfolgten am Mittwoch mit Befriedigung, wie sich die Bosse von fünf grossen Techkonzernen auf den Zeugenstühlen wanden. Mitglieder der Justizkommission im US-Senat nahmen sie regelrecht ins Verhör, warfen ihnen vor, Jugendliche in die Depression zu treiben. «Ihr Produkt tötet Menschen», sagte Josh Hawley aus Missouri dem Facebook-Gründer Mark Zuckerberg ins Gesicht.
Der Chef des Facebook-Mutterkonzerns Meta hatte zuvor abgestritten, dass Instagram und andere Netzwerke bei Jugendlichen die Suizidneigung erhöhten. Doch Hawley konnte mit Verweis auf interne Studien belegen, dass die Meta-Führung sich dieses Risikos bewusst war. Vom Senator aufgefordert, entschuldigte sich Zuckerberg kleinlaut bei den im Saal anwesenden Eltern verstorbener Kinder.
In vergangenen Jahren hatten Hearing-Rituale mit Tech-Chefs weder die Konzerne zum Einlenken bewogen noch überparteilich populären Kinderschutz-Gesetzen zum Durchbruch verholfen. Diesmal sei es anders, sagte Senatorin Amy Klobuchar aus Minnesota. «Zum ersten Mal verspüre ich die Hoffnung, dass sich etwas bewegt.»
Soziale Medien bei unter 16-Jährigen nur mit Erlaubnis der Eltern
Amerikas Gliedstaaten warten nicht so lange. In mehreren dieser 50 «Versuchslabore der Demokratie» sind Gesetze verabschiedet worden, die Kinder vor der Verführung durch die sozialen Medien schützen sollen. Am weitesten ging bisher Florida. Am 24. Januar beschloss das Repräsentantenhaus mit einer Mehrheit von 106 gegen 13 Stimmen, dass künftig die Verwendung der meisten Kanäle, die Foto- und Videostreams verbreiten, für unter 16-Jährige verboten sein soll. Die drastische Vorlage geht jetzt an den ebenfalls republikanisch kontrollierten Senat.
Die von den sozialen Medien erzeugten «Dopamin-Schübe machen derart süchtig – sie gleichen digitalem Fentanyl», sagte die Abgeordnete Fiona McFarland mit Bezug auf das gefürchtete Opiat. Sie findet es zu gefährlich, dass die meisten sozialen Medien schon 13-Jährige zulassen. «Selbst kundigste Eltern oder versierteste Teens können die suchterzeugenden Eigenschaften kaum abwehren.»
Angefangen mit Utah im Frühjahr 2023 haben einige US-Gliedstaaten bereits vor Florida Kontrollgesetze erlassen. Arkansas, Ohio, Louisiana und Texas verlangen, dass Jugendliche bis 16 Jahre für das Nutzen von sozialen Medien das Einverständnis der Eltern brauchen. Einige Gliedstaaten schreiben zudem vor, dass die Alterskontrolle von Drittunternehmen vorgenommen werden muss.
All diese Schutzgesetze stehen indes in einer schwer lösbaren Spannung mit dem von der amerikanischen Verfassung garantierten Recht auf freie Meinungsäusserung. Weil sie keinen Flickenteppich verschiedener Vorschriften wollen, gehen die Techkonzerne auf gerichtlichem Weg aggressiv gegen die gliedstaatlichen Gesetze vor. Wo immer nötig reicht die von den Konzernen finanzierte Organisation NetChoice Klagen ein. Sie reklamiert jeweils das Recht der Unternehmen, frei Informationen zu verbreiten, und das Recht der Nutzer, diese zu empfangen.
Rechtliche Position der Konzerne ist stark
Die Klagen hätten bisher in jedem Fall Erfolg gehabt, weil die Gesetze «offensichtlich verfassungswidrig» seien, sagt Carl Szabo, der Vizepräsident von NetChoice. Zuletzt verfügte Bundesrichter Algenon Marbley im Januar einen vorsorglichen Stopp des Gesetzes in Ohio. «Minderjährige unter 16 Jahren von jeglichen Inhalten auszusperren, ist ein atemberaubend plumpes Instrument, um die Schädigung von Kindern durch soziale Medien zu verringern», schrieb der Richter.
In den Gliedstaaten halten viele Gesetzgeber die Rückschläge für temporär. Die rechtliche Position der Konzerne ist jedoch stark. Sie können sich auf den berühmten Abschnitt 230 eines Gesetzes von 1996 berufen, wonach sie wegen Postings von Nutzern nicht verklagt werden können. Mit vielen Lobbyisten und noch mehr Geld verteidigen die reichen Techunternehmen dieses Gesetz, weil es für sie Freiheit im Internet begründet.
Solange sich der US-Kongress nicht darauf einigen kann, welche Regulierung es generell braucht, werden es die einzelstaatlichen Vorhaben vor Gerichten schwer haben.
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