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Explosion in Leverkusen
Keine Hoffnung auf Überlebende – Dioxin im Rauch vermutet

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Einen Tag nach der schweren Explosion im Leverkusener Chemiepark mit mindestens zwei Toten hat die Betreiberfirma keine Hoffnung mehr, die fünf noch vermissten Menschen lebend zu finden. «Wir gehen davon aus, dass wir sie nicht mehr lebend finden», sagte Frank Hyldmar, Geschäftsführer von Currenta, am Mittwoch in Leverkusen.

Vier der Vermissten seien Mitarbeiter von Currenta. Bei einem handele es sich um einen Mitarbeiter einer externen Firma. Auch einer der Toten sei bei einem externen Unternehmen angestellt gewesen. «Es lässt sich nicht in Worte fassen, was die Angehörigen durchmachen», sagte Arbeitsdirektor Wolfgang Homey.

Auch der Leiter des Parks, Lars Friedrich, sprach in einem am Mittwoch auf Twitter veröffentlichten Video von «schwindender» Hoffnung. Über Nacht seien Sicherheitsmassnahmen vorgenommen worden. Derzeit werde alles vorbereitet, damit die Ermittlungen zur Unglücksursache beginnen können.

Einsatzkräfte der Feuerwehr sind mit Löscharbeiten im Chempark beschäftigt.

Wie hoch der Schaden für Currenta nach der Explosion ist, blieb unklar. Das Unternehmen sagte eine weitere Zusammenarbeit mit den Behörden zu. «Wir werden alles tun, um dieses schreckliche Ereignis aufzuklären», sagte Hyldmar.

Wahrscheinlich sieben Tote insgesamt

Mindestens zwei Mitarbeiter kamen am Dienstagvormittag bei der Explosion mit anschliessendem Grossbrand in Leverkusen ums Leben. 31 weitere wurden verletzt, davon einer schwer. Laut Werksleitung ereignete sich die Explosion im Tanklager der Sondermüllverbrennungsanlage des Chemieparks, in der Produktionsrückstände der dort ansässigen Firmen gesammelt und entsorgt werden. Drei Tanks mit organischen Lösungsmitteln gerieten in Brand. Darin befanden sich nach ersten Schätzungen der Betreiber 600’000 bis 900’000 Liter Lösungsmittel.

Wegen des Unglücks wurden mehrere Autobahnen in der Umgebung des Chemieparks zeitweise gesperrt, wegen der Rauchwolke wurden Warnungen an die Bevölkerung herausgegeben. Bürger waren aufgerufen, Wohnungen und Häuser nicht zu verlassen sowie das betroffene Gebiet zu meiden.

Umweltamt: Dioxin,- PCB- und Furanverbindungen in Wohngebiete getragen

Das nordrhein-westfälische Landesumweltamt geht von «Dioxin,- PCB- und Furanverbindungen» aus, die über die Rauchwolke in umliegende Wohngebiete getragen wurden. Nach Informationen des Amtes hätten in den betroffenen Tanks unter anderem auch chlorierte Lösungsmittel gelagert, teilte ein Sprecher am Mittwoch mit. In welcher Konzentration dies tatsächlich geschehen sei, werde aber aktuell noch untersucht. Die Untersuchungen seien recht aufwendig.

Grundsätzlich sei es so, dass Dioxine bei jedem Brandereignis in mehr oder weniger hohen Konzentrationen entstünden, so das Landesumweltamt. Verhaltensempfehlungen und Messungen hätten aktuell einen «starken präventiven Charakter». «Dioxine werden überwiegend über Nahrungsmittel im Körper angereichert. Daher gehen unsere Empfehlungen immer zuerst in Richtung einer Verzehrempfehlung, also Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten erst einmal nicht zu verzehren.»

Spielplätze bleiben gesperrt

Entscheidend ist die Frage nach der Konzentration der Stoffe. «Dioxin-, PCB- und Furanverbindungen werden durchaus in Zusammenhang gebracht mit Missbildungen bei Neugeborenen von Tieren, weniger beim Menschen, als Umweltöstrogene oder auch Krebs erregende Substanzen beim Menschen», sagte Daniel Dietrich, Leiter der Arbeitsgruppe Human- und Umwelttoxikologie an der Uni Konstanz, der Deutschen Presse-Agentur. «Aber – und das ist das grosse Aber – nur in hohen Konzentrationen. Und die liegen nicht vor, wenn das entsprechende Gebiet im Laufe der Zeit gereinigt und dekontaminiert wird.»

Nach der Explosion in der Müllverbrennungsanlage geht die Suche nach den Vermissten weiter.

Die Stoffe klebten an Oberflächen, sagte er. «Sie springen einen nicht an, man müsste sie schon aktiv in den Körper transportieren – etwa, wenn man sich nach der Arbeit im Garten die Hände abschleckt.» Selbst wenn man von oben bis unten mit den Partikeln bedeckt wäre, könnte man diese ohne Gefahr mit Seife abwaschen. «Nach meiner Einschätzung besteht also keine akute Gefahr für die Bevölkerung, wenn sie sich an die Handlungsempfehlungen des Landesumweltamtes und der anderen involvierten Behörden hält», sagte Dietrich.

Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eröffnet

Da die endgültige Analyse zunächst noch ausstand, hielt die Stadt Leverkusen ihre Empfehlungen an die Bürger aufrecht. Der Russ sollte nicht in die Wohnung getragen werden. Neben Obst und Gemüse seien in den betroffenen Arealen etwa auch Gartenmöbel oder Pools zu meiden. Wer dringend im Garten arbeiten müsse, sollte dabei vorsorglich Handschuhe tragen. Die Spielplätze in den – nahe am Explosionsort gelegenen – Stadtteilen Bürrig und Opladen blieben vorerst gesperrt. Bereits am Dienstag hatte die Kommune erklärt, Currenta werde «zeitnah die Strassen, Gehwege und Hauseingänge reinigen».

Auch die Ursache für die Detonation ist noch unklar. Um zu klären, ob menschliche Fehler zu dem Unglück führten, wurde eine Ermittlungsgruppe bei der Polizei eingerichtet. Das wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung und fahrlässiges Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion eingeleitete Ermittlungsverfahren richte sich gegen Unbekannt, erklärte die Kölner Staatsanwaltschaft.

AFP/SDA/red